Zuerst wird am 19. Dezember der polnische LKW-Fahrer – ein
37-jähriger Familienvater aus Rożnowo – durch Kopfschuss ermordet. Mit
der Leiche im Fahrerhaus dreht der Täter eine Probe- oder
Beschleunigungsrunde, um dann seine Todesschneise durch den
Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche zu ziehen und weitere elf
Menschen umzubringen. Die polnischen Medien sind schon am Abend voll mit
Meldungen. Jeder im Lande weiß, dass einer der ihren für eine noch
entsetzlichere Tat geopfert wurde. Sein Verwandter und Arbeitgeber, Ariel Żurawski,
erklärt später, dass er die Trauer um die Berliner Toten zutiefst
mitempfinde, aber doch bedrückt sei, wenn sein Cousin Łukasz übergangen
werde.
Am 20. Dezember, um elf Uhr in der Früh, erklärt Bundeskanzlerin
Angela Merkel ihre Bestürzung für die Gemordeten und ihre Angehörigen.
Sie leidet mit „Millionen von Menschen“, „Millionen in Deutschland“. Ihr
Herz ist bei den „vielen Deutschen, die tagtäglich in der
Flüchtlingshilfe engagiert sind“, bei den Ermittlern, Polizisten,
Feuerwehrleuten, Sanitätern und Ärzten. Gemessen und mit dem gebotenen
Ernst bringt sie das zum Ausdruck. Doch für den Polen und seine
Landsleute hat sie kein einziges Wort übrig.
Drei Stunden nach der Kanzlerin spricht die polnische
Premierministerin "‚der deutschen Nation‘ ihr Beileid aus“. So zumindest
berichtet es der SPIEGEL. Er allerdings unterschlägt – im Gegensatz zu
anderen deutschen Medien – bereits bewusst, was Merkel womöglich nur
verdrängt hat. Denn Beata Szydło beginnt ihr Mitgefühl für die Deutschen
mit einer Erinnerung an den so leichthin Vergessenen:
„Mit großem Schmerz und Trauer haben wir zur Kenntnis genommen, dass
das erste Opfer der abscheulichen Gewalttat ein polnischer Staatsbürger
war.“
Sie erhebt keine Vorwürfe gegen Deutschlands Politik, vor deren
Folgen Polen früh warnt und dafür bis heute viel teutonische Wut erntet.
Immerhin drängt sie: „Europa muss sich im Kampf gegen den Terrorismus
vereinen“.
Nichts spricht für eine beabsichtigte Gefühllosigkeit von Angela
Merkel. Sie unterläuft ganz selbstverständlich. Doch die Kälte gegenüber
dem polnischen Nachbarn, die der Redenschreiber durch Auslassen
unterstreicht und die von der Kanzlerin nicht korrigiert wird, lässt
einen frösteln. Gunnar Heinsohn
Nachtrag: Es gibt inzwischen mehrere Spendenaufrufe für die Familie des polnischen Truckers. Siehe hier.
Nichts ist schlimmer am Rednerpult als der wohlerzogene Rüpel, der wie ein dressiertes Hündchen artig die vom nicht weniger rüpelhaften Ghostwriter geschriebene Rede abliest und nie spontan eine authentische Gefühlsregung an sich selbst erlebt.
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