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Mittwoch, 14. Dezember 2016

Gefahr erkannt ist halb gebannt

Als Reaktion auf das italienische Referendum wird der EZB-Rat am Donnerstag vermutlich eine Verlängerung seines QE-Programms beschließen, um die als Geldpolitik kaschierte Umschuldung der Länder Südeuropas weiter voranzutreiben.

Das QE-Programm begann im März 2015 und war zunächst bis zum März 2017 terminiert. Es war geplant, dass die Notenbanken mit frischem Geld für 1,74 Billionen Euro Wertpapiere vom privaten Markt erwerben, wovon gut 1,4 Billionen Euro auf den Kauf von Staatspapieren der eigenen Länder entfallen. Bei einer Geldbasis von 1,3 Billionen Euro beim Beginn des Programms ließ auch schon das bisherige Programm den Atem der Volkswirte stocken.

Obwohl das QE-Programm scheinbar symmetrisch angelegt ist, weil jede Notenbank in Proportion zur Landesgröße die eigenen Staatspapiere zurückkauft, wirkt es nicht symmetrisch, weil die Staatspapiere der Länder Südeuropas großenteils aus dem Ausland zurückgeholt werden, wo sie wegen früherer Schuldenexzesse und Leistungsbilanzdefizite liegen.
So saugt etwa die Banca de España die spanischen Staatspapiere aus der ganzen Welt zurück und entschuldet damit den spanischen Staat gegenüber seinen privaten Gläubigern. Dazu bittet sie andere Notenbanken des Euro-Systems, allen voran die Bundesbank, aber auch etwa die niederländische Zentralbank, ihr neue Euro zu kreditieren und sie den Verkäufern der spanischen Staatspapiere auszuhändigen. Häufig, nämlich dann, wenn die Verkäufer nicht im Euro-Raum sitzen, bittet sie ersatzweise auch schon mal die EZB um den Gefallen.
In letzterem Fall kommt es meistens zu Dreiecksgeschäften derart, dass die Verkäufer das von der EZB erhaltene Geld nach Deutschland oder die Niederlande überweisen, um es dort in Sicherheit zu bringen. Ein erheblicher Teil der Überweisungen wird dabei für den Kauf von Firmen oder Firmenanteilen verwendet, was sich eindrucksvoll in der Statistik der Direktinvestitionen zeigt. Die Bundesbank und die niederländische Zentralbank müssen dann nicht nur die direkten Überweisungen aus Spanien, sondern auch die indirekt vom QE-Programm induzierten Überweisungen aus den Drittländern kreditieren.
Die von der Bundesbank und der niederländischen Notenbank vergebenen Überweisungskredite werden als Target-Forderungen gegen das Euro-System verbucht. Ende Oktober lagen sie bei netto 808 Milliarden Euro, wovon 708 Milliarden auf die Bundesbank entfielen. Gestern wurde bekannt, dass die Target-Forderung der Bundesbank allein im November um weitere 46 Milliarden Euro angestiegen ist. Mit einem Wert von 754 Milliarden Euro liegt sie nun auf einem Allzeithoch. Der bisherige Spitzenwert war mit 751 Milliarden Euro auf dem Höhepunkt der Krise im Sommer des Jahres 2012 erreicht worden.
Die Target-Forderungen der Bundesbank umfassen damit fast die Hälfte (49 Prozent) des Nettoauslandsvermögens der Bundesrepublik Deutschland. Umgekehrt lagen die Target-Schulden der südlichen Euro-Länder Griechenland, Italien, Portugal und Spanien (GIPS) Ende Oktober bei 811 Milliarden Euro. Für die GIPS-Staaten sind diese Transaktionen ein prächtiges Geschäft, denn sie tauschen verzinsliche, mit einer Fälligkeit ausgestattete Staatspapiere im Besitz potenziell lästiger Privatinvestoren gegen derzeit unverzinsliche, niemals fällig zu stellende Buchschulden ihrer Notenbanken ein - Institutionen, die ihnen zum Teil nicht einmal gehören und die im Maastrichter Vertrag wegen der fehlenden Nachschusspflicht als Einrichtungen mit beschränkter Haftung definiert wurden.
Sollte es einmal knallen und diese Staaten den Euro aufgeben, gehen die nationalen Notenbanken in Konkurs, weil ihre Target-Schulden auf Euro lauten und ihre Forderungen gegen den jeweiligen Staat und die nationalen Banken in die abwertenden nationalen Währungen umgetauscht werden. Die Target-Forderungen des Euro-Systems lösen sich dabei in Luft auf, die Bundesbank und die niederländische Notenbank müssen hoffen, dass sich die anderen überlebenden Notenbanken an den Verlusten beteiligen. So oder so werden die deutschen und holländischen Verkäufer der Vermögensobjekte, die nun das viele Geld in der Tasche halten, feststellen, dass sie bloße Papier-Forderungen gegen ihre Notenbanken haben, die nicht gedeckt sind.
Niemand strebt den Knall aktiv an. Für die im Jahr 2018 anstehenden Verhandlungen über eine europäische Fiskalunion mit systematischen Nord-Süd-Transfers kann es jedoch kein Schaden sein, wenn die Regierungen Deutschlands und der Niederlande schon einmal wissen, was ihnen droht, wenn sie nicht unterschreiben.   Hans-Werner Sinn

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