Sigmar Gabriel am 22. 8. 2015
Stellen Sie sich bitte einmal Folgendes vor: Ihr Mann schnarcht, will sich aber nicht auf Apnoe untersuchen lassen. Ihre Frau verjubelt das Haushaltsgeld. Der Sohn hat keine Lust mehr auf Schule und die Tochter einen Freund, der mit Drogen handelt. Statt das Problem dort anzugehen, wo es seinen Ursprung hat, also in der Familie, bringen Sie es in der Hausversammlung zur Sprache. Sie sagen, Ihre Familie hätte Sie schwer enttäuscht, die Angehörigen wären allesamt Versager, so könnte es nicht weitergehen.
Würden Sie nicht machen, nicht wahr? Sie kämen sich dabei blöd vor. Und die anderen Bewohner des Hauses würden denken: Hat er/sie noch alle? Kann er/sie das nicht daheim erledigen?
Genau das ist am letzten Wochenende passiert. Sigmar Gabriel, Vorsitzender der SPD, Vizekanzler und Wirtschaftsminister im Kabinett von Angela Merkel, hat die Kanzlerin frontal angegriffen. Nicht zum ersten Mal, aber in einer bis dahin nicht gekannten Heftigkeit. Sie habe, sagte ihr Stellvertreter in einem Interview mit dem ZDF, in der Flüchtlingskrise versagt, immer nur „Wir schaffen das!" gerufen, statt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, „dass wir es auch hinkriegen“.
Nun wäre eine „Obergrenze für Integration“ vonnöten. Wenig später bekräftigte er die Vorwürfe in einer Pressekonferenz. Worauf Peter Tauber, der Generalsekretär der CDU, erwiderte, Gabriels Äußerungen wären „nicht nur eine bodenlose Unverschämtheit, sondern in der Sache auch noch falsch“.
Das war nicht nett, aber in der Sache richtig. Gabriel konnte sich wohl nicht erinnern, dass er vor einem Jahr mit einem „Refugees-Welcome“-Button am Revers auf der Regierungsbank neben der Kanzlerin gesessen hatte.
Dass er nie eine „Obergrenze für Integration“ gefordert und alle Entscheidungen der Regierung in der Flüchtlingskrise mitgetragen hatte. Man muss schon ein extrem poröses Gedächtnis haben, um sich dermaßen zu täuschen. Oder „die Menschen draußen im Lande“ für sehr dumm halten.
Gabriel hat keine Prinzipien, aber ein Gefühl dafür, woher der Wind weht. Er ist die Wetterfahne auf dem Dach der SPD. Und die bläht sich auf, wenn ein Sturm aufzieht. (Henryk Marcin Broder)
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