Freitag, 28. Februar 2020
Erdogans Merkel
Während Europa über Quarantäne fantasiert, beschließt Erdogan, die Schleusen wieder zu öffnen.
Merkel hat mit ihren Pseudowunderrezepten ganz Deutschland (und Europa) in Erdogans Geiselhaft gegeben. Griechenland entsendet 50 Kriegsschiffe. Eine Situation, die nicht nur vorhersehbar, sondern auch angekündigt worden war.
Was Machiavelli- und Merkelbewunderer Münkler wohl in 5 Jahren für rhetorische Pirouetten dreht?
Merkels sogenanntes Flüchtlingsabkommen mit Ankara, auch Türkei-Deal genannt, bestand nicht einmal auf dem Papier.
Auf ihrer Pressekonferenz zum Integrationgipfel am 2. März befragten Journalisten Angela Merkel auch zu dem Migrantenandrang an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland. Gibt es nicht ein Abkommen zwischen der EU und der Türkei vom März 2016, das Erdogan – gegen umfangreiche Zahlungen der EU – dazu verpflichtet, Migranten zurückzuhalten?
Angela Merkel antwortete darauf mit einem so merkelwürdig gewundenen Satz, dass es Mühe kostet, ihn zu zergliedern:
„Für mich ist es eine Option, mit der Türkei zu sprechen, damit wir zu dem Zustand zurückkehren, den wir hatten, nämlich dass die Türkei durch die zusätzlichen Belastungen die Möglichkeit bekommt, ihre Verpflichtungen auch zu erfüllen mit unserer Unterstützung.“
Sie sprach also nicht von einem „Abkommen“, sondern von einem „Zustand“, zu dem es zurückzukehren gelte. Die Formulierung, die Türkei bekäme durch die „zusätzlichen Belastungen die Möglichkeit, ihre Verpflichtungen zu erfüllen“, ergibt überhaupt keinen Sinn. Möglicherweise meinte sie ‚trotz der Belastungen’. Interessant sind aber vor allem die Begriffe ‚Zustand’, ‚Verpflichtungen’ und ‚unsere Unterstützung’. In der Tagesschau vom Montag, in der Merkels Stellungnahme zu hören war, benutzte die Redaktion in ihren Beiträgen den Begriff „Abkommen“, an einer Stelle auch „gemeinsames Flüchtlingsabkommen“ – so, als gäbe es auch einseitige.
Die Sprachregelung gilt in den meisten Medien als etabliert: Meist ist von dem „EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen“ von 2016 die Rede, das Merkel zusammen mit dem niederländischen Premierminister und EU-Ratspräsidenten Mark Rutte seinerzeit ausgehandelt hatte – und gegen das Erdogan jetzt zu verstoßen scheint. Dieses Abkommen gilt bis heute vor allem als Merkels Deal, als Meisterprobe ihres Verhandlungsgeschicks. Um es vorwegzunehmen: Ein Abkommen im Sinn eines unterschriebenen und von Parlamenten ratifizierten Vertrags existierte nie. Was stattdessen existiert, steht rechtlich auf wackligem Grund. Welche Nebenabsprachen die beiden Regierungschefs damals mit der Türkei trafen, liegt bis heute im Halbdunkel.
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Am 7. März 2016 verhandelten Merkel, Rutte und Davutoğlu kein Abkommen. Auf einem Gipfeltreffen der EU-Staatschefs und der Türkei am 18. März 2016 bestätigten die Teilnehmer die vorher besprochenen Vereinbarungen, unterzeichneten aber kein gemeinsames Dokument. Beide Seiten, Türkei und EU, gaben lediglich Pressemitteilungen heraus.
Bei dem Punkt, dass nie ein förmliches Abkommen zustande kam, handelt es sich nicht nur um eine Formalie. Denn ein Abkommen hätte dem EU-Parlament und möglicherweise auch denen der Mitgliedsstaaten vorgelegt werden müssen, zumal es um weitreichende finanzielle Verpflichtungen der EU-Seite ging.
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Dass ein EU-Türkei-Vertrag formal nicht existiert, bestätigte gewissermaßen offiziell der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil vom Februar 2017 (Rechtssachen T-192/16, T-193/16, T-257/16). Damals hatten zwei Pakistaner und ein Afghane gegen das, wie sie es interpretierten, EU-Türkei-Abkommen geklagt.
Das Gericht urteilte, es gebe einen solchen Vertrag nicht, höchstens ein „EU-Turkey-Statement“ beziehungsweise einen gemeinsamen Aktionsplan („joint action plan“). Gegen ein Abkommen, das so nicht existiere, könne eine Klage keinen Erfolg haben.
Von EU-Seite, bekräftigte der Gerichtshof, gebe es nicht mehr als eine Pressemitteilung:
„On 18 March 2016, a statement was published on the Council’s website in the form of Press Release No 144/16, designed to give an account of the results of ‘the third meeting since November 2015 dedicated to deepening Turkey-EU relations as well as addressing the migration crisis’ (‘the meeting of 18 March 2016’) between ‘the Members of the European Council’ and ‘their Turkish counterpart’ (‘the EU-Turkey statement’).“
Auch wenn im Kopf der Pressemittelung „EU Council“ gestanden habe, so die Richter, seien die Staatschefs nur in ihrer Funktion als Staatschefs und nicht als Mitglieder des Europäischen Rats in Ankara gewesen:
„In those circumstances, the Court finds that the expression ‘Members of the European Council’ and the term ‘EU’, contained in the EU-Turkey statement as published by means of Press Release No 144/16, must be understood as references to the Heads of State or Government of the European Union who, as during the first and second meetings of the Heads of State or Government on 29 November 2015 and 7 March 2016, met with their Turkish counterpart […]“
Das Bundespresseamt bat Journalisten trotzdem, von einem „EU-Türkei-Abkommen“ zu sprechen und zu schreiben, da „Deal“ – was etliche Medien benutzten – negativ klinge. Wendt
Vor einiger Zeit bin ich auf einen älteren Text der Lobby-Organisation European Stability Intiative (ESI) gestossen, die schon damals vom mittlerweile den meisten politisch interessierten Europäern bekannten Gerald Knaus geleitet wurde. Bei Knaus handelt es sich um einen österreichischen Soziologen, der in den meisten Medien, aus welchen Gründen auch immer, als „Migrationsexperte“ bezeichnet wird, obwohl er wohl eher ein Migrationslobbyist ist, der damit beschäftigt ist, eine von der überwiegenden Mehrheit der Europäer abgelehnte Migration aus dem Nahen Osten, aus Afrika und aus dem Hindukusch zu ermöglichen. Aktuell ist er wieder auf sämtlichen Kanälen zu vernehmen.
Insbesondere Angela Merkel hat sich von diesem Masseneinwanderungslobbyisten im Rahmen der Migrationskrise der Jahre 2015/16 beraten lassen. Gerald Knaus ist der Architekt des sogenannten Merkel-Plans (EU-Türkei-Abkommen vom 18. März 2016). Der Titel des Textes der Lobby-Organisation, der höchstwahrscheinlich von ihm mitverfasst wurde, lautet „Islamische Calvinisten – Umbruch und Konservatismus in Zentralanatolien“, der Bezug auf Max Weber und auf dessen Werk „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ nimmt und diese von Rationalismus geprägte Ethik ausgerechnet im rückständigen Zentralanatolien wahrnimmt.
Der Aufsatz wurde am 19. September 2005 veröffentlicht und steht im Zusammenhang mit dem EU-Beitrittsgesuch der Türkei. Sein Ziel ist es, die in Europa bestehenden Ängste im Zusammenhang mit einem allfälligen EU-Beitritt der Türkei unter Erdoğan abzubauen, wobei ganz bewusst nicht auf die ohnehin völlig unproblematische moderne Bevölkerung der Türkei Bezug genommen wird, sondern auf konservative Scharia-Muslime in Zentralanatolien, die angeblich „islamische Calvinisten“ im Weber’schen Sinne seien. Ich zitiere aus dem Vorwort:
„Von Europäern, die einer türkischen Mitgliedschaft in der Europäischen Union skeptisch gegenüberstehen, ist häufig zu hören, die Türkei habe zwei Seelen, von denen nur eine westlich sei. Sie kontrastieren das kosmopolitische Istanbul mit dem weiten türkischen Inneren, das als rückständig, verarmt und in seinen Werten als ‚nicht-europäisch‘ gilt. Zentralanatolien mit seiner ländlich geprägten Wirtschaft und patriarchalen, islamischen Kultur gilt als das Kernland dieser ‚anderen‘ Türkei. Doch hat es in den letzten Jahren ein Wirtschaftswunder erlebt, das eine Reihe ehemaliger Handelsstädte in wohlhabende Zentren der verarbeitenden Industrie verwandelte. Dieser neue Wohlstand hat zu einem Wandel traditioneller Werte und einer Kultur harter Arbeit, des Unternehmertums und der Entwicklung geführt. Während Anatolien eine sozial konservative und religiöse Gesellschaft bleibt, durchlebt es zugleich, was von einigen Beobachtern eine ‚Stille islamische Reformation‘ genannt wurde. Viele von Kayseris Geschäftsleuten schreiben ihren wirtschaftlichen Erfolg ihrer ‚protestantischen Arbeitsethik‘ zu.
(…)
Die derzeit regierende Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) von Recep Tayyip Erdoğan und Abdullah Gül (Kayseris prominentester Politiker) und ihre politische Philosophie des ‚demokratischen Konservatismus‘ sind in Zentralanatolien sehr populär. Das AKP-Parteibüro in Kayseri war eines der ersten landesweit und in den Kommunalwahlen 2004 errang die Partei eine überwältigende Mehrheit von 70 Prozent, ihre stärkste im ganzen Land. Viele Ziele des demokratischen Konservatismus‘ erinnern an Parteien des politischen Zentrums in Europa.
Dieser Bericht kommt zu dem Schluss, dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale Entwicklung ein Milieu geschaffen haben, in dem Islam und Moderne gütlich nebeneinander bestehen. Das von diesen Werten geformte Anatolien begehrt nun, Teil der Europäischen Union zu werden.“ Emrah Erken
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