Als
Reaktion auf das italienische Referendum wird der EZB-Rat am Donnerstag
vermutlich eine Verlängerung seines QE-Programms beschließen, um die
als Geldpolitik kaschierte Umschuldung der Länder Südeuropas weiter
voranzutreiben.
Das QE-Programm begann im März 2015 und war zunächst bis
zum März 2017 terminiert. Es war geplant, dass die Notenbanken mit
frischem Geld für 1,74 Billionen Euro Wertpapiere vom privaten Markt
erwerben, wovon gut 1,4 Billionen Euro auf den Kauf von Staatspapieren
der eigenen Länder entfallen. Bei einer Geldbasis von 1,3 Billionen Euro
beim Beginn des Programms ließ auch schon das bisherige Programm den
Atem der Volkswirte stocken.
Obwohl das QE-Programm scheinbar symmetrisch angelegt ist, weil jede
Notenbank in Proportion zur Landesgröße die eigenen Staatspapiere
zurückkauft, wirkt es nicht symmetrisch, weil die Staatspapiere der
Länder Südeuropas großenteils aus dem Ausland zurückgeholt werden, wo
sie wegen früherer Schuldenexzesse und Leistungsbilanzdefizite liegen.
So saugt etwa die Banca de España die spanischen Staatspapiere aus
der ganzen Welt zurück und entschuldet damit den spanischen Staat
gegenüber seinen privaten Gläubigern. Dazu bittet sie andere Notenbanken
des Euro-Systems, allen voran die Bundesbank, aber auch etwa die
niederländische Zentralbank, ihr neue Euro zu kreditieren und sie den
Verkäufern der spanischen Staatspapiere auszuhändigen. Häufig, nämlich
dann, wenn die Verkäufer nicht im Euro-Raum sitzen, bittet sie
ersatzweise auch schon mal die EZB um den Gefallen.
In letzterem Fall kommt es meistens zu Dreiecksgeschäften derart,
dass die Verkäufer das von der EZB erhaltene Geld nach Deutschland oder
die Niederlande überweisen, um es dort in Sicherheit zu bringen. Ein
erheblicher Teil der Überweisungen wird dabei für den Kauf von Firmen
oder Firmenanteilen verwendet, was sich eindrucksvoll in der Statistik
der Direktinvestitionen zeigt. Die Bundesbank und die niederländische
Zentralbank müssen dann nicht nur die direkten Überweisungen aus
Spanien, sondern auch die indirekt vom QE-Programm induzierten
Überweisungen aus den Drittländern kreditieren.
Die von der Bundesbank und der niederländischen Notenbank vergebenen
Überweisungskredite werden als Target-Forderungen gegen das Euro-System
verbucht. Ende Oktober lagen sie bei netto 808 Milliarden Euro, wovon
708 Milliarden auf die Bundesbank entfielen. Gestern wurde bekannt, dass
die Target-Forderung der Bundesbank allein im November um weitere 46
Milliarden Euro angestiegen ist. Mit einem Wert von 754 Milliarden Euro
liegt sie nun auf einem Allzeithoch. Der bisherige Spitzenwert war mit
751 Milliarden Euro auf dem Höhepunkt der Krise im Sommer des Jahres
2012 erreicht worden.
Die Target-Forderungen der Bundesbank umfassen damit fast die Hälfte
(49 Prozent) des Nettoauslandsvermögens der Bundesrepublik Deutschland.
Umgekehrt lagen die Target-Schulden der südlichen Euro-Länder
Griechenland, Italien, Portugal und Spanien (GIPS) Ende Oktober bei 811
Milliarden Euro. Für die GIPS-Staaten sind diese Transaktionen ein
prächtiges Geschäft, denn sie tauschen verzinsliche, mit einer
Fälligkeit ausgestattete Staatspapiere im Besitz potenziell lästiger
Privatinvestoren gegen derzeit unverzinsliche, niemals fällig zu
stellende Buchschulden ihrer Notenbanken ein - Institutionen, die ihnen
zum Teil nicht einmal gehören und die im Maastrichter Vertrag wegen der
fehlenden Nachschusspflicht als Einrichtungen mit beschränkter Haftung
definiert wurden.
Sollte es einmal knallen und diese Staaten den Euro aufgeben, gehen
die nationalen Notenbanken in Konkurs, weil ihre Target-Schulden auf
Euro lauten und ihre Forderungen gegen den jeweiligen Staat und die
nationalen Banken in die abwertenden nationalen Währungen umgetauscht
werden. Die Target-Forderungen des Euro-Systems lösen sich dabei in Luft
auf, die Bundesbank und die niederländische Notenbank müssen hoffen,
dass sich die anderen überlebenden Notenbanken an den Verlusten
beteiligen. So oder so werden die deutschen und holländischen Verkäufer
der Vermögensobjekte, die nun das viele Geld in der Tasche halten,
feststellen, dass sie bloße Papier-Forderungen gegen ihre Notenbanken
haben, die nicht gedeckt sind.
Niemand strebt den Knall aktiv an. Für die im Jahr 2018 anstehenden
Verhandlungen über eine europäische Fiskalunion mit systematischen
Nord-Süd-Transfers kann es jedoch kein Schaden sein, wenn die
Regierungen Deutschlands und der Niederlande schon einmal wissen, was
ihnen droht, wenn sie nicht unterschreiben. Hans-Werner Sinn
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