Hütet euch vor Liberalen,
Die nur reden, die nur prahlen,
Nur mit Worten stets bezahlen,
Aber arm an Taten sind:
Die bald hier-, bald dorthin sehen,
Bald nach rechts, nach links sich drehen
Wie die Fahne vor dem Wind.
Hütet euch vor Liberalen,
Jene blassen, jene fahlen,
Die in Zeitung und Journalen
Philosophisch sich ergehn:
Aber bei des Bettlers Schmerzen
Weisheitsvoll, mit kaltem Herzen
Ungerührt vorübergehn.
Hütet euch vor Liberalen,
Die bei schwelgerischen Mahlen
Bei gefüllten Festpokalen
Turm der Freiheit sich genannt
Und die doch um einen Titel
Zensor werden oder Büttel
Oder gar ein Denunziant.
Robert Eduard Prutz (1848)
Am Samstag kam im Kanzleramt der
Koalitionsausschuss zusammen. Diese Zusammenkunft ist verfassungsrechtlich in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert. Das Gremium stellt an sich schon eine Besonderheit dar:
es findet sich nirgends im Grundgesetz und gehört weder richtig zur
Exekutive noch zur Legislative, bestimmt aber die Richtlinien der
Politik ganz wesentlich mit.
Normalerweise klärt der Koalitionsausschuss – ein Gremium, das aus den
Vorsitzenden der Parteien, die das Bundeskabinett tragen, besteht –
strittige Fragen innerhalb dieser Koalition, die Regierungsprojekte
bzw. das Abstimmungsverhalten im Bundestag betreffen. Die
Koalitionsausschuss-Sitzung am 8. Februar 2020 wich gleich doppelt bzw. dreifach von dieser Gepflogenheit ab.
Erstens nahm daran – und zwar federführend –
Bundeskanzlerin Angela Merkel teil, die formal der CDU nicht vorsitzt,
sondern faktisch der Bundesregierung, also einem Organ der Exekutive. Zweitens beschäftigte sich diese Sitzung ausschließlich mit den
Angelegenheiten, die das Parlament eines Bundeslandes bzw. die Parlamente und die Parteiverbände anderer
Bundesländer betreffen. Teilnehmende waren: die Kanzlerin (zu deren autoritärem Stil Dieter Stein das Nötige hier bemerkt), die beiden
Vorsitzenden der SPD (von denen nur Esken ein parlamentarisches Mandat
besitzt), die nominelle Vorsitzende der CDU Kramp-Karrenbauer, auf die
es schon nicht mehr ankam (und die auch über kein parlamentarisches
Mandat verfügt!) und last not least der Vorsitzende der CSU.
Drittens war nach Medienberichten zeitweise noch der Thüringer
Linkspartei-Politiker Bodo Ramelow telefonisch zugeschaltet.
Ein nicht verfassungsmäßig bestelltes Gremium hebt also erstens das
freie Mandat von Abgeordneten weitgehend auf – nicht nur in Thüringen.
Und ein Gremium auf Bundesebene unter Einschluss der Kanzlerin greift
tief in die Belange eines Bundeslandes ein, es schiebt also die föderale
Ordnung in einem wichtigen Punkt – Herbeiführung von Neuwahlen –
kurzerhand beiseite. Das wird zukünftige Historiker irgendwann noch sehr beschäftigen (ausführlicher hier)
Als einen „schrecklichen parlamentarischen Unfall“ hat Dirk Adams,
Fraktionsvorsitzender der Grünen im Thüringer Landtag, die Wahl von
Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten von Thüringen bezeichnet.
„Völlig unklar“ sei es nun, schreibt die Welt, „wie es in Thüringen weitergeht.“
Das wundert offenbar nur diejenigen, die den Putsch gegen
Kemmerich zur demokratischen Notbremse erklären, während er doch in
Wahrheit ein Staatstreich zur Aussetzung der verfassungsmäßigen Ordnung
ist, was wiederum mehr mit dem historischen Original als mit seiner
angeblichen Kopie Björn Höcke zu tun hat.
Begonnen hat die scheinbar schwierige Lage am 27. Oktober 2019, als
die Landtagswahl in Thüringen Linke, Grüne und SPD mit 42 von 90
Parlamentssitzen ausstattete und AfD, CDU und FDP mit 48, wovon seitdem
nur 26 Sitze als „demokratisch“ erachtet werden – im bürgerlich-rechten
Lager ist die AfD mit 22 Sitzen stärkste Kraft.
Unter normalen Umständen
wäre ihr Kandidat zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Man mag von
der AfD halten, was man will; das wahre Problem, das die Lage in
Thüringen nahezu ausweglos macht, ist die Unterscheidung von legitimen
und illegitimen Abgeordnetenstimmen, die weder das Grundgesetz und die
Verfassung des Freistaates Thüringen, noch die Idee des Parlamentarismus
im allgemeinen kennt.
Es gibt keine im Parlament vertretenen Parteien mit Pariastatus. Es
gibt nur verbotene Parteien, die nicht ins Parlament gewählt werden
können, zu denen die AfD bekanntlich nicht gehört. Warum eigentlich
nicht, wenn die Wahl eines Ministerpräsidenten der FDP mit Stimmen der
AfD „unverzeihlich“ ist? Wer die AfD zum Feind der parlamentarischen
Demokratie erklärt, möge doch bitte die Frage beantworten, warum alle
Parteien außer der AfD seit dem 5. Februar mit ihrem hysterischen Reden
und Tun Artikel 70 Absatz 3 der Verfassung des Freistaates Thüringen
über die freie und geheime Wahl des Ministerpräsidenten brechen, nur
nicht die AfD.
Unsere verfassungsmäßige Ordnung sieht mit Bedacht nicht vor, daß ein rechtmäßig
gewählter Ministerpräsident von einem Bündnis aus Bundeskanzlerin und
antifaschistischem Mob zum Rücktritt gezwungen wird. Eine Verfassung ist
genau dazu da, einen Konflikt wie den mit der AfD einzuhegen und nicht
wegen dieses Konfliktes mit Füßen getreten zu werden.
Das Ungeheuerliche dieses Vorgangs, das auch dann ungeheuerlich
bleibt, wenn einem die AfD und insbesondere Björn Höcke aus manch gutem
Grunde nicht gefallen, ist die vorsätzlich herbeigeführte Staatskrise,
die aufgrund eines einzigen Anfangsfehlers, der Diskriminierung der
zweitstärksten Partei im Landtag, mit immer neuen Peinlichkeiten und
Pausenclowns überspielt wird, ohne daß auch nur eine einzige maßgebliche
Kraft im Lande versuchen würde, das absurde Theater zu beenden.
Will Bodo Ramelow ernsthaft die Wahl ablehnen, falls ihn die AfD zum
Ministerpräsidenten wählt? Würde nicht ein Gesetzentwurf, den die AfD
ablehnt, nach der jetzt eingeführten Logik in Kraft treten müssen? Woher
will der Landtag die Zweidrittelmehrheit für Neuwahlen nehmen, wenn die
Stimmen der AfD nicht zählen und die CDU vernünftigerweise dagegen ist?
Und seit wann muß überhaupt das Volk von Thüringen so lange wählen,
bis der Kanzlerin und ihrem Juste milieu das Ergebnis passt? Merken
die „Altparteien“ nicht, daß sie selbst die Feinde der Demokratie sind,
wenn sie sich dem blindwütigen "anti"faschistischen Konsens unterwerfen
und wie die Lemminge in den Abgrund stürzen, nur um nicht mit dem
Wohlwollen der „falschen“ Seite zu regieren? Seit dem 5. Februar komme
ich aus dem Staunen über das Ausmaß der Verblödung in Deutschland nicht mehr heraus. Am meisten aber staune ich
darüber, wie selbstverständlich den führenden Kräften in Politik und
Medien die Zerstörung der Berliner Republik von der Hand geht. (frei nach Andreas Lombard)
Und schon wieder Verleumdung und Einschüchterung. Um feindselige Ungerechtigkeiten wie diese aushalten zu können, wenn man nicht einmal wie Trump über wirtschaftliche Macht verfügt und sich nur auf die Wahrheit und den potentiellen Konsens der Wähler stützen kann, muss man mit seinem Gewissen im Reinen sein. Denn nichts ist gefährlicher als mächtige Heuchler zu entlarven, die entschlossen sind, ihre Deutungshoheit mit allen Mitteln zu verteidigen. Und nichts ist schwieriger, als unangenehme Wahrheiten zu vermitteln, wenn die Menschen fest daran glauben wollen, dass es ihnen noch nie so gut ging wie heute und dass sie der Welt deshalb etwas zurückgeben müssen.
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