Manches als vertraulich eingestufte Papier birgt wirklich
erstaunliches Material – es eröffnet eine neue Perspektive,
vervollständigt das Bild von einem Menschen, transportiert Aussagen, die
man so noch nie gehört, nie gelesen, kaum für denkbar gehalten hat.
Nach einem Papier der britischen Regierung soll Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU)
einst einen radikalen Plan entworfen haben: Er wollte, wie er der
britischen Regierungschefin Margaret Thatcher bei ihrem Besuch im
Oktober 1982 in Bonn anvertraut haben soll, die Hälfte der in
Deutschland lebenden Türken loswerden.
Helmut Kohl: "Notwendig, die Zahl der Türken um 50 Prozent zu reduzieren"
Kohl wollte was? Pssst, nicht so laut: "Kanzler Kohl sagte, über die
nächsten vier Jahre werde es notwendig sein, die Zahl der Türken um 50
Prozent zu reduzieren – aber er könne dies noch nicht öffentlich sagen",
soll es in dem geheimen Gesprächsprotokoll vom 28. Oktober 1982 heißen,
aus dem der Spiegel zitiert. Und weiter: "Es sei unmöglich für
Deutschland, die Türken in ihrer gegenwärtigen Zahl zu assimilieren."
Nur vier Personen waren laut Protokoll damals im Raum: Kohl, sein
langjähriger Berater Horst Teltschik, Thatcher und ihr Privatsekretär A. J. Coles, der Verfasser des Dokuments.
Tenor des Dokuments: "Die Türken kämen aus einer sehr andersartigen Kultur". Deutschland habe 11
Millionen Deutsche aus osteuropäischen Ländern integriert. Aber diese
seien Europäer und stellten daher kein Problem dar", zitiert
Protokollant Coles den Kanzler. Kohl ist gerade vier Wochen im Amt. Als
Beispiele für das "Aufeinanderprallen zweier verschiedener Kulturen"
nennt er Zwangsehen und Schwarzarbeit der Türken. Jeder zweite von ihnen
müsse daher gehen: "Er beabsichtige, die Sozialversicherungsbeiträge
der türkischen Arbeiter zu kapitalisieren und ihnen eine Abfindung zu
geben", heißt es dazu im Protokoll.
Für die Bleibenden sieht der Kanzler
Schulungen vor: "Diejenigen, die integriert werden, müssten Deutsch
lernen."
"Was Kohl der britischen Kollegin sagte, wurde dann auch
Regierungsprogramm - wenn auch weit weniger radikal. 1983 beschloss die
damalige schwarz-gelbe Koalition, allen arbeitslos gewordenen Türken
eine Rückkehrprämie anzubieten. 10500 Mark sollte es geben, dazu die
Auszahlung der Rentenbeiträge. Und für jedes Kind gab es noch einmal
1500 Mark dazu.
Ähnliches hatte übrigens auch schon die sozialliberale
Koalition in den Jahren davor erwogen. Das Angebot wurde auf ein Jahr
befristet. Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) hätte es gern allen
arbeitslosen Migranten zugesagt, aber dafür fehlte das Geld. Ein Erfolg
war das Ganze am Ende nicht, weniger Türken als erwartet nutzten die
Prämie. Verlängert wurde das Gesetz nicht mehr. Nach 1983 hat sich das
gesellschaftliche Klima im Umgang mit "Gastarbeitern", Ausländern,
Migranten zudem erheblich gewandelt. Ein Wandel, den auch Kohl später
nachvollzog. 1993 setzte er gegen innerparteiliche Widerstände durch,
dass Ausländer der dritten Generation, die in Deutschland geboren waren,
den deutschen Pass bekommen konnten. ZEIT
Ich kann mich gut erinnern: 1991
hatte Andreotti ein Schiff mit 40000 Albanern einfach wieder zurück
nach Albanien geschickt. 27000 durften bleiben. Und trotzdem hatte schon
damals ganz Italien das Gefühl, nur Italien nehme Asylsuchende auf. Im
selben Jahr nahm Deutschland 100.000 Asylsuchende auf. 1992 mussten dann
die Abgeordneten mit dem Hubschrauber in den Bundestag geflogen werden,
um das Asylgesetz zu "verschärfen" (es entstand das Gesetz, das wir
jetzt haben). Trotzdem sah Kohl sich im Jahr darauf dazu veranlasst,
eine eine ganze Zeitungsseite lange Stellungnahme in der Welt dazu zu veröffentlichen.
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