Stationen

Mittwoch, 7. Dezember 2016

Wenn das Schachbrett in die Ecke geworfen wird

Das große Aufatmen von Wien über Brüssel bis Berlin nach dem Ausgang der österreichischen Präsidentenwahl wird schon wegen des gleichzeitigen Debakels des italienischen Regierungschefs nicht lange anhalten.

Denn, wie an dieser Stelle schon vergangene Woche festgestellt: Die Entscheidung an der Donau kommt an Tragweite nicht entfernt heran an die Schockwelle, die von Rom ausgeht.
Die Reaktionen der Etablierten schwanken denn auch zwischen Sturheit und Wirklichkeitsverleugnung. So wurde der Sieg des Grünen Alexander Van der Bellen zur Absage an die „Rechtspopulisten“ mit gleichsam internationaler Ausstrahlung hochgejubelt. Derweil kanzelte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn die krachende Niederlage des italienischen Premiers Matteo Renzi beim Verfassungsreferendum zur „innenpolitischen Auseinandersetzung“ ohne Wirkung auf Europa ab. So kann nur einer reden, der sich in eine Parallelwelt verabschiedet hat.

[Früher nannte man so jemanden einen Idioten]




Im Siegestaumel von Wien wird überdies ausgeblendet, dass der Triumph nur noch unter Aufbietung sämtlicher Kräfte zu erzielen war, welche den etablierten Eliten zur Verfügung standen. Fast alles, was Rang und Namen hatte in der Alpenrepublik, zog gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer zu Felde, sei es aus Kultur und Medien, aus Politik und großen Unternehmen. Dazu leisteten mächtige Verbündete aus dem Ausland massiven propagandistischen  Flankenschutz.
Am Ende reichte es dennoch wieder nur für einen denkbar knappen Sieg. Einen Sieg für einen Kandidaten, der für ein verbissenes Festhalten an den Dogmen jenes Establishments steht, in dem sich grünlinke Ideologen und eine abgehobene Zeitgeist-Schickeria mit beträchtlichen Teilen des Großkapitals verbunden haben, während sich das Volk immer stärker abwendet.
Der Starrsinn jenes Establishments ist im Begriff, die Europäische Union zu zerrütten, am Ende gar zu zerstören. Italien zeigt dies überdeutlich: Das einst so EU-begeisterte Volk ist gefangen in den glühenden Eisen einer Einheitswährung, die viel zu hart ist für seine Wirtschaftskultur, weshalb die Konjunktur seit Jahren stagniert. Hoffnungslosigkeit hat vor allem die Jugend erfasst. Hinzu kam die Asylpolitik, in der sich die Italiener von den „Willkommens-Europäern“ weiter nördlich im Stich gelassen fühlen − und der Ärger über den Brüsseler Zentralismus.
Beflügelt fühlen sich nun Parteien wie die „Fünf Sterne“ (laut Umfragen derzeit stärkste Partei mit rund 30 Prozent) oder die Lega Nord, die sich betont Euro-kritisch geben.

Die Entscheidung der Italiener hat die EU und erst recht den Euro einen Schritt näher an den Kollaps geführt. Doch es hat nicht den Anschein, dass die Eliten daraus selbstkritische Schlüsse ziehen.     Hans Heckel 

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