Stationen

Freitag, 2. September 2016

Davon kann (bzw. darf) keine Rede sein

Wenn der „Spiegel“-Bericht recht hätte, dann wollte sich die deutsche Regierung von der Armenien-Resolution des Bundestags irgendwie distanzieren, um eine Forderung der Türkei zu erfüllen. Inzwischen distanziert sie sich allerdings von der Distanzierung, weil der Versuchsballon den Beteiligten mit einem gewaltigen Knall um die Ohren geflogen ist. „Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, dass die Resolution rechtlich nicht bindend sei, will dies aber nicht als Distanzierung verstanden wissen“, schreibt die Welt. Ja warum betont er es dann?

Warum wird dieses Fass aufgemacht, wenn nicht zum Zwecke der Distanzierung? Das verstehe, wer will. Da war sogar Honecker schlauer, die Volkskammer beschloss erst gar nichts, was nicht vollkommen im Sinne des geliebten Generalsekretärs war.

Der Bundestag stufte am 2. Juni dieses Jahres zum Verdruss von Angela Merkel mit übergroßer Mehrheit die millionenfachen Massentötungen und Deportationen von Armeniern im Osmanischen Reich zur Zeit des Ersten Weltkriegs eindeutig als Völkermord ein. Verfasst wurde die Erklärung von der Union, der SPD und den Grünen. Am 2. Juni hatten allerdings die Kanzlerin, der Vizekanzler und der Außenminister ganz zufällig besseres zu tun, als an der Abstimmung teilzunehmen. Dadurch brauchen sie sich jetzt nicht von sich selbst zu distanzieren, was ein Glück.

Angeblich geht es darum: Erdogan soll im Gegenzug wieder erlauben, dass Bundestagsabgeordnete die auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Osten der Türkei stationierten deutschen Soldaten besuchen dürfen. Von dort fliegt die internationale Koalition gegen den Islamischer Staat ihre Einsätze, darunter auch Aufklärungstornados der Bundeswehr. Der Kanzlerin geht es also um die Vereinsamung deutscher Soldaten durch die längere Abwesenheit der geliebten Bundestagsabgeordneten? Wer’s glaubt, wird selig.
In Anbetracht der bevorstehenden Wahlen kam die große Frage auf, wer für die Bundesregierung eine irgendwie geartete Distanzierungs-Erklärung öffentlich abgeben soll.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier will nicht, es könnte ja seiner übergroßen Beliebtheit schaden. Ein persönlicher Auftritt von Kanzlerin Merkel kommt nicht infrage, weil es wie Kotau vor Erdogan aussähe.
Nun muss der Regierungssprecher Seibert mit einem Dementi ran und trotzdem irgendwie mitteilen, dass die besagte Resolution des Bundestags keine bindende Wirkung für die deutsche Regierung habe.

Der Bundestag kann beschließen was er will - es handelt sich um eine politische Erklärung des Bundestags ohne jede juristische Bedeutung. Das Distanzieren soll keiner bemerken, deshalb dementiert die Regierung, das sie sich distanziert. Die Lösung: von etwas Bedeutungslosem braucht man sich nicht zu distanzieren.

Ich fürchte aber, dass die seibertsche Schwurbelei den Herrn Erdogan nicht milder stimmen wird.

Wenn die verschlungene Vierzig-Wort- Schachtelsatzkonstruktion überhaupt übersetzbar sein sollte, bleibt ihr Inhalt doch im Dunkeln der Zweideutigkeit. Einmal mehr zeigt die Kanzlerin dem Parlament den politischen Stinkefinger: Was der Bundestag an Resolutionen beschließt, ist ohne juristische Bedeutung und hat keine bindende Wirkung für die Regierung.
Einmal mehr zeigt die Kanzlerin, für wie beschränkt sie die Wähler hält: Den Seibert-Text versteht sowieso keiner. Und wenn’s der Regierungssprecher Seibert sagt, dann sagt es ja nicht die Kanzlerin. Dann merken die Leute nicht, dass sie sich in der Flüchtlingspolitik verrannt hat und wegen der Flüchtlingsdrohung vor dem türkischen Regime einknickt.   Manfred Haferburg

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.