Berichte über den nahen Osten sind das Hochamt
des deutschen Journalismus. Nachrichten und Sachverhaltsaufklärung
müssen zurückstehen, wenn es um glimmende Lunten an Pulverfässern voll
rotierender Gewaltspiralen geht. Mit dem heute-Journal vom 6. Dezember leistete das ZDF in dieser Hinsicht Großes:
Aufmachermeldung, zwei Liveschalten, ein Erklärteil von Petra Gerster,
kurz, ein sehr ausführlicher Block befasste sich mit der Entscheidung
Trumps, demnächst die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlagern und damit
einen Kongressbeschluss von 1995 zu erfüllen. „Pulverfass Nahost“
kommentierte eine Stimme aus dem Off gleich zum heute- Auftakt. Nach ein
paar aktuellen Nachrichtenbildern soll ein „historischer Rückblick“ des
ZDF-Redakteurs Volker Duczek die Zuschauer über die Hintergründe des
Streits um Jerusalem aufklären. „1993 ein Bild, das um die Welt geht“,
heißt es dort: „Palästinenserpräsident Abbas schüttelt die Hand des
israelischen Präsidenten Rabin.“ Es dürfte schwer sein, mehr Unfug in
einem einzigen Satz unterzubringen. Denn derjenige, der auf dem
dazugehörigen Archivbild von 1993 unter den Augen Bill Clintons Rabins
Hand schüttelt, ist natürlich nicht Präsident Abbas (der spielte damals
noch gar keine Rolle), sondern PLO-Chef Yassir Arafat. Seinerzeit gab es
auch keine palästinensische Autonomiebehörde mit einem Präsidenten an
der Spitze. Und Rabin war nicht der israelische Präsident, sondern
Premierminister.
Spätestens an dieser Stelle dürften sich sehr viele
Zuschauer gefragt haben, womit eigentlich genau das ZDF seine Nahost-
und überhaupt seine Nachrichtenkompetenz begründet. Über den Sender
schwappte eine Welle von Spott, unter anderem auf der Achse des Guten.
Die Stelle war der Redaktion so peinlich, dass sie den Kommentar für
die Ausgabe des heute-Journals in der Mediathek teilweise neu sprechen
ließ, dieses Mal mit den richtigen Namen und Bezeichnungen. Allerdings
versehen mit einer irreführenden Einblendung, mit der sie ihren Fehler
nicht erklärt, sondern verschleiert.
Es taucht zwar auf dem Bildschirm
der Hinweis auf: „Video nachträglich geändert, u.a. wegen falscher
Namensnennung.“ Das Banner erscheint in der Mediathek-Version allerdings
nicht unter der Szene mit Arafat und Rabin, sondern kurz vorher, unter
TV-Bildern von der Intifada 1987. Wer sich die Nachrichtensendung im
Archiv ansieht, weil er das Original verpasst hatte, versteht gar nicht,
worauf sich der kryptische Hinweis bezieht.
Eine noch viel
absurdere Darstellung bleibt allerdings unkorrigiert. Vor dem
„historischen Rückblick“ schreitet Moderatorin Petra Gerster zu einem
Videoscreen im Studio, der ein Luftbild von Jerusalem zeigt, und
verkündet: „Jerusalem grenzt an Israel“. Die Stadt hat also mit dem
Staat nicht zu tun, auch der Westteil nicht. Regierung und Parlament Israels sitzen offenbar nach
ZDF-Weltsicht widerrechtlich dort. Ein israelfreies Jerusalem – genau
das wäre auch der dringende Wunsch der Hamas, wenn diese in deutschen
Medien gern als „Palästinenserorganisation“ (und nicht
Terrororganisation) apostrophierte Truppe nicht sowieso die Auslöschung
des Judenstaates als oberstes Ziel verfolgen würde.
Im Oktober 2017 erklärte der Hamas-Chef Yahya Sinwar: „Die
Zeit, in der die Hamas die Anerkennung Israels diskutiert hat, ist
vorbei. Nun wird die Hamas über den Zeitpunkt diskutieren, wann wir
Israel auslöschen werden.“
Selbstredend sendete das ZDF darüber
im Oktober keine aufgeregte heute-Meldung. Und erwähnte Sinwars Drohung
konsequenterweise auch in seiner Sendung am 6. Dezember nicht. Denn das
hätte schlecht zu dem Tenor aus Mainz gepasst, der durchgängig lautete:
Trump gefährdet den Friedensprozess im Nahen Osten. Das heute-Journal
erwähnte auch an keiner Stelle, dass Trump seine Anerkennung als
Hauptstadt ausdrücklich nicht auf ganz Jerusalem bezieht, sondern die
Möglichkeit einer palästinensischen Hauptstadt Ostjerusalem offen hält –
natürlich nur gegen eine Friedenslösung, die mit der Hamas nicht zu
bekommen ist.
Eine Anfrage vom Freitag, warum das ZDF meint, Jerusalem grenze nur „an Israel“, blieb von dem Sender bislang unbeantwortet.
Publico reicht sie gegebenenfalls gern nach. Alexander Wendt
US-Präsident Donald Trump hat nur den falschen Namen. Würde er Obama
heißen, wäre alles in Butter. „Jerusalem wird Israels Hauptstadt sein“
sagte Barack Obama auf einer Pressekonferenz in der Nähe der Gaza-Grenze
am 23.Juli 2008. Die selektive Wahrnehmung und Gedächtnisschwäche in
der Berichterstattung besonders der deutschen Medien ist beeindruckend.
Siehe hier das AP-Video.
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