Am
12. Juni verbreitete ich an dieser Stelle die Nachricht, die CDU habe
das Ende der Ära Merkel eingeleitet, weil auf der
Unions-Fraktionssitzung kein einziger Abgeordneter mehr die
Migrationspolitik der Kanzlerin befürwortet habe und eine Mehrheit der
CDU-Abgeordneten Seehofer beigesprungen sei. Hatte ich zu früh
frohlockt? – wenn dieser Begriff hier gestattet ist, denn wer frohlockt
schon nach einer überstandenen schweren Krankheit? Nein, das Ende der
Ära Merkel ist definitiv eingeleitet. Die Kanzlerin hat außerhalb
Deutschlands kaum mehr einen Verbündeten, sie besitzt daheim nur in der
Opposition links der CDU, bei den Schranzen innerhalb ihrer Partei, bei
einigen Wirtschaftsverbänden, unter ungläubigen Kirchenfunktionären und
in den Medien noch Unterstützer.
Außer Macron, der auf deutsches
Frischgeld hofft, mag kein EU-Landeschef mehr mit der trollhaften
Spielverderberin spielen, die sich an keine Regeln halten, aber ständig
selber neue statuieren will. Merkels Feknjuhs von einer "europäischen
Lösung" in der Migrationsfrage, von den meisten hiesigen Medien
verlässlich tendenziös verbreitet, ist wie ein Kartenhaus
zusammengebrochen. Von den angeblich vierzehn Ländern, die ihr eine
Zusage zur Rückführung von Migranten gegeben hätten, dementierten
spornstreichs drei – "Osteuropäer lassen Merkel hängen" schrieb, da und dort bizarre Assoziationen weckend, Spiegel online,
und erhob die Nichtteilnahme an einem Amoklauf zur
Pflichtvergessenheit. Nur den Erbärmlichkeitsgrad der Christdemokraten
hatte ich als einzige Unbekannte in der Gleichung falsch berechnet; ich
hatte übersehen, dass da noch ein Exponent über dem X stand. Wer heute
CDU sagt, sollte den üblen Geschmack in seinem Mund hinunterschlucken
und einfach an die Democrazia Cristiana denken. Freilich
scheint auch die CSU allmählich Angst vor der eigenen Traute gegenüber
der Raute zu bekommen, anstatt Seehofer den Rücken zu stärken und die
Sache durchzuziehen. Sind eben alle in derselben Brühe gegart worden.
Warum Seehofer allerdings angekündigt hat, sein Amt freiwilig
niederlegen zu wollen, das kann wohl nur mit gewissen
Altersgemütsschwankungen erklärt werden, wofür ja auch sein heutiges
(halbes) Dementi spricht. Nein, entlassen sollte ihn schon die
Fremdenführerin selber, damit der Krug zum Brunnen geht, um dort etwa in
einer Koalition mit den Grünen zu brechen (aber der Lindner steht auch
wieder bereit) und die CDU entweder dem Putsch oder dem Geschick der Democrazia Cristiana näherzubringen.
In
der Berichterstattung zum Thema wird auf bewährte Weise manipuliert,
was die Schuldzuweisung an Seehofer und die Treue zur Führerin angeht;
die Treue der Leserschaft verspielen die Dummenfänger mit jedem Tag ein
bisschen mehr. Spiegel online etwa schreibt
zum gestrigen CSU-Treffen: "Einziges Thema der über achtstündigen
Sitzung: Der Streit mit der CDU um die Zurückweisung von Asylsuchenden
an den Grenzen." Das ist zwar nicht falsch, erfüllt aber gegenüber dem
Erstleser den Tatbestand des Lügens durch Weglassen, denn es handelt
sich um einen speziellen Kreis von Asylsuchenden, die Seehofer an der
Grenze zurückweisen lassen will, nämlich Migranten mit Einreiseverbot
nach Deutschland (dass darüber überhaupt diskutiert wird, genügt als
Dachschadensbericht) sowie alle schon in anderen EU-Ländern per
Eurodac-Fingerabdrucksystem registrierten Asylbewerber.
"Die CDU
zeigt sich gesprächsbereit, aber hart in der Sache: keine einseitigen
nationalen Maßnahmen an den Grenzen. Stattdessen eine europäische
Lösung, aufbauend auf dem bisher Erreichten."
Satz eins kann nach
dem deutschen Alleingang seit September 2015 nur Teil einer Bühnensatire
sein, zumal die Nebendarsteller täglich ins Publikum rufen, die
Einwandererzahlen gingen doch zurück – "Tante Dorothea ist gar keine
Trinkerin mehr, sie braucht nur noch eine Flasche Chardonnay am Tag
statt drei wie früher!" –; Satz zwei wiederum könnte aus dem Neuen Deutschland stammen, als es noch Auflage hatte, auch wenn die alten Tanten bei der Zeit
– "Angela Merkels Führungsstil ist die einzige Chance für Europa" – die
innerstädische Konkurrenz in puncto Linientreue mal wieder abhängen; einen Kommentar zu Seehofer überschreiben die noblen hanseatischen Hetzer, äh Heizer, jedenfalls Einheizer gar mit der Schlagzeile "Der Brandstifter".
Wir haben noch gar nicht über Merkels angebliche "Europäische Lösung" gesprochen, Sie können sie hier
studieren. Die angeblichen Beschlüsse des Europäischen Rates nennen
sich tatsächlich "Schlussfolgerungen", womit bereits alles über ihre
Unverbindlichkeit gesagt ist, und die entrollt sich denn auch Punkt für
Punkt in wattigen, sich um jede konkrete Maßnahme windenden
Formulierungen:
"Speziell im Hinblick auf die zentrale
Mittelmeerroute sollten die Maßnahmen gegen von Libyen oder anderen
Orten aus operierende Schleuser weiter intensiviert werden...."
"In Bezug auf die östliche Mittelmeerroute sind zusätzliche Anstrengungen erforderlich..."
"Im
Gebiet der EU sollten die geretteten Personen entsprechend dem
Völkerrecht auf der Grundlage gemeinsamer Anstrengungen im Wege der
Beförderung zu – in den Mitgliedstaaten auf rein freiwilliger Basis
eingerichteten – kontrollierten Zentren übernommen werden..."
"Um das Migrationsproblem an seiner Wurzel anzugehen, bedarf es einer Partnerschaft mit Afrika..."
"Ein Konsens muss zur Dublin-Verordnung gefunden werden..."
Diese
heiße Luft verkauft die Kanzlerin als "europäische Lösung", und weil
sich Seehofer verhöhnt, vergackeiert und beganeft (Alfred Pringsheim)
fühlt, wenn nicht nur Merkel, sondern die Medien dieses dreckige Dutzend
frommer Bekundungen als "wirkungsgleich" mit seinen Rückweisungsplänen
verkaufen, als "Coup" (Tagesschau) gar, werfen ihm nun alle
Wohlgesinnten vor, er habe sich verrannt und setze die
Regierungskoaliton, die Stabilität von 'schland, sämtliche
Errungenschaften seit Adenauer, die Zukunft Europas und praktisch des
Planeten aufs Spiel.
Als ob es nicht Merkel selber ist, die betrügt und
die Öffentlichkeit in die Irre führt, dass es sogar einen Varoufakis graust ("Varoufakis calls migrant deal 'complete failure' and accuses Merkel of 'lying'"). Und immerhin einen Bild-Kommentator:
"Angela Merkel wollte diesen Streit mit Pseudo-Maßnahmen aus Brüssel
zuschaufeln. Das gipfelte in ihrer Behauptung, sie habe Absprachen über
die beschleunigte Rücknahme von Flüchtlingen mit 14 Ländern getroffen,
von denen drei das inzwischen bestreiten. Man kann nicht anders, als da
billige Trickserei zum eigenen Machterhalt zu vermuten. Für Deutschland
ist das geradezu peinlich, so dementiert dazustehen."
Nein, die
Übergeschnappte im Kanzleramt hat fertig, egal wie lange sie von ihren
Lakaien und Schranzen noch gestützt wird. Sie kann in Europa nichts mehr
durchsetzen oder verhindern. "Als Spielfeld bleibt ihr nur noch Berlin.
Und auch dort reicht ihre Kraft nur noch aus, um die Union effektvoll
in die Luft zu jagen", notiert Alexander Wendt.
"Seit
2015 zieht sich ein konstantes Muster durch Merkels Asylpolitik: Sie
schaltete alle Ampeln auf Grün für mehr Migration nach Deutschland, und
wehrte sich – bis zur Stunde – hartnäckig gegen die kleinste
Begrenzung", fährt Wendt fort. "Angela Merkel ist ganz offensichtlich
fest entschlossen, als Kanzlerin der unbedingten und ungebremsten
Migration unterzugehen." Eine sehr deutsche Angelegenheit. MK am 2. Juli
Wir wollen hoffen, dass Merkel bei der Vollendung ihres Zerstörungswerks AKK, Altmeier und von der Leyen wenigstens mit in den Abgrund reist.
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