Offensichtlich wurden die Ambitionen der italienischen Regierung bei dem jüngsten Mini-Gipfel auf der Insel Ventotene. Dort nutzte der italienische Premier ein Treffen mit der deutschen Kanzlerin und Frankreichs Präsident, François Hollande, um sich als Retter des Projekts EU in Szene zu setzten. Mehrere Anzeichen sprechen dafür, dass es bei der jüngsten europapolitischen Offensive Roms weniger um die Rettung Europas als um das eigene politische Überleben geht.
Punkte wie der Brexit und die Zuwanderungskrise wurden zwar offiziell in den Mittelpunkt gerückt, in italienischen Medien wurde das Treffen von Ventotente allerdings als das Ende der Sparpolitik in der Euro-Zone bejubelt. Wenn diese Schlussfolgerung auch übereilt erscheint, so ist doch Fakt, dass unter dem Etikett eines europäischen „Neustarts“ die Regierung in Rom einen Angriff auf grundlegende Vereinbarungen der Währungsunion gestartet hat.
Europa könne nicht „der eiskalte Wächter von bürokratischen Regeln sein“, Regeln, die obendrein „schwierig zu akzeptieren sind“, so Italiens Regierungschef. Laut Medienberichten will Renzi Prinzipien des Stabilitätspakts und Regeln der EU-Bankenunion aufweichen. Ganz zentral ist die Forderung, eine höhere Neuverschuldung zu erlauben.
Hintergrund dieser Wünsche ist, dass Italien nicht ohne Grund immer öfter als „Problemkind“ Europas bezeichnet und die Sorge vor einem „neuen Griechenland“ laut wird. Es besteht die Gefahr, dass Italien zum Zentrum einer nächsten, sehr schweren Euro-Krise wird. So wird Italiens Staatsverschuldung von 135 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in der Euro-Zone nur noch von Griechenland übertroffen. Betroffen wäre allerdings diesmal ein wirtschaftliches Schwergewicht: die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone. Zum enormen Schuldenberg ist die neuaufgeflammte Sorge vor einer wirtschaftlichen Stagnation und weiter steigenden Arbeitslosenzahlen gekommen. Nachdem sich die wirtschaftliche Lage Italiens nach Jahren der Rezession im letzten Jahr erholt hatte, ist Ende Juli bekannt geworden, dass die Wirtschaft des Landes im zweiten Quartal nicht mehr gewachsen ist.
Obendrein hat Renzi auch noch eine ungelöste Bankenkrise abzuarbeiten. Die italienischen Geldinstitute sitzen auf einem Berg fauler Kredite von über 300 Milliarden Euro. Ein besonderer Aspekt macht die Bankenrettung im Fall Italiens besonders schwierig. Nach den Regeln der EU-Bankenunion müssen zuerst Eigentümer und Anleihengläubiger einen Beitrag zur Rekapitalisierung eines maroden Institutes leisten. Betroffen wären in vielen EU-Ländern meist institutionelle Investoren, in Italien allerdings auch Hunderttausende Kleinanleger. Sollten sie bei einer Bankenkrise ihre Ersparnisse und ihre Altersvorsorge verlieren, würde dies vermutlich schnell das Ende der angeschlagenen Regierung Renzi bedeuten. Nutznießer wäre vermutlich die fundamentaloppositionelle Fünf-Sterne-Bewegung Beppe Grillos, die mit Zustimmungswerten über 30 Prozent inzwischen stärkste politische Kraft Italiens ist. Weiteren Auftrieb könnte ebenso die EU-kritische Lega Nord oder die Partei Silvio Berlusconis bekommen.
Die Möglichkeit, dass bei einem Scheitern Renzis in Rom EU-kritische Kräfte ans Ruder kommen, ist nur ein Punkt, der dafür spricht, dass am Ende Berlin und Paris stillschweigend oder offen erneut einem Bruch wichtiger EU-Regeln zustimmen werden. Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Hollande stehen im Jahr 2017 wichtige Wahlen ins Haus. Sollte in Italien eine schwere Euro-Krise aufflammen, könnte dies in Deutschland und Frankreich den Ausgang stark beeinflussen. Noch ein weiterer Punkt spricht dafür, dass Renzis Versuch „Europa neu zu erfinden“, letztendlich von Erfolg gekrönt sein wird.
Unübersehbar formiert sich eine Front südeuropäischer Länder, die den
bisherigen Spar- und Stabilitätskurs in der Euro-Zone beenden will.
Bereits am Rande eines EU-Gipfels im Juni hatten Renzi und sein griechischer Amtskollege Alexis Tsipras die Bildung einer „Allianz des europäischen Südens“ diskutiert. Laut Euractiv, einem 1999 von Christophe Leclercq gegründeten Internet-Nachrichtenportal, das sich ausschließlich Themen mit Bezug zur EU widmet, hat die griechische Regierung inzwischen Staatsoberhäupter südlicher EU-Länder eingeladen, ein Bündnis gegen Sparmaßnahmen zu bilden. Auf einer entsprechenden Konferenz, die für den September in Athen angesetzt ist, sollen voraussichtlich Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Zypern und Malta vertreten sein. Norman Hanert
Bereits am Rande eines EU-Gipfels im Juni hatten Renzi und sein griechischer Amtskollege Alexis Tsipras die Bildung einer „Allianz des europäischen Südens“ diskutiert. Laut Euractiv, einem 1999 von Christophe Leclercq gegründeten Internet-Nachrichtenportal, das sich ausschließlich Themen mit Bezug zur EU widmet, hat die griechische Regierung inzwischen Staatsoberhäupter südlicher EU-Länder eingeladen, ein Bündnis gegen Sparmaßnahmen zu bilden. Auf einer entsprechenden Konferenz, die für den September in Athen angesetzt ist, sollen voraussichtlich Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Zypern und Malta vertreten sein. Norman Hanert
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