Die Frankfurter Buchmesse im Oktober war bekanntermaßen von
Diebstählen, Zerstörungsaktionen und Brüll-Attacken gegen die Verlage
Antaios und Manuscriptum begleitet. Die Übergriffe waren politisch
begründet.
Der Manuscriptum Verlag zum Beispiel hat Rolf Peter Sieferles
Buch „Das Migrationsproblem. Über die Unvereinbarkeit von Sozialstaat
und Masseneinwanderung“ herausgebracht, den Klassiker zum aktuellen
Massenansturm auf Europa. Mit der genauen Positionsangabe der
Verlagsstände und dem Aufruf zu „aktiver Auseinandersetzung“ hatte die Messeleitung die exakte Zielvorgabe geliefert.
Gegen diese Praktiken legte die Dresdner Buchhändlern Susanne Dagen
unter dem Titel „Charta 2017“ öffentlichen Protest ein. Die „Charta“
kritisiert, daß „unter dem Begriff der Toleranz Intoleranz gelebt“ und
„zum scheinbaren Schutz der Demokratie die Meinungsfreiheit ausgehöhlt“
würden. Wenn der Börsenverein einen „Gesinnungskorridor“ akzeptiere, sei
die „Gesellschaft nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur
entfernt“.
Gewalt statt Widerspruch
Der Text endet mit der Aufforderung: „Wehret den Anfängen – für
gelebte Meinungsfreiheit, für ein demokratisches Miteinander, für
respektvolle Auseinandersetzungen!“ Das war eine maßvolle und
konsensorientierte Erklärung, die unter anderem von den Schriftstellern
Jörg Bernig, Ulrich Schacht und Uwe Tellkamp sowie den Publizisten Cora
Stephan, Jörg Friedrich, Matthias Matussek und Heimo Schwilk
unterschrieben wurde.
Anfang Dezember wurde ein Gegenaufruf aus dem Dresdner
Erich-Kästner-Museum veröffentlicht: „Als Tätige im Literatur- und
Kulturbereich mahnen wir zu einer angemessenen Sprache“, heißt es im
gestelzten Ton. Der Aufruf zur Kritik an „Autoren, Texten und ihren
politischen Botschaften“ dürfe nicht als „Gesinnungsdiktatur“
verunglimpft werden, weil „die Freiheit, sich zu äußern“, kein Recht
begründe, „sich unwidersprochen zu äußern. Denn ebenso gilt diese
Freiheit für jene, die widersprechen. Abzulehnen ist gleichwohl Gewalt
als Mittel des Meinungsstreits.“
Die Feststellung ist richtig, doch als Einwand geht sie ins Leere,
weil sich die „Charta“ nicht gegen den Widerspruch, sondern die
implizite Anleitung zur Gewalt richtete. Denn so mußte aufgrund
einschlägiger Erfahrungen die Aufforderung der Messeleitung verstanden
werden.
Der „Gegenaufruf“ stellt eine Verharmlosung und Rechtfertigung der
Blockaden, Drohungen, Brand- und Säureanschläge, der körperlichen
Attacken und Boykottmaßnahmen dar, denen Autoren, Verlage,
Publikationsorgane rechts von der weit nach links verschobenen „Mitte“
durch linksextreme Täter ausgesetzt sind.
Eine Mitunterzeichnerin des Aufrufs äußerte im Börsenblatt des
deutschen Buchhandels treuherzig, daß „Gewalt und Zerstörung in diesem
Zusammenhang natürlich nicht zu tolerieren, wenngleich durchaus zu
verstehen“ seien. Aus der Belustigung über den „Opferhabitus“, den die
Opfer der Übergriffe einnehmen, sprechen der Zynismus und das
Machtgefühl der Unterzeichner. Damit fällt freilich auch ihr Gestus der
moralisch überlegenen Demokratieverteidiger in sich zusammen.
„Das emphatische Einfordern von Demokratie und Toleranz gerät dort
zum Widerspruch, wo dadurch Autorinnen und Autoren sowie Texte
verteidigt werden“, die „demokratiefeindliche, antipluralistische und
rassistische Ideologien“ vertreten, heißt es weiter. Es ist das alte
Lied: Positionen, die sachlich nicht widerlegt werden können, werden als
moralisch verwerflich diffamiert. Die Verfasser geben so genau jenen
„Gesinnungskorridor“ vor, dessen Existenz sie im selben Text bestreiten.
Deshalb liegt es ihnen auch fern, den mißbräuchlichen Einsatz des
Volksverhetzungs-Paragraphen 130 StGB, das Netzdurchwirkunggesetz des
Heiko Maas oder das Überwachungs-Outsourcing des Staates an eine Agentur
zu kritisieren, die von einer ehemaligen Stasi-Informantin geleitet
wird. Unterzeichnet wurde der Aufruf unter anderem von den
Schriftstellern Marcel Beyer, Durs Grünbein, Thomas Rosenlöcher und Ingo
Schulze.
Flankierend veröffentlichte der Sekretär der Klasse Literatur und
Sprachpflege der Sächsischen Akademie der Künste einen Artikel in der Sächsischen Zeitung.
Er deutet an, daß die geschädigten Verlage die Bücher vielleicht
eigenhändig ausgeräumt hätten, denn: „Ein von Büchern entleerter
Messestand, der symbolisch auf den abwesenden Signifikanten verweist,
ist durch die Projektionsoffenheit für den Betrachter von ungleich
wirksamerem Eindruck als ein normal bestückter Bücherstand unter
Tausenden anderen Ständen.“ Solche albernen Sprachspiele sind die
verzweifelten Zuckungen eines Kultur-Establishments, das zur Situation
nichts Sinnvolles mehr beizutragen hat.
Unterzeichnet hat den Gegenaufruf auch Marina Münkler,
Literaturprofessorin an der TU Dresden, die 2016 mit ihrem Ehemann
Herfried das Buch „Die neuen Deutschen“ verfaßte. Die Deutschen werden
darin aufgefordert, die Migrationswelle, die Hunderttausende
Bildungsferne und Analphabeten ins Land gespült hat, als den
„Jungbrunnen“ einer „offenen und leistungsorientierten Gesellschaft“ zu
betrachten, die „offener und wohl auch noch leistungsorientierter werden
muß“.
Einer der zahlreichen Jungbrunnen sprudelt gerade in der
Gemeinschaftsschule Bruchwiese in Saarbrücken, wo 86 Prozent der Schüler
einen Migrationshintergrund haben. In einem Brief an die
Landesregierung berichten verzweifelte Lehrer von psychischem und
physischem Terror, von übelsten Beschimpfungen durch Migranten-Eltern,
von verbrannten Klassenbüchern, Polizeieinsätzen, von Pfefferspray gegen
Lehrkräfte und von großen und kleinen Geschäften, die jenseits der
dafür vorgesehenen Sanitärschüsseln verrichtet werden, und überhaupt von
einem Klima der Angst.
Trotz offenkundiger Realitätsferne war das Münkler-Werk zum „Debattenbuch des Jahres“ (Welt am Sonntag)
erhoben worden, während das Sieferle-Buch in keinem großen Medium
besprochen wurde. Sein Durchbruch verdankt sich den alternativen Medien.
Die „Neuen Deutschen“ wurden von Amazon-Kunden meistenteils verrissen.
So kann der Sieferle-Erfolg auch als ein Sieg der nonkonformen über die
staatsnahen Medien und den Kulturbetrieb sowie als Symptom einer
allmählichen kulturellen Machtverschiebung gedeutet werden.
In diesem Kontext erhält der Aufruf aus Dresden seine eigentliche
Bedeutung. Den Unterzeichnern soll die Nähe zur Macht ersetzen, was
ihnen an begrifflichem und weltanschaulichem Kapital verlorengeht. Dabei
spekulieren sie ungeniert auf formelle und informelle Repressionsmittel
gegen Andersdenkende.
Ihr emphatisches Beschwören „liberaler, pluralistischer
Gesellschaftsentwürfe“, der Verweis auf die „offene Gesellschaft und ein
demokratisches Miteinander“, wird konterkariert durch die realen
Beschädigungen, die dem Land und seinen Menschen unter Berufung auf die
hehren Begriffe zugefügt werden. Außerstande, die Erklärungslücke zu
schließen, sind diese Kultur- und Geistesschaffenden zu faktischen
Akteuren einer Indoktrinationsmaschinerie geworden, die nun hörbar ins
Stottern gerät.
Wenn dieses gräßliche Geräusch nach wie vor den öffentlichen Diskurs
bestimmt, hat das keine sachlichen, sondern ausschließlich
instrumentelle Gründe. Die Instrumente sind das Zugriffsmonopol auf
finanzielle und institutionelle Ressourcen, auf Subventionen, große
Medien, auf Akademien, Preisgremien, Verlage, Universitäten, Stiftungen,
Parteien.
Man kann von keiner kulturellen Hegemonie mehr sprechen. Wir haben es
nur noch mit einer Kulturbetriebshegemonie zu tun, und selbst diese
wird durch das Wirken alternativer Medien, Verlage, sozialer Netzwerke
brüchig. Um sie zu verteidigen, suchen ihre Nutznießer die Nähe zur
Macht.
Die Auseinandersetzung muß deshalb neben der argumentativen verstärkt
auf der instrumentellen und materiellen Ebene stattfinden. Das
hegemoniale Kulturbetriebs-Establishment wird schließlich auch von denen
finanziert, die Zielscheibe seiner Verachtung sind.
Wenn zum Beispiel die feministische Knallcharge Stefanie Sargnagel am
13. Oktober zur Buchmesse twitterte: „warum um himmels willen steht der
antaios stand noch?“, mag das als Meinungsfreiheit durchgehen. Etwas
anderes ist es, wenn der öffentlich-rechtliche Sender 3sat sie mit einer
Moderation der Sendung „Kulturzeit“ betraut und durch Zwangsgebühren
subventioniert.
Das Schreibproletariat, das auf Spiegel– oder Zeit Online
die Tretmühle der täglichen Meinungsproduktion bedient, ist ärgerlich,
wird aber wenigstens privat finanziert. Hier mögen Angebot und Nachfrage
entscheiden.
Der Hauptstoß muß sich gegen öffentlich finanzierte
Institutionen wie die GEZ-Medien richten, zumal man mit der Forderung,
die finanzielle Belastung der Bürger zu senken, auch in anderen
politischen Lagern Verbündete finden kann.
Sollen die Anjas, Mariettas, die Klebers und die Lanzens erzählen,
was sie wollen. Das schärfste Argument zu ihrer Delegitimierung lautet:
Wir wollen euch nicht länger bezahlen müssen! Ist die
Kulturbetriebshegemonie gebrochen und sind die materiellen und
institutionellen Ressourcen gerecht verteilt, ist die geistig-kulturelle
Auseinandersetzung zur Hälfte entschieden. Thorsten Hinz
Wenn es so einfach wäre, würde Hinz sicherlich eine Lobeshymne auf die Privatfernsehsender anstimmen bzw. darauf vertrauen, dass auch diese sich wie der SPIEGEL an die Nachfrage anpassen oder durch Nichtanpassung zugrunde gingen. Tut er aber nicht.
GEZ-Boykott ist nicht verkehrt, wenn er mit politischen Forderungen verknüpft wird. Völlig verkehrt wäre, die Abschaffung der GEZ-Gebühren zu fordern, wie es von Seiten der AfD bereits geschieht zumindest von einigen Abgeordneten. Das öffentliche Fernsehen muss reformiert werden! Aber an den GEZ-Gebühren darf nicht gerüttelt werden. Wichtig ist, dass so schnell wie möglich eine Eurovisions-Talkshow nach dem Vorbild von "Hart aber fair" eingerichtet wird, aber eine, die auch wirklich fair ist: alle drei Monate ein anderer Moderator (jedes Mal aus einem anderen Land) und mit europäischen Journalisten und Politikern (einschließlich Regierungschefs: Merkel im Verhör südeuropäischer Journalisten) als Gästen.
Nur so kann eine EU entstehen, die diesen Namen verdient.
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