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Freitag, 20. Juli 2018

Israels Grundgesetz wurde am 19. Juli 2018 verabschiedet


Gestern verabschiedete das israelische Parlament ein Gesetz über den Nationalcharakter Israels. Es legt Name, Fahne, Hymne, Hauptstadt, Amtssprache, Gedenktage und das Einwanderungsrecht von Juden nach Israel fest, es definiert außerdem jüdische Siedlungen als „nationalen Wert“. Das meiste davon steht so ähnlich auch in den Verfassungen der meisten anderen Staaten. Aber wie praktisch alles, was in Israel geschieht – Forschung, Kultur und Alltagsleben einmal ausgenommen – findet auch dieser Knessetbeschluss einen außerordentlich umfangreichen Niederschlag in der deutschen Qualitätspresse. Allein schon die Tatsache, dass ein Parlament den Charakter eines Landes erhalten will – in diesem Fall: als jüdischen Staat, den einzigen weltweit – führt in Deutschland zu einer schweren publizistischen Erregung. Bekanntlich ist die Bundesrepublik, vertreten durch seine Medien, vom Weltgeist zum Bewährungshelfer für Israel bestellt worden. Und diese Rolle füllen Journalisten und Journalistinnen mit Eifer und einem Einsatz von Sendezeit und Zeitungsspalten aus, wie ihn deutsche Mediennutzer sonst nur von der Dauerkommentierung der Trump-Politik kennen.

Das Nationalstaatsgesetz, erfahren die Zuschauer und Leser, bedeutet praktisch die Abschaffung der Demokratie in Israel und die völlige Entrechtung der 20 Prozent Araber, die im Land leben.


In der Tagesschau vom 19. Juli moderiert die Nachrichtensprecherin ihr Gespräch mit der Israelkorrespondentin Susanne Glass an mit: „Ein Hassgesetz, sagen also die Araber.“


„Warum überhaupt das Gesetz?“, will die Sprecherin wissen.


Glass: „Die israelische Bevölkerung ist in den letzten Jahren immer weiter nach rechts gerückt.“ Ferner teilt sie ohne nähere Quellenangabe mit, „Kritiker“ des Gesetzes hätten befürchtet, die Paragrafen könnten „innerhalb der EU als fast apartheidfördernd“ angesehen werden. Zum Beispiel von deutschen Journalisten.


„Treibt Netanjahu mit dem Gesetz die weitere Spaltung von Parlament und Gesellschaft voran?“, will die Tagesschau-Sprecherin noch in unvoreingenommenem Erkenntnisinteresse wissen.


Glass: „Das tut er sicherlich.“


„Zeit Online“ bringt in ihrem Bericht eine Fake News gleich in der Überschrift unter, geschickt abgesichert durch ein Fragezeichen: „Ein Israel nur für Juden?“


Im Fachorgan „Süddeutsche Zeitung“ vom 20. Juli erkennt eine Alexandra Förderl-Schmid auf „Diskriminierung per Gesetz“. Sie räumt zwar großzügig ein:


„Ja, jeder Staat darf Fahne, Hauptstadt, Nationalhymne und Feiertage festlegen.” Aber die Art, und wie dies “im speziellen Kontext des Nahen Ostens geschieht, ist ein ganz bewusster Akt der Exklusion.“


Im speziellen Kontext des Nahen Ostens ist es schließlich auch ein Skandalon, wenn Israel den Hamas-Raketenbeschuss irgendwann mit eigenem Feuer beantwortet.


Die „taz“ wiederum teilt in ihrem Kommentar zu dem Gesetz mit: „Gemischte Schulen der verschiedenen Konfessionen sind rar, und Mischehen werden auf beiden Seiten verpönt.“ Das Nationalstaatsgesetz befasst sich übrigens weder mit Schulen noch mit Ehen. Ist aber egal. Laut „taz“ schafft das Gesetz „böses Blut“. Bei wem eigentlich? (Nur ganz am Rande: im Gaza-Streifen wird kein einziger Jude diskriminiert, weder per Gesetz noch real. Denn das Landstück ist seit der freiwilligen Übergabe durch Israel an die Araber im Jahr 2005 judenfrei. Allfällige Apartheid-Vorwürfe aus der EU muss die Hamas also nicht fürchten.)


Bemerkenswert an der qualitätsdeutschen Beschäftigung mit dem israelischen Gesetz sind zwei Aspekte: erstens der völlige Gleichklang von Tagesschau bis „taz“. Wahrscheinlich verfügt kein Land der Welt über eine solche Vielfalt von Medien, die völlig identische Kommentare senden und drucken. Zweitens erfahren die Zuschauer und Leser meist entweder gar nicht oder nur rudimentär, was überhaupt in dem Gesetz steht. Deshalb dokumentiert Publico hier den vollen Wortlaut:


Grundgesetz: Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes
1. Grundprinzipien
A. Das Land Israel ist die historische Heimat des jüdischen Volkes, in dem der Staat Israel gegründet wurde.
B. Der Staat Israel ist die nationale Heimat des jüdischen Volkes, in der es sein natürliches, kulturelles, religiöses und historisches Recht auf Selbstbestimmung erfüllt.
C. Das Recht auf nationale Selbstbestimmung im Staat Israel ist einzigartig für das jüdische Volk.
2. Die Symbole des Staates
A. Der Name des Staates ist „Israel“.
B. Die Staatsflagge ist weiß mit zwei blauen Streifen an den Rändern und einem blauen Schild Davids (Davidstern) in der Mitte.
C. Das Staatswappen ist eine siebenarmige Menorah mit Olivenblättern auf beiden Seiten und darunter das Wort „Israel“.
D. Die Nationalhymne ist die „Hatikvah“.
E. Details zu Staatssymbolen werden vom Gesetz festgelegt.
3 . Die Hauptstadt des Staates
Jerusalem, vollständig und vereint, ist die Hauptstadt Israels.
4. Sprache
A. Die Sprache des Staates ist Hebräisch.
B. Die arabische Sprache hat einen besonderen Status im Staat; die Regelung des Einsatzes von Arabisch in staatlichen Institutionen oder durch sie wird gesetzlich geregelt.
C. Diese Klausel berührt nicht den Status, der der arabischen Sprache vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gegeben wurde.
5. Einladung der im Exil Lebenden
Der Staat wird stets offen sein für die jüdische Einwanderung und die Einwanderung von Exilanten
6. Verbindung zum jüdischen Volk
A. Der Staat wird sich bemühen, die Sicherheit der Mitglieder des jüdischen Volkes, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft oder ihrer Staatsbürgerschaft in Schwierigkeiten oder in Gefangenschaft sind, zu gewährleisten.
B. Der Staat soll innerhalb der Diaspora die Beziehung zwischen dem Staat und den Mitgliedern des jüdischen Volkes stärken.
C. Der Staat soll das kulturelle, historische und religiöse Erbe des jüdischen Volkes unter den Juden in der Diaspora bewahren.
7. Jüdische Siedlung
A. Der Staat betrachtet die Entwicklung von jüdischen Siedlungen als einen nationalen Wert und wird ihre Gründung und Konsolidierung bestärken und fördern.
8. Offizieller Kalender
Der hebräische Kalender ist der offizielle Kalender des Staates und daneben wird der Gregorianische Kalender als offizieller Kalender verwendet. Der Gebrauch des hebräischen Kalenders und des Gregorianischen Kalenders wird vom Gesetz bestimmt.
9. Unabhängigkeitstag und Gedenktage
A. Der Unabhängigkeitstag ist der offizielle Nationalfeiertag des Staates.
B. Der Gedenktag für die Gefallenen in Israels Kriegen und der Holocaust- und Helden-Gedenktag sind offizielle Gedenktage des Staates.
10. Tage der Ruhe und Sabbat
Der Sabbat und die Feste Israels sind die etablierten Tage der Ruhe im Staat; Nicht-Juden haben das Recht, an ihren Ruhetagen und Festen zu ruhen; Details zu diesem Thema werden gesetzlich festgelegt.
11. Unveränderlichkeit
Dieses Grundgesetz darf nicht geändert werden, außer durch ein anderes Grundgesetz, das von einer Mehrheit der Knesset-Mitglieder verabschiedet wurde.

In fast allen Berichten versäumen die Journalisten den Hinweis nicht, das Gesetz sei in Israel sehr „umstritten“ gewesen, es habe ein Pro und Kontra in den Medien gegeben. „Sogar Staatspräsident Rivlin“, wusste die „Zeit“, habe sich dagegen ausgesprochen. Mit anderen Worten: In Israel herrscht eine Diskussionskultur, wie sie für demokratische Staaten üblich ist.    Wendt

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