Meine Kindheit verlebte ich für sieben Jahre im schönen
oberbayerischen Isartal. Ein häufiges Wetterphänomen ist dort der Föhn,
der auch im Winter bei Südwinden für plötzliche Erwärmung, einen
strahlend blauen Himmel und wunderbare Fernsicht sorgen kann.
Für eine Art politischen Föhn sorgen die Verhältnisse in unserem Nachbarland Österreich. Die Alpenrepublik ist zwar kleiner, aber ganz offensichtlich wendiger als der größere deutschsprachige Bruder
im Norden – und sie ist uns voraus. Die Arroganz, mit der
verallgemeinernd die Preußen gelegentlich dem
süddeutsch-österreichischen Süden begegnen, erweist sich immer wieder
als unangebracht. Die schnelle Regierungsbildung unter dem ÖVP-Jungstar
Sebastian Kurz und dem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit einem
ambitionierten Programm belegt dies.
Wien hat sich Domestizierungsversuchen aus Berlin standhaft
widersetzt. Während sich die bayerische Staatspartei CSU der
Umklammerung durch die Schwester CDU zuletzt kaum zu entwinden
vermochte, opponierte die österreichische Politik von Anbeginn an gegen
die unter Kanzlerin Merkel völlig aus dem Ruder laufende
Migrationspolitik. Schlitzohrig schleuste Wien Hunderttausende
Asylsuchende nach Deutschland weiter, um gleichzeitig gemeinsam mit den
südöstlichen Nachbarstaaten die rigorose Schließung der Balkanroute zu
organisieren.
Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt ein anderes kollektives
Unterbewußtes. In Österreich ist das Wissen um die historische Bedrohung
durch das Osmanische Reich und die mehrfache Abwendung der Belagerung
Wiens durch die Türken präsent. Man war immer näher an Risiken und
Nebenwirkungen, die multiethnische, multireligiöse Staatengebilde
beherbergen.
Die Regierung Kurz/Strache sendet ein für Kanzlerin Merkel doppelt
gefährliches Signal nach Deutschland: Erstens zeigt Kurz der in ihrer
Pseudomodernität rückständigen und langweiligen CDU, daß eine
konservative Erneuerung einer christdemokratischen Partei machbar ist –
zudem verkörpert durch einen sympathisch-jungen Macher gegenüber einer
seit zwölf Jahren dauerregierenden Kanzlerin. Zweitens präsentiert sich
ein politisches Bündnis „Schwarz-Blau“, das im von schwarz-grünen
Regenbogenbündnissen träumenden Adenauerhaus Schockzustände auslösen
dürfte.
Der Personalwechsel an der Spitze der bayerischen Regierung, Söder
statt Seehofer, wurde durch den frischen konservativen Wind aus dem
Süden begünstigt. Zurück zum Föhn. Er kann Migräne auslösen – ich habe
das selbst oft leidvoll erlebt. Der politische Föhn wird nun manchem in
Berlin in der Tat Kopfschmerzen bereiten. Alle anderen werden den blauen
Himmel und die gewonnene Weitsicht genießen. Dieter Stein
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