Dunkeldeutscher 17. Dezember
Wie klingt es, wenn
der Zynismus der Macht sich mit der Impertinenz trendkonformen
Nichtwahrhabenwollens und dem Gemüt eines Fleischerhundes verschränkt,
zugleich aber die Larve des Wohlmeinens trägt? So:
„Was ich
verstehe: Der Afghane als solcher hat nicht selten ein so genanntes
‚archaisches Frauenbild’. Er kommt, sozusagen, vom Lande in die große
Stadt, sieht dort Tabledance und Sexmesse, Silikon und Glitzernails, und
all diesen Kram. Er ist geschockt. Aber wie? Freut er sich? Ekelt er
sich? Oder will er auch so sein wie die neuen Anderen oder die anderen
Neuen? Anders gefragt: Was ist das Afghanische am Afghanen in
Germanistan?
Was ich nicht verstehe: Warum sollte der Afghane als
solcher nun denken, die Frauen in diesem schockierenden Wunderland
dürfe, müsse oder solle man vergewaltigen? Darf man das in Afghanistan?
Ich glaube nicht. Welche ‚migrantische’ Kultur soll sich hier Bahn
gebrochen haben? Springen jugendliche Afghanen in Kabul Radfahrerinnen
an und finden nichts dabei, weil das dort üblich oder erlaubt ist? Gibt
es, allgemeiner gefragt, irgendein Flüchtlings-Herkunftsland, in dem die
Vergewaltigung oder Tötung von zufällig des Wegs einher gehenden Frauen
kulturell verankert ist?
Ich weiß, diese Fragen
klingen seltsam. Aber sie sollten doch vielleicht beantwortet werden
können, wenn und bevor man behauptet, es könne sich etwas spezifisch
Migrantisches spezifisch Afghanisches, in der Tat von Freiburg
widerspiegeln.“
Also schreibt Thomas Fischer, Bundesrichter in Karlsruhe, in der Zeit (der ganze Seim hier).
Was spezifisch Afghanisch ist? Nun, zum Beispiel dies: "In spite of
major achievements, women remain one of the most marginalized segments
of the Afghan population. (...) Violence against women and girls
is exceptionally high in Afghanistan and is almost at a pandemic level,
with up to 87.2 percent of women having experienced some form of
violence (Hervorhebung von mir – M.K.) such as
physical, psychological, sexual, economic violence, social abuse as
well as forced and early marriage.“ So Phumzile Mlambo-Ngcuka, seit 2013
Präsidentin UN Woman (hier).
Mohammad
Musa Mahmodi, geschäftsführender Direktor der Unabhängigen
Menschenrechtskommission für Afghanistan: „Die schändliche Gewalt gegen
Frauen in Afghanistan – Diskriminierung von Frauen und die Gewalt gegen
sie sind seit Jahrhunderten in der afghanischen Gesellschaft verankert“ (hier).
Amnesty
International: "Seit über einem Jahr werden vor allem aus den
ländlichen Regionen Afghanistans wieder vermehrt Fälle gemeldet, in
denen Frauen und Mädchen geschlagen, verstümmelt, entführt oder getötet
werden" (hier).
Amnesty
International: "Nach einer Statistik des afghanischen
Gesundheitsministeriums wurden für das Jahr 2014 offiziell 4466
Selbstmordversuche durch Gifteinnahme und 2301 durch Selbstanzünden
erfasst. (...) Als wichtigster Grund für die Selbstmordversuche bei
Frauen galt geschlechtsspezifische Gewalt" (hier).
Für
Detailfreunde: "15jährige Afghanin: Die Schwiegermuter hat meine Nägel
ausgerissen" – weil sie nicht als Prostituierte anschaffen wollte (hier).
Meine online-Recherche hat ca. fünf Minuten gedauert.
Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.
Heller 17. Dezember
Wieder
ein paar Tage im sächsischen Landesparlament hospitiert. An einem
Vormittag treffen sich knapp zwanzig Abgeordnete im Foyer des Landtags
zum Weihnachtssingen. Drei von ihnen rücken mit Instrumenten an: zwei
Trompeter, ein Posaunist. Das Publikum sammelt sich auf den Emporen. Ein
MDR-Team schneidet mit, und drei Journalisten der Jüdischen Rundschau,
die gerade Frauke Petry interviewen, müssen das Gespräch unterbrechen,
weil die sangesgeschulte AfD-Chefin – sie ist ausgebildete Chorleiterin
und Organistin – ebenfalls mit von der Partie ist. Traulich vereint
stehen die Abgeordneten und singen diverse Klassiker wie "Alle Jahre
wieder" und "Es ist ein Ros entsprungen". Obwohl keinerlei Proben
stattfanden, klingt der Chor passabel. Vor zwei Jahren, werde ich
unterrichtet, habe es noch abwehrendes Gebrummel ausgelöst, als der
sangestaugliche Teil der AfD-Fraktion zum Weihnachtsständchen vorstellig
wurde. Auch heute noch stünden dort Landtagskollegen singend neben den
AfDlern, die sich auf ein Gespräch nicht einlassen würden. Die verbindende Kraft der Musik – lässt sie sich besser illustrieren?
Einen
Tag später schleppt mich ein freundschaftlich Bekannter unter
Vortäuschung falscher Tatsachen ("halbe Stunde") zum abendlichen
Weihnachtskonzert der Kreuzschule, wo zwei Schulorchester und der
Schulchor ebenfalls unter anderem die besagten Klassiker intonieren. Die
zahlreich anwesenden Familienangehörigen werden zum Mitsingen
aufgefordert, verblüffend notenkundig und textsicher stimmt der gesamte
Saal ein, zuweilen sogar zweistimmig. Wunderliches traditionsbewusstes
Sachsen! In den meisten westlichen Bundesländern gälten solche Gesänge
wohl längst als kulturunsensibel, weil sie irgendjemandes religiöse
Gefühle beleidigen könnten.
Im Landtag bekundet ein Reporter
seine Verwunderung darüber, dass manche linke und grüne Abgeordnete
alles, was vom AfD-Flur kommt, nicht grüßen. Wie man sich mir gegenüber
verhalte, erkundigt er sich, ob man mich kenne bzw. erkenne. Ich werde
gegrüßt, wenn ich durch den Flur der Linkspartei laufe, erwidere ich;
folglich kenne man mich dort wohl eher nicht. MK am 17. 12. 2016
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