Erst kürzlich „duellierten“ sich hier auf der Achse des Guten Thilo Sarrazin (siehe hier) und Professor Daniel Thym (siehe hier) über die Frage des Rechtsbruchs an der Grenze.
Vor wenigen Tagen wurde über ein Rechtsgutachten des früheren Bundesverfassungsrichters Hans-Jürgen Papier berichtet, das Thilo Sarrazin bestätigt. Papier sieht Zurückschiebungen und Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen nicht nur für möglich, sondern für rechtlich zwingend an. Denn Artikel 3 Absatz 1 Satz 1 der Dublin III-Verordnung gebiete die Verhinderung von Weiterreisen von Zuwanderern durch Europa; eine Asylantragstellung im Wunschland (= zumeist Deutschland) sei mit dem Regelungssystem des EU-Rechts nicht vereinbar.
Die rechtliche Auseinandersetzung über die Notwendigkeit von Zurückweisungen an der Grenze wird bisher vorwiegend auf der Ebene des Verfassungs- und Verwaltungsrechts geführt (siehe etwa die diesbezügliche Organklage der AfD beim Bundesverfassungsgericht). Nunmehr haben namhafte Juristen aus der öffentlichen Verwaltung auch die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortung der Bundespolizisten aufgeworfen, wenn sie illegalen Zuwanderern die Einreise nach Deutschland nicht verweigern.
Frank Braun (Professor für Staats- und Polizeirecht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in NRW) und Florian Albrecht (Oberregierungsrat an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung) haben in einem Beitrag auf dem Rechtsportal Legal Tribune Online die Frage der Strafbarkeit bejaht.
Sie sehen die mündliche Ministeranweisung vom September 2015, wonach illegale Zuwanderer, die Asyl begehren, an der Grenze nicht zurückzuweisen sind, allenfalls noch für die Ausnahmesituation im Herbst 2015 als rechtmäßig an. Aktuell sei diese Anordnung jedenfalls nicht mehr vom geltenden Recht gedeckt.
Grenzpolizisten machen sich strafbar
Grenzpolizisten seien daher gemäß § 18 Absatz 2 und 3 Asylgesetz rechtlich verpflichtet, Zuwanderern, die über einen sicheren Drittstaat (wie beispielsweise Österreich) kommen, die Einreise zu verweigern beziehungsweise sie zurückzuschieben. Das gelte unabhängig davon, ob die Zuwanderer in der EURODAC-Datenbank registriert oder mit dem betroffenen Drittstaat Verwaltungsabkommen abgeschlossen seien. Die entsprechende Handlungspflicht der Grenzbeamten ergebe sich aus dem Gesetz, ein Spielraum für politische Zweckmäßigkeitserwägungen bestehe nicht. Die Übertragung von Grenzschutzaufgaben mache Bundespolizisten zu Beschützergaranten für die öffentliche Sicherheit. Wer eine unerlaubte Einreise dennoch gestatte, mache sich wegen Unterlassens der gebotenen Verhinderungsmaßnahmen gemäß § 95 Absatz 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz strafbar. Da die rechtliche Problematik in der Bundespolizei bekannt sei, können sich die Grenzpolizisten nicht (mehr) darauf berufen, von nichts gewusst zu haben.Die Autoren führen weiter aus: Soweit entgegenstehende dienstliche Anweisungen bestünden, seien die Beamten verpflichtet, die Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit geltend zu machen und ihre Vorgesetzten auf die Versäumnisse im Bereich des Grenzschutzes hinzuweisen. Wer dennoch weiter dazu angehalten werde, der mündlichen Ministeranweisung aus dem September 2015 Folge zu leisten, müsse vom Instrument der sogenannten Remonstration Gebrauch machen. Nur so könnten sich die Grenzbeamten vor strafrechtlicher Verfolgung schützen.
Die Kleinen hängt man, …?
„Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“, das könnte der erste Gedanke sein, wenn nun ausgerechnet auf die Grenzpolizisten mit der Keule des Strafrechts eingeschlagen wird, obgleich die eigentlich Verantwortlichen doch in der Bundesregierung sitzen. Doch wie stets gilt eben auch hier, dass die Großen ohne die Kleinen ihre „Herrschaft des Unrechts“ (so Originalton des derzeitigen Bundesinnenministers Horst Seehofer) nicht ausüben könnten.Solange das Recht ist, wie es ist, und es nicht mit den entsprechenden Parlamentsmehrheiten abgeändert wird, muss man es beachten – auch als Grenzpolizist. Wer das Recht ignoriert, muss damit rechnen, sich dafür verantworten zu müssen, gegebenenfalls auch strafrechtlich. Allerdings ist realistischerweise angesichts der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft kaum damit zu rechnen, dass die Justiz diese Fälle auch tatsächlich strafrechtlich aufgreift. Ansgar Neuhof
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