Knapp drei Wochen nach Beginn der massiven Armeeoffensive im Südosten
Syriens sollen nun die Waffen schweigen. Rebellengruppen und die
Regierung unter Baschar al-Assad haben am Freitag abend einen
Waffenstillstand vereinbart. Dabei läuft die von russischer Seite
vermittelte Vereinbarung nach Angaben des syrischen Regimes auf eine
Kapitulation der Rebellen hinaus: Sie sollen ihre Waffen abgeben, ihre
Kämpfer abziehen und die Kontrolle der Grenze zu Jordanien an die
Regierung abgeben.
Zuvor hatte die russische Luftwaffe zusammen mit der schweren
Artillerie der syrischen Truppen rund drei Wochen lang die Dörfer und
Orte der Region Daraa im Länderdreieck zu Israel und Jordanien
bombardiert – eines der wenigen Gebiete, das noch von Rebellengruppen
gehalten wurde.
Zuverlässige Berichte aus dem Südosten Syriens sind nicht zu
bekommen, aber die steigende Zahl der Flüchtlinge in den Grenzstreifen
zu Israel und der Verletzten, die in israelischen Krankenhäusern
behandelt werden, bestätigen die spärlichen Angaben des israelischen
Militärs, das die Vorgänge genauestens beobachtete und für alle Fälle
ein massives Aufgebot von Merkava-Panzern in Grenznähe auffuhr.
Seit einer kurzen Atempause Mitte der Woche standen die Stellungen
der Rebellen unter Dauerbeschuß. Russische und syrische Truppen
bombardierten systematisch Wohngebiete und so war es nur eine Frage der
Zeit, bis die Region Daraa, in der die Rebellion gegen die Diktatur Assads
vor sieben Jahren begann, wieder unter Kontrolle des Regimes gelangte.
Denn Israel und die USA hatten sich offensichtlich mit Rußland darüber
verständigt, nicht einzugreifen. Assad und Putin konnten sich austoben.
Die Absprachen und die Lage in der Region werden bei den Treffen des
russischen Präsidenten Wladimir Putin mit dem israelischen Premier
Benjamin Netanjahu am 11. Juli in Moskau und mit dem amerikanischen
Präsidenten Donald Trump am 16. Juli in Helsinki Gegenstand der
Gespräche sein. In groben Zügen ist zu erfahren, daß Jerusalem und
Washington zustimmen, nichts gegen das Regime Assad zu unternehmen,
solange der Diktator sich innerhalb der syrischen Grenzen bewegt. Sie
haben sich damit abgefunden, daß Assad an der Macht bleibt. Es ist in
der Tat niemand sonst zu sehen, der Syrien heute regieren könnte.
Das Land ist ein Trümmerfeld, die 18 Millionen Menschen zählende
Bevölkerung gespalten, die herrschende Minderheit der zwei Millionen
Alawiten verhaßt. Das Regime ist allerdings auch so geschwächt, daß es
mit seinem Überleben genug zu tun hat und Israel nicht gefährlich werden
kann. Moskau läßt dafür Israel freie Hand gegen den Iran und ist auch
einverstanden damit, daß die iranischen Truppen und Berater ganz aus
Syrien abgezogen werden. Das liegt auch im Interesse Moskaus, denn so
hängt das Regime Assad ganz vom Wohlwollen Rußlands ab.
Putin ist sogar einverstanden, sich auch im Nordosten Syriens nicht
mehr an Kämpfen zu beteiligen und somit einer drohenden direkten
Konfrontation mit amerikanischen Truppen aus dem Weg zu gehen. Ohne den
Schutz durch russische Truppen und Kampfflugzeuge werden die iranischen
Revolutionswächter bald aufgerieben sein.
Durch den Nordosten Syriens aber sollte eine Fernstraße von Teheran
bis nach Beirut führen. Diese „schiitische Straße“ zu verhindern war für
Israel vorrangig, denn sie hätte das strategische Gleichgewicht aus dem
Lot gebracht. Sehr schnell hätte Teheran die libanesische Hisbollah mit
Raketen aufrüsten und selber bis an die israelische Grenze heranrücken
können.
Generell sollen nun iranische Einheiten nicht näher als 80 Kilometer
vor israelischem Gebiet Stellungen beziehen dürfen. In dieser
„Sicherheitszone“ darf Israel Angriffe auf iranische Stellungen und
Einheiten fliegen. Allerdings ist von iranischen Truppen und
Revolutionswächtern in Syrien im Moment nicht mehr viel übrig.
Die Europäer spielen bei diesen Absprachen keine Rolle. Ihre
Unterstützung des Mullah-Regimes wird Iran wenig helfen. Die
amerikanischen Sanktionen greifen, die Proteste in den Straßen Teherans
halten an. Die meisten westlichen Unternehmen sind abgezogen, der Rial,
die iranische Währung, befindet sich im freien Fall, die Versorgungslage
dürfte bald sehr kritisch werden.
Das syrische Abenteuer des iranischen Regimes hat viele Menschenleben
gefordert, das Expansionsstreben der Mullahs ist einer der Gründe für
die Sanktionen. Von den Massenprotesten in iranischen Städten ist in
westlichen Medien nicht viel zu sehen oder zu lesen. Israel befürchtet
nun, daß das Mullah-Regime versucht sein könnte, eine Art
Entlastungsangriff zu wagen und hat vorsorglich oder auch wegen
konkreter Informationen den Schutz des Atomreaktors Dimona in der
Negev-Wüste verstärkt.
Die iranische Theokratie ist strategisch gesehen der eigentliche
Verlierer der neuesten Absprachen. Ihr Sturz von innen heraus ist das
Ziel Jerusalems und Washingtons. Assad ist schwach und kann bleiben, die
Mullahs aber sind gefährlich und müssen weg. Das könnte schneller
kommen als man in Europa vermutet.
Und auch davon würden Rußland und Amerika profitieren: Der Ölpreis
würde zeitweise in die Höhe schnellen. Die wirklich Leidtragenden aber
sind die Menschen, die vor den syrischen und russischen Bomben fliehen
oder von ihnen begraben werden. Putin nutzt brutal und
menschenverachtend den Moment der Weltmeisterschaft: Alle schauen nach
Moskau, keiner nach Daraa. Liminski
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.