Nach heftigen Debatten rang sich die Partei zu
dem Entschluss durch, auf keiner Ebene mit der neu aufgekommenen
populistischen Konkurrenz zusammenzuarbeiten, einer Truppe, an deren
demokratischer Substanz viele aus guten Gründen zweifelten.
Nicht in den großen Parlamenten, noch nicht einmal in den Gemeinden
sollte es irgendeine Art von Kooperation mit dieser politischen Kraft
geben. Eine Koalition schon gar nicht. Der Kernsatz der
Parteientschließung lautete: “Eine Zusammenarbeit mit ihr kommt für uns
nicht in Frage.” Vor allem die Person an der Parteispitze erzwang diese
Entscheidung. Sie erklärte die unberührbare Rivalin zum „Hauptfeind“.
Dann
fand eine Landtagswahl in einem ostdeutschen Bundesland statt, das aus
Sicht der Hauptstadt und ihrer Parteizentralen bestenfalls eine
untergeordnete Rolle spielte. Schon kurz nach Schließung der Stimmlokale
sah jeder, dass es keine sogenannten klaren Mehrheitsverhältnisse gab.
Der Spitzenkandidat der Partei, die gerade das umfassende
Kooperationsverbot beschlossen hatte, konnte nach dem Stimmergebnis
Regierungschef des Landes werden – aber eben nur mit Hilfe der
Paria-Partei.
Statt diese Konstellation abzulehnen, machte er sich
umgehend an die Arbeit, um das eigentlich ausgeschlossene Bündnis trotz
aller gegenteiligen Versicherungen zustande zu bringen. Das gelang ihm
auch. Er wurde Ministerpräsident, veränderte die politische Landschaft
in ganz Deutschland; für die Führungskraft an der Spitze der
Bundespartei, die ihn von diesem Schritt abhalten wollte, bedeutete
dieser Umbruch das Scheitern bei der nächsten Bundestagswahl noch im
gleichen Jahr.
Die Geschichte spielte sich 1994 ab, das kleine
ostdeutsche Land mit der großen Wirkung hieß Sachsen-Anhalt, die
Paria-Truppe PDS. Der Provinzpolitiker, der gegen den Willen seines
Parteichefs die politischen Spielregeln änderte, war Reinhard Höppner,
der die „Dresdner Erklärung“ vom Frühjahr 1994 ignorierte, das
SPD-Papier zum Verbot jeder Kooperation mit der umbenannten SED. Und die
Führungsfigur, welche das Manöver seinerzeit die Aussicht auf die
Kanzlerschaft und dann den Parteivorsitz kostete, hieß Rudolf Scharping.
Das
Argument in den meisten Medien wie in der SPD lautete 1994, es sei
undemokratisch und auf Dauer auch unmöglich, eine von einem Fünftel der
Bevölkerung gewählte Partei auszugrenzen. Es gab noch eine
staatspolitische Begründung; die PDS – obwohl sie noch viereinhalb Jahre
vorher diktatorisch unter anderem Namen geherrscht hatte – müsse ins
parlamentarische Geschäft gezogen werden, um sie zu entradikalisieren.
Das sei auch ein Weg, um die ostdeutsche Gesellschaft zu befrieden.
Gerade die toxische Vergangenheit der PDS begründete also aus Sicht von
Höppner, von vielen SPD-Politikern und von journalistischen
Begleitkommentatoren die Notwendigkeit, sie von dem Bann zu befreien.
Damals,
1994, saßen noch ehemalige Zuarbeiter der Staatssicherheit auf vielen
Parteipositionen, in der zweiten und dritten Reihe frühere Funktionäre
und Offiziere der Staatsicherheit. Der letzte Todesschuss an der
Berliner Mauer, der am 5. Februar 1989 den damals 19-jährigen Chris
Gueffroy getroffen hatte, lag gerade erst fünf Jahre zurück. Vor diese
historische Last setzten die Befürworter einer Zusammenarbeit mit der
PDS ein Vorzeichen, das die Last in einen Grund umkehrte: eben wegen
dieser Vergangenheit, lautete also die Parole. Natürlich auch wegen
einer grundsätzlichen Sympathie.
„Gysis Kritik am Westen ist brillant vorgetragen, und sie sitzt, genauso die Art, wie er den Osten verteidigt“, schrieb die Zeit
1994 kurz vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Wenige sahen das
anders, ohne den Lauf der Dinge dadurch zu ändern. Die SPD werfe sich „aus blankem Opportunismus der PDS an den Hals“, fand eine ostdeutsche CDU-Politikerin – die damalige Vize-Parteivorsitzende Angela Merkel. Wendt
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