Wenn der „Spiegel“-Bericht
recht hätte, dann wollte sich die deutsche Regierung von der
Armenien-Resolution des Bundestags irgendwie distanzieren, um eine
Forderung der Türkei zu erfüllen. Inzwischen distanziert sie sich allerdings von der Distanzierung,
weil der Versuchsballon den Beteiligten mit einem gewaltigen Knall um
die Ohren geflogen ist. „Regierungssprecher Steffen Seibert betonte,
dass die Resolution rechtlich nicht bindend sei, will dies aber nicht
als Distanzierung verstanden wissen“, schreibt die Welt.
Ja warum betont er es dann?
Warum wird dieses Fass aufgemacht, wenn
nicht zum Zwecke der Distanzierung? Das verstehe, wer will. Da war sogar
Honecker schlauer, die Volkskammer beschloss erst gar nichts, was nicht
vollkommen im Sinne des geliebten Generalsekretärs war.
Der Bundestag stufte am 2. Juni dieses Jahres zum Verdruss von Angela
Merkel mit übergroßer Mehrheit die millionenfachen Massentötungen und
Deportationen von Armeniern im Osmanischen Reich zur Zeit des Ersten
Weltkriegs eindeutig als Völkermord ein. Verfasst wurde die Erklärung
von der Union, der SPD und den Grünen. Am 2. Juni hatten allerdings die
Kanzlerin, der Vizekanzler und der Außenminister ganz zufällig besseres
zu tun, als an der Abstimmung teilzunehmen. Dadurch brauchen sie sich
jetzt nicht von sich selbst zu distanzieren, was ein Glück.
Angeblich geht es darum: Erdogan soll im Gegenzug wieder erlauben,
dass Bundestagsabgeordnete die auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik im
Osten der Türkei stationierten deutschen Soldaten besuchen dürfen. Von
dort fliegt die internationale Koalition gegen den Islamischer Staat
ihre Einsätze, darunter auch Aufklärungstornados der Bundeswehr. Der
Kanzlerin geht es also um die Vereinsamung deutscher Soldaten durch die
längere Abwesenheit der geliebten Bundestagsabgeordneten? Wer’s glaubt,
wird selig.
In Anbetracht der bevorstehenden Wahlen kam die große Frage auf, wer
für die Bundesregierung eine irgendwie geartete Distanzierungs-Erklärung
öffentlich abgeben soll.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier will nicht,
es könnte ja seiner übergroßen Beliebtheit schaden. Ein persönlicher
Auftritt von Kanzlerin Merkel kommt nicht infrage, weil es wie Kotau vor
Erdogan aussähe.
Nun muss der Regierungssprecher Seibert mit einem Dementi ran und
trotzdem irgendwie mitteilen, dass die besagte Resolution des Bundestags
keine bindende Wirkung für die deutsche Regierung habe.
Der Bundestag
kann beschließen was er will - es handelt sich um eine politische
Erklärung des Bundestags ohne jede juristische Bedeutung.
Das Distanzieren soll keiner bemerken, deshalb dementiert die
Regierung, das sie sich distanziert. Die Lösung: von etwas
Bedeutungslosem braucht man sich nicht zu distanzieren.
Ich fürchte aber, dass die seibertsche Schwurbelei den Herrn Erdogan
nicht milder stimmen wird.
Wenn die verschlungene Vierzig-Wort-
Schachtelsatzkonstruktion überhaupt übersetzbar sein sollte, bleibt ihr
Inhalt doch im Dunkeln der Zweideutigkeit. Einmal mehr zeigt die
Kanzlerin dem Parlament den politischen Stinkefinger: Was der Bundestag
an Resolutionen beschließt, ist ohne juristische Bedeutung und hat keine
bindende Wirkung für die Regierung.
Einmal mehr zeigt die Kanzlerin, für wie beschränkt sie die Wähler
hält: Den Seibert-Text versteht sowieso keiner. Und wenn’s der
Regierungssprecher Seibert sagt, dann sagt es ja nicht die Kanzlerin.
Dann merken die Leute nicht, dass sie sich in der Flüchtlingspolitik
verrannt hat und wegen der Flüchtlingsdrohung vor dem türkischen Regime
einknickt. Manfred Haferburg
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