Ausgerechnet im wichtigen Bundestagswahljahr 2017 droht Angela
Merkel, dass sie von den Folgen der bisherigen sogenannten
Euro-Rettungspolitik eingeholt wird. Deutschland hat sich mit dem
unbedingten Festhalten am Euro und den Haftungsübernahmen erpressbar
gemacht. Als Folge können die Spielregeln für die Europäische
Währungsunion künftig maßgeblich in Rom festgelegt werden.
Spätestens
seit dem gescheiterten Verfassungsreferendum und dem darauffolgenden
Rücktritt des bisherigen Premiers Matteo Renzi gilt als ausgemacht,
dass Italien zum nächsten Krisenherd der Eurozone wird. Tatsächlich sind
alle Zutaten beisammen, die Italien zu einem Mega-Griechenland
verwandeln können: Italiens Banken sitzen auf einem Berg von
notleidenden Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro. Die Überschuldung
des Bankensektors verhindert wiederum dringend nötige Investitionen in
die seit Jahren schwächelnde Wirtschaft. Dazu hat der italienische Staat
Verbindlichkeiten in Höhe von 2249 Billionen Euro angehäuft, die 133
Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung entsprechen. Insgesamt weist
in Europa nur Griechenland eine höhere Staatsschuldenquote auf. Im
weltweiten Vergleich ist Italien nach den USA und Japan sogar der
drittgrößte Emittent von Staatsanleihen.
Dazu kommt eine ganz
spezielle politische Situation: In keinem anderen Land ist unter der
Bevölkerung der Euro so unbeliebt wie in Italien. Mit Lega Nord, Forza
Italia und Beppe Grillos MoVimento 5 Stelle sind obendrein gleich
mehrere große Parteien Euro- und EU-kritisch eingestellt. Laut
Meinungsumfragen könnte Grillos Fünf-Sterne-Bewegung im Fall
vorgezogener Neuwahlen sogar zur stärksten politischen Kraft des Landes
aufsteigen. Zwar lässt Italiens Verfassung keine Referenden über
internationale Verträge zu. Beobachter wie Jack Allen von Capital
Economics halten es aber dennoch für möglich, dass notfalls ein Weg
gefunden werden kann, ein Euro-Referendum durchzuführen.
Aus Sicht der
Euro-Verteidiger in Brüssel und Berlin ist damit ein brisanter Mix
angerührt. Italien ist als drittwichtigste Volkswirtschaft der Eurozone
allein schon von der Dimension des Problems eine Nummer zu groß für den
Euro-Rettungsschirm ESM. Mit einer Aufstockung des Rettungsfonds oder
neuen Garantien ist angesichts der Bundestagswahlen in Deutschland und
der Präsidentschaftswahlen in Frankreich zumindest im Jahr 2017 kaum zu
rechnen.
Kaum vorstellbar ist ebenso, dass Sparauflagen der EU im
Gegenzug für Rettungsgelder in der italienischen Bevölkerung
durchsetzbar sind. Jeder Versuch, ein Experiment wie in Griechenland zu
wiederholen, würde Kräften wie der Fünf-Sterne-Bewegung weiteren
Auftrieb geben. Steigen würde damit das Risiko eines „Italexit“, den die
europäische Währungsunion vermutlich nicht überstehen würde.
Sollte
Italien trotzdem zur Weichwährung Lira zurückkehren, drohten der
übrigen Eurozone herbe Verluste. So hat die Europäische Zentralbank
(EZB) im Zuge ihres Kaufprogramms nach jüngsten Zahlen seit März 2015
allein für 188,5 Milliarden Euro italienische Staatsanleihen angekauft.
Auch der Bundesbank würde ein Schlag ins Kontor drohen. Die deutschen
Forderungen an andere Euro-Zentralbanken im Rahmen des
Target2-Verrechnungsystems sind im vergangenen November mit über 754
Milliarden Euro auf ein neues Allzeithoch gestiegen. Mit einem Ausstieg
Italiens aus dem Euro-System dürften sich die Target-Forderungen der
Bundesbank gegen Italien allerdings als uneinbringlich erweisen.
Insgesamt beliefen sich die Target-Verbindlichkeiten der Banca d’Italia
gegenüber anderen Euro-Zentralbanken im November auf über 358 Milliarden
Euro.
Vor diesem finanziellen und politischen Hintergrund scheint
die Rettungsstrategie der EU für Italien vorgezeichnet. Als sicher kann
gelten, dass die EZB notfalls noch mehr Geld druckt, um ihre Ankäufe
italienischer Staatsanleihen auszuweiten. Auf der anderen Seite kann die
neue Regierung in Rom sich berechtigte Hoffnungen machen, mehr
Spielraum zum Schuldenmachen eingeräumt zu bekommen.
Ausgerechnet der
Rückzug von Renzi nach seinem verlorenen Verfassungsreferendum dürfte
ein solches Szenario sogar leichter gemacht haben. Renzi hat wie kein
anderer Regierungschef in der Euro-Zone während seiner Amtszeit gegen
die Einhaltung der europäischen Haushaltsregeln Front gemacht. Sein
Tonfall hat dabei ein Entgegenkommen von Kanzlerin Merkel oder
Finanzminister Wolfgang Schäuble praktisch unmöglich gemacht. Jedes
Zugeständnis in Richtung Rom wäre in der deutschen Öffentlichkeit
vermutlich wie ein Einknicken gegenüber italienischen Forderungen
wahrgenommen worden. Inzwischen sind Spekulationen aufgekommen, dass
nach dem Rücktritt Renzis Brüssel und Berlin ihr Gesicht wahren können,
wenn sie der italienischen Regierung eine Lockerung in der Fiskalpolitik
zugestehen. Norman Hanert
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