Der 20jährige Autofahrer auf der
Monumentenstraße in Berlin-Kreuzberg gab Gas und versuchte der
Polizeikontrolle zu entkommen. Die Verfolgungsjagd endete an einem
Sonntagmorgen in einem Hinterhof; die Beamten fanden auf der Rückbank
des Fahrers mit türkischen Wurzeln insgesamt 38 Gramm Kokain und einen
Beutel mit sauberem Urin, der üblicherweise von Rauschmittel-Usern
benutzt wird, um Drogentests zu bestehen. Unter
„interessante Äußerung des Fahrers“ notierten die Streifenbeamten im
Protokoll, der junge Mann habe sich ihnen als Beinahe-Kollege zu
erkennen gegeben: Er sei Bewerber an der Berliner Polizei-Akademie und
müsste nur noch den Sporttest bestehen.
Der Zufallsfang am letzten
Novemberwochenende kommt vor allem für Berlins Polizeipräsidenten Klaus
Kandt und seine Stellvertreterin Magarete Koppers ungelegen. Denn beide
hatten sich noch kurz vorher bei einem Auftritt vor dem Innenausschuss
des Berliner Abgeordnetenhauses festgelegt: Es gebe keine Anzeichen
dafür, dass Gruppen der organisierten Kriminalität gezielt Mitglieder in
die Polizei einschleusen würden. „Niemand kann bisher irgendetwas belegen, alle Hinweise sind anonym“, wütete Kandt.
Dabei gehört es eigentlich zur gängigen Polizeipraxis, anonymen Hinweisen nachzugehen.
Zwar hatte der Drogenkurier gegenüber den Beamten ein wenig übertrieben
– nach Polizeirecherchen war er zu dem Zeitpunkt, an dem er geschnappt
wurde, schon am Online-Test für Bewerber gescheitert. Fest steht aber:
er versuchte, in den Sicherheitsapparat vorzudringen.
Spätestens
seit diesem Vorfall stellt sich die Frage, ob sich andere Bewerber aus
dem kriminellen Milieu möglicherweise längst erfolgreich unter die 1 200
Berliner Polizeischüler schmuggeln konnten. Der Verdacht existiert
schon länger. Im vergangenen Jahr flog ein Polizeischüler mit arabischen
Wurzeln auf, der mit Beutestücken aus professionellen
Wohnungseinbrüchen handelte. Der allerdings legte es geradezu darauf an,
erwischt zu werden: mit Aushängen in den Räumen der Akademie bot er
seinen Kollegen neuwertige und günstige Kameras feil. Das wollten sich
Fahnder dann doch einmal näher ansehen.
Nach Informationen aus
Polizeikreisen befindet sich ein Mitglied des kriminellen
kurdisch-libanesischen Miri-Clans als Anwärter auf der Akademie. Im
November wies ein Ausbilder der Polizeischule in einem dramatischen
Appell an die Behördenführung auf die große Zahl von Kadetten mit
türkischem und arabischem Hintergrund hin, die ihm durch
Disziplinlosigkeit, Lernfaulheit und türkisch-nationalistische Sprüche
aufgefallen waren. Bei einigen hatte er den Eindruck, es eher mit Leuten
aus dem kriminellen Dunstkreis als mit künftigen Staatsdienern zu tun
zu haben. „Das sind keine Kollegen“, so der Ausbilder, „das ist der Feind in den eigenen Reihen.“ Die Behördenleitung müsse endlich aufhören, „sich dumm zu stellen.“
Aber genau das passiert. An der Spitze herrscht organisiertes Wegsehen.
Bis jetzt weigern sich Polizeipräsident Kandt und seine Vertreterin
Koppers, Polizeibewerber vor dem Ausbildungsstart einer wirklichen
Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Ein sauberes polizeiliches
Führungszeugnis genügt. Wer sich also nicht extrem ungeschickt anstellt
wie der Hehler in Uniform und nicht am Wissenstest scheitert wie der
zufällig geschnappte Drogenhändler, der kann eine Polizeikarriere
antreten. Auch wenn er aus dem kriminellen oder islamistischen Milieu
stammt.
Für Burkhard Dregger ist das ein absurder Zustand. Der
CDU-Parlamentarier im Berliner Abgeordnetenhaus und Innenexperte fordert
im Gespräch mit Publico einen Check der persönlichen Hintergründe von
Polizeibewerbern: „Ein sauberes Führungszeugnis allein darf nicht reichen“, so Dregger. „Es
ist ja bekannt, dass kriminelle Clans darauf achten, bestimmte
Mitglieder straffrei zu halten, um sie in Behörden einschleusen zu
können.“ Das Argument, es wäre „Sippenhaft“, Bewerber
allein wegen der Zugehörigkeit zu kriminellen Familien oder ihrem
privaten Umgang mit Straftätern abzulehnen, lässt Dregger nicht gelten. „Ich
bin bereit, eine Benachteiligung von manchen Bewerbern zu akzeptieren.
Wer aus einem bestimmten Milieu kommt, der kann eben nicht Polizist
werden“, findet der CDU-Mann. „Das trifft dann vielleicht auch
jemand zu Unrecht. Aber trotzdem müssen wir alles vermeiden, was das
Vertrauen in die Polizei untergraben könnte.“
Bisher scheint
es so zu sein, dass die Berliner Polizeiführung das Thema großräumig
meidet. Nicht nur bei dem Verdacht auf Verbindung zum OK-Bereich
(Organisierte Kriminalität), sondern auch, wenn es um islamistische
Aktivitäten geht. Vor kurzem meldete die ZEIT, ein Polizeischüler habe
auf Facebook ein Werbevideo der terroristischen Hamas geteilt und Israel
als „Terrorstaat“ beschimpft. Auch Publico hatte darüber berichtet. Auf die Frage von Publico, ob der Anwärter noch dabei ist, antwortete eine Polizeisprecherin: Wissen wir nicht.
„Da
der anfragende Journalist der ‚Zeit’ keinen Namen des angeblichen
Polizeischülers genannt hat und zudem erklärte, dass der Account
inzwischen gesperrt sei, lässt sich seitens der Polizei nicht ermitteln,
ob es sich hierbei wirklich um einen Auszubildenden der Polizeiakademie
handelt“, erklärt die Behörde.
Allerdings schilderte die
Zeitung den Fall sehr konkret. Die Unterstützung einer
Terrororganisation ist übrigens generell nicht nur disziplinarrechtlich
relevant, sondern auch strafbar. Ein paar Ermittlungsmöglichkeiten gäbe
es also durchaus. Offenbar aber keinen wirklichen Aufklärungswillen.
Gut möglich also, dass ein radikaler Islamist in Berlin demnächst mit Uniform und Waffe seinen Dienst antritt. Samuel Horn
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