Merkwürdige Dinge geschehen derzeit in Deutschland. Obwohl die
Parteien und staatsfromme Medien im Tagestakt beteuern, dieses Land sei
sicher, die Kriminalität sei durch Migranten nicht gestiegen,
Flüchtlinge seien keineswegs krimineller als diejenigen, „die schon
länger hier leben“ (A. Merkel), „rüsten“ sich Köln und andere Städte für
die Silvesternacht.
Wobei „rüsten“ buchstäblich gemeint ist: Üppige Polizeiaufgebote,
Überwachungskameras und sogenannte neue Veranstaltungskonzepte sollen
sexuelle Übergriffe und Gewalttaten verhindern. Da es aber zumindest
keinen importierten Kriminalitätsanstieg gibt, fragt sich der
Eingeborene, der jahrzehntelang unbehelligt Silvester feierte,
irritiert: Wozu?
Dort, wo sich „im Rhein, im schönen Strome“, wie Heine dichtete, „mit
seinem großen Dome das große, heilige Köln“ spiegelt, ist obendrein ein
„Böllerverbot“ angekündigt. In Düsseldorf übrigens auch. Nachdem
deutsche Empathie-Athleten vor der längst legendären Silvesterkirmes
2015 schon einmal darüber debattiert hatten, ob die Knallerei nicht in
traumatisierten Bürgerkriegsflüchtlingen schreckliche Erinnerungen
wachrufen könnte und besser unterbleiben möge, haben sich die
Begründungen nunmehr freilich um 180 Grad gedreht.
Immerhin ist der Kölner Dom als Symbol des Christentums vergangenes
Jahr von muslimischen Schutzsuchenden so massiv mit Silvesterraketen
beschossen worden, daß sich bei den Besuchern drinnen der Wunsch nach
Schutz zu regen begann. Überhaupt dürfte 2016 als jenes Jahr in die
Annalen eingehen, in welchem Schutzsuchen vor Schutzsuchenden zur
Trendsportart avancierte.
Die Unbeschwertheit, die den Alltag dieses Landes vor Merkels
Willkommensstaatsstreich kennzeichnete, ist dahin.
Überall hat die
Polizei wegen befürchteter sexueller Übergriffe ihre Sicherheitskonzepte
für Großveranstaltungen verschärft. Es ist nicht mehr möglich, sorglos
auf ein Volksfest oder zum Feiern auf einen öffentlichen Platz zu gehen.
Der Einzelfall droht überall.
Eine junge, westlich gekleidete Frau muß bei jeder Art öffentlicher
Lustbarkeit damit rechnen, von Männern, die noch nicht so lange hier
leben, verfolgt, belästigt, begrapscht, beklaut oder gar plazetfrei
penetriert zu werden, so wie ein nächtlicher allzu autochthoner
männlicher Passant oder Benutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln zu
gewärtigen hat, auf eine Gruppe juveniler Heißblüter mit
Importbiographie zu treffen, deren unbändiger Stolz in Verbindung mit
gewissen Rudelinstinkten bereits in seinem Blick eine Provokation
wittert.
Gewissermaßen als krönende Draufgabe schwebt über jedem
Stadtteilfest, jedem großen Fußballspiel, jedem Weihnachtsmarkt,
überhaupt jeder Menschenansammlung die Drohung eines terroristischen
Angriffs durch Dschihadisten beziehungsweise verwirrte Einzeltäter.
Der brave Bürger ist daran zu erkennen, daß er dies „mit mürrischer
Indifferenz“ (Herfried Münkler) hinnimmt. Der gefährliche Bürger indes
erfrecht sich, Deutschlands erster humanistischer Diktatorin
vorzuwerfen, sie gefährde die innere Sicherheit und den sozialen Frieden
des Landes.
Die Münchner Wies’n wurde in diesem Jahr komplett umzäunt, das
Dresdener Stadtfest mit Zäunen und Wachtürmen ausgestattet und zur
Hochsicherheitszone erklärt. Die offenen Staatsgrenzen und fehlenden
Kontrollen derer, die teils bedrückt, teils beschwingt in unser Land
strömen, führen unvermeidlich zu Grenzen, Sicherheitszäunen und
Kontrollen im Landesinneren. Für die Kölner Jahreswechselfete sind
diesmal Obergrenzen für Besucher und deren genaue Inspektion beim
Betreten der Domplatte angekündigt – also exakt das, was an der
Staatsgrenze untersagt ist.
Apropos: Das Münchner Oktoberfest genießt bekanntlich in linken und
feministischen Kreisen den bolzenfest stehenden Ruf als der europäische
Vergewaltigungshotspot schlechthin. Nun mischen auch hier Flüchtlinge
mit: Bei den festgenommenen Beschuldigten anno 2016 handelte es sich um
zwei deutsche Staatsangehörige und 16 ausländische Staatsbürger,
darunter sechs Asylbewerber. „Wir haben im vergangenen Jahr die
Kontrolle über unsere Grenzen verloren. Jetzt beginnen wir die Kontrolle
über Straßen und Plätze zu verlieren“, sagt nun sogar schon Bayerns
Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU) und ruft zu mehr
„Heimatschutz“ auf.
Ein findiger Unternehmer aus Oberhausen bietet dafür als
„Weltneuheit“ eine Damenunterhose namens „Safe Shorts“ feil, die
sexueller Notdurft mit abendländischer Technik entgegentritt. „Reiß- und
schneidfeste High-Tech-Schnüre verhindern das Aus- oder
Herunterziehen“, ein „flexibler, weicher Protektor im Schritt“ das
„Eingreifen“. Als Höhepunkt des Speeddatings ertönt ein „130 Dezibel
lauter Sirenen-Poweralarm“, was ungefähr dem Lärmpegel einer startenden
Boeing entspricht. Kölle alaaf!
Als die AfD am vergangenen Freitag in Berlin eine „Sicherheits-App“
zur Verbrechensvorwarnung präsentierte, die ein Kölner Unternehmen
entwickelt hat, bezeichnete ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei
die Aktion reflexhaft als „Quatsch“ und ergänzte: „Die AfD macht ihr
Geschäft mit der Angst und Unsicherheit der Bürger.“ Der Präsident des
Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, sekundierte: „Die App ist
völlig überflüssig. Die Polizei in Deutschland macht gute Arbeit und ist
über 110 rund um die Uhr erreichbar.“
Wie letztes Silvester in Köln. MK am 30. 16. 2016
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