Stationen

Mittwoch, 27. Dezember 2017

Frohsinnige Botschaft


Wie lautet die Weihnachtsbotschaft für Nicht-Christen?

"Das Verhängnis des Evangeliums entschied sich mit dem Tode, – es hieng am 'Kreuz' ... Erst der Tod, dieser unerwartete schmähliche Tod, erst das Kreuz,, das im Allgemeinen bloß für die Canaille aufgespart blieb, – erst diese schauerlichste Paradoxie brachte die Jünger vor das eigentliche Räthsel: 'w e r  w a r  d a s?  w a s  w a r  d a s?'– (...) Man empfand sich von diesem Augenblick im Aufruhr gegen die Ordnung, man verstand hinterdrein Jesus als im Aufruhr gegen die Ordnung. Bis dahin fehlte dieser kriegerische, dieser Nein-sagende, Nein-thuende Zug in seinem Bilde; mehr noch, er war dessen Widerspruch. Offenbar hat die kleine Gemeinde gerade die Hauptsache  n i c h t  verstanden, das Vorbildliche in dieser Art zu sterben, die Freiheit, die Überlegenheit  ü b e r  jedes Gefühl von ressentiment: – ein Zeichen dafür, wie wenig überhaupt sie von ihm verstand! An sich konnte Jesus mit seinem Tode nichts wollen, als öffentlich die stärkste Probe, den  B e w e i s  seiner Lehre zu geben ... Aber seine Jünger waren ferne davon, diesen Tod zu  v e r z e i h e n, – was evangelisch im höchsten Sinne gewesen wäre; oder gar sich zu einem gleichen Tode in sanfter und lieblicher Ruhe des Herzens anzubieten... Gerade das am meisten unevangelische Gefühl, die  R a c h e, kam wieder obenauf. Unmöglich konnte die Sache mit diesem Tode zu Ende sein: man brauchte 'Vergeltung', 'Gericht' (– und doch, was kann noch unevangelischer sein, als 'Vergeltung', 'Strafe', 'Gericht-Halten'!)."
Nietzsche, Der Antichrist, 40

Bei der Wiederlektüre fiel mir peinlich berührt auf, dass ich diesen Passus überlesen hatte oder er mir entfallen war; ich habe an dieser Stelle zu Weihnachten 2015 den erheblichen Unsinn verbreitet, Nietzsche habe sich nicht bis zu der Erkenntnis durchgerungen, dass Jesus nicht nur frei von Ressentiments, sondern vielleicht sogar der ressentimentfreieste Mensch gewesen ist. Ich bitte hiermit um Pardon.

Möge also die Weihnachtsbotschaft lauten: Haltet euch vom Ressentiment fern, lasst es nicht in eure Herzen!

PS: Im Mundes der Journalisten ist es ein Plapperbegriff geworden, der oft völlig sinnfrei verwendet wird, wie "Tragödie", wie "Ikone", um zwei meiner Favoriten zu nennen, und es gibt kein Mittel dagegen. Gleichwohl erlaube ich mir, auf diese kleine hilfreiche Fingerübung hinzuweisen.    MK an Sankt Stephan

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