Wenn sich ein 28 Jahre alter Autor anmaßt, ein Buch über die Geschichte des Geldes zu schreiben, dann ist zunächst Vorsicht geboten. Das gilt um so mehr, wenn es den nichtssagenden Titel Warum eigentlich genug Geld für alle da ist trägt. Da erwartet man dann, daß irgendein linker Revoluzzer erklärt, wie „Wohlstand für alle“ ohne große Anstrengungen möglich sein soll. Bei Stefan Mekiffer ist das allerdings anders. Er hat ein erstaunlich gutes Buch geschrieben, das den Fokus auf die richtigen Dinge lenkt.
Mekiffer hat einen Ansatz gewählt, der dem recht nahe kommt, was sich Werner Sombart unter einer „verstehenden Nationalökonomie“ vorstellte. Er betrachtet das Geld also weder rein philosophisch noch technisch-naturwissenschaftlich, sondern analysiert umfassend seine Funktion, seinen Einfluß auf unser Denken und die damit einhergehende Veränderung der Umwelt.
Ganz wertfrei betrachtet, sei Geld eine der folgenschwersten Erfindungen der Geschichte, betont Mekiffer. Daß es seit Jahrhunderten immer immaterieller werde, habe auch nachvollziehbare Gründe, weil dadurch sowohl die kleinen als auch großen Transaktionen immer einfacher und schneller möglich sind. Genau das ist der Grundgedanke des Geldes, wodurch auch das von jeglichem Gegenwert losgelöste Papiergeldsystem verstehbar werde.
Statt sich an dieser Stelle jedoch ausschließlich auf eine Kritik des bestehenden Systems zu beschränken, holt Mekiffer weiter aus und kommt so auch zu Schlußfolgerungen und Alternativen, die den Hebel an der richtigen Stelle ansetzen. Er stellt zu Recht in Frage, ob uns das abstrakt-wissenschaftliche Denken, zu dem uns das Geld erzogen habe, denn heute noch voranbringe. „Seit das Geld in unser Leben eingedrungen ist, wird das Allgemeine, Abstrakte, Ausgedachte realer und wichtiger als die wahrnehmbare Wirklichkeit“, schreibt der junge Autor. Und weiter: „Wir erkennen heute nicht mehr Bäume an ihren Blättern, dafür Unternehmen an ihren Logos.“
Unpersönliche Märkte, Gesetze und Preise sind also wichtiger geworden als die konkreten Eigenschaften der Dinge und sozialen Beziehungen selbst. Das liege daran, daß Geld als Maßeinheit die Dinge zähl- und vergleichbar mache, wodurch zwangsläufig ohne irgendeine zusätzliche politische Ideologie ein Universalismus folgt, dessen verstörendes Endstadium wir im 21. Jahrhundert beobachten können.
Der Wachstumszwang, die Vereinheitlichung und Ökonomisierung der Welt beruhen jedoch nicht allein auf dem Zinsmechanismus und der Allgegenwart des Wettbewerbs, wodurch wir scheinbar ständig dazu angehalten sind, der Logik des Geldes zu folgen. Der vielleicht klügste Gedanke von Mekiffer ist seine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Knappheit. Darunter wird in ökonomischen Diskursen verstanden, daß …
… die Menge der Güter, die zur vollständigen Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse (Sättigung) notwendig ist, deren Verfügbarkeit bzw. die Möglichkeiten der Produktion übersteigt. Knappheit bzw. knappe Güter sind der Grund des wirtschaftenden Handelns von Menschen. Die auf Märkten jeweils auftretenden Preise sind Ausdruck dieser Knappheitsrelation (Knappheitspreise).
Dieser Definition, die eigentlich eine Ideologie ist, stellt Mekiffer die Vielfalt der Natur entgegen, die dafür sorge, daß für alle genug da ist, was wissenschaftlich auch als bewiesen gelten kann, da auf der Erde problemlos zwölf Milliarden Menschen ernährt werden könnten. Die Voraussetzung dafür ist lediglich, daß diese Menschen keine unendlichen Bedürfnisse haben, wie dies die liberalistische Wirtschaftstheorie annimmt. Mekiffer geht davon aus, daß diese unendlichen Bedürfnisse erst durch die Logik des Geldes in die Welt gekommen sind. Konservative Pessimisten mögen vielleicht auch der Meinung sein, daß der Mensch potentiell unersättlich ist, weil er stets nach Macht, Prestige und Wachstum strebt. Das würde aber bedeuten – und hier schließt sich der Kreis –, daß er recht einfältig wie ein Homo oeconomicus handelt und auch durch die Einbindung in soziale Beziehungen in keinster Weise gebändigt werden kann. Das nun aber ist ebenfalls eine unrealistische Annahme und unterstellt eine rein mechanische Funktionsweise der Wirtschaft, wie das die derzeit dominierende ordnende Nationalökonomie konzipiert hat.
Knappheit entsteht also nur, wenn alle das Gleiche wollen (egal, ob Wohnraum, Smartphones oder Lebensmittel aus dem Supermarkt), womit wir wieder beim Universalismus wären. Wenn alle jedoch etwas Anderes wollen, dafür auf individuelle Ressourcensuche gehen und das Erschaffene, was über den Eigenbedarf hinausgeht, verkaufen, dann entfällt das Knappheitsproblem, wenn zugleich das Bewußtsein dafür vorhanden ist, daß es überhaupt keinen Grund gibt, über den Eigenbedarf hinaus zu konsumieren, weil das sinnlose Verschwendung der tatsächlich einzig knappen Ressource, der eigenen Lebenszeit, ist.
Worauf eine solche Kritik der Knappheit praktisch hinausläuft, läßt sich mit dem noch immer negativ konnotierten Begriff der Autarkie zusammenfassen. Gerade die ökologische und wachstumskritische Bewegung entdeckt die Autarkie gerade wieder neu, weil es mittlerweile möglich ist, ein „Dorf der Zukunft“ (ReGen Villages) zu entwerfen, das komplett selbständig ein bißchen mehr als den totalen Eigenbedarf an Nahrung, Energie etc. produziert und dabei selbstverständlich auf hochmoderne Technologie setzt.
Stefan Mekiffer strebt eine solche „organische Wirtschaft“ ebenfalls an und skizziert zwei Wege, die dahin führen könnten. Zum einen hofft er darauf, daß genauso wie im Ökosystem auf den Vorgang des Wachstums die „Sukzession“ folgt. Gemeint ist damit Ausdifferenzierung und die Entstehung von Vielfalt durch immer neue Nischenprodukte, die auf die wachstumsbesessenen Pionierunternehmen folgen. Schaut man sich die Entwicklung von Unternehmen wie McDonald´s an, gibt es hier durchaus Grund zur Zuversicht.
Zum anderen stellt Mekiffer ein ganzes Maßnahmenbündel vor, das er umsetzen würde, wenn er könnte. Zentral ist dabei insbesondere die Idee des Schwundgeldes, die auf Silvio Gesell zurückgeht und auch schon nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 für kurze Zeit zum Einsatz kam (Wunder von Wörgl). Dabei verliert das Geld ständig an Wert, weshalb es einen besonders großen Anreiz gibt, es schnell zu investieren, um den ursprünglichen Wert zu erhalten. Die Kreditvergabe ist in diesem System nur zinsfrei möglich. Der Grundgedanke der Schwundgeld-Idee ist, das Geld immer dorthin wandern zu lassen, wo gerade etwas entsteht und die Anhäufung riesiger Vermögen zu verhindern, da diese nur auf irgendeinem Konto liegen und das Geld dort „selber arbeitet“.
Koppeln will Mekiffer dieses Schwundgeldsystem an ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger sowie Freigeld für den Staat, wodurch alle Steuern mit einem Mal abgeschafft wären. Die Währung soll dabei durch den „vorzugsweise“ demokratisch vereinbarten Ressourcenverbrauch gedeckt werden, d.h. Unternehmen sollen beim Staat Ressourcenanrechte kaufen.
Bewußt ist sich Mekiffer darüber, daß solche fundamentalen Änderungen erst nach dem Ausbruch einer großen Krise möglich wären. Aber selbst dann, was würde ein Schwundgeld langfristig bewirken, wenn wir mal seine kurzfristige Wirksamkeit unterstellen? Jeder, der das Gesellschaftsspiel „Siedler von Catan“ kennt, bei dem ausschließlich Rohstoffe gehandelt werden, kennt die Antwort: Übermäßiger Reichtum in Form von Rohstoffen, Immobilien und verschiedenen anderen Machtoptionen (im Spiel sind das z.B. die Ritterkarten) häuft sich auch so an. Man wird also mit einigen Ungerechtigkeiten einfach leben müssen.
Dem Knappheitsdenken kann sich dagegen jeder selbständig entziehen und die Vielfalt der eigenen Heimat erkunden. Politisch wünschenswert wäre es dabei natürlich, daß der Staat hier unterstützend eingreift in Form eines „Grundeinkommens für Selbstversorger“, wie das Michael Beleites auf der IfS-Sommerakademie vorgeschlagen hat. Doch wer glaubt schon an so viel Umdenken unserer Politiker? Wahrscheinlich niemand, weshalb es besser ist, an sich selbst zu glauben.
Ich bin fest davon überzeugt, daß – freilich in Abstufungen – jeder genug Kraft für ein selbstbestimmtes Leben hat. Man muß nur den damit verbundenen Sprung ins Ungewisse wagen. Los geht’s! Felix Menzel
Stefan Mekiffer: Warum eigentlich genug Geld für alle da ist. 304 S., Hanser Verlag, München 2016.
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