Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Mehr noch als
für vieles sonst gilt das für die kommende Bundestagswahl. Manchem
scheint da bereits Himmelangst zu werden. Schließlich dauert es nur noch
ein gutes Jahr, bis der Wähler, das unberechenbare Wesen, der Mensch
draußen im Lande, an die Wahlurne tritt, um seine gültige Stimme
womöglich den Falschen zu geben.
Höchste Zeit also für die
alteingesessene WG des Bundestags, andere Saiten im Kampf um den Erhalt
ihrer Erbpacht aufzuziehen. Ist es doch noch immer nicht gelungen, die
AfD zur Strecke zu bringen.
Obwohl es an medialer Unterstützung nicht fehlte, hat das rhetorische
Donnerwetter allein bisher wenig gebracht. Auch der Zusammenschluss
aller etablierten Parteien zur Anti-Alternativen-Volksfront konnte die
Alternativen nicht aus dem Feld schlagen. Nicht einmal das fieberhafte
Bemühen um ihre Entzauberung als ein zerstrittener Haufen
rivalisierender Greise, keifender Megären und nationalistischer
Dumpfbacken zeigte den erhofften Erfolg.
Allzu oft erkannte man die Absicht der „Aufklärer“ und war verstimmt.
Zwar schwanken die Zustimmungswerte für den Angstgegner bisweilen;
gerade eben muss er in verschiedenen Umfragen wieder Abschläge von ein
bis zwei Prozent hinnehmen, doch wurde er nie so ausgepfiffen, dass er
den Ring hätte fluchtartig verlassen müssen. Vielmehr gerieten die
anderen zunehmend in Panik.
Mittlerweile zittern sie auffällig. Dabei ist es keineswegs so, dass diejenigen, die sich vorstellen
könnten, mit der AfD eine politische Kraft zu wählen, die aus der Reihe
tanzt, auch bereit wären, ihr blindlings zu folgen. Oder alles gut
fänden, was ihre Funktionäre so treiben. Sie sind es nur leid, weiterhin
ein Parteien-Kartell durchzufüttern, das sich daran gewöhnt hat, das
Volk vormundschaftlich zu beherrschen, gleich, ob es um den
bürokratischen Ausbau eines zentralistisch regierten Europas, um die
Flüchtlings- oder die Energiepolitik geht. Sie wollen sich nicht länger
von denen in die Taschen greifen lassen, die von der Hand in den Mund
regieren, um nur irgendwie an der Macht zu bleiben.
Dass die „wahren Demokraten“ vor keiner Anschwärzung zurückschrecken,
hat Thomas Strobl, Landesvorsitzender der CDU in Baden-Württemberg und
untertäniger Koalitionsdiener des grünen Ministerpräsidenten Winfried
Krteschmann, erst dieser Tage wieder bewiesen. Alarmierend verlangte er
die Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz. Das haben zwar
schon andere vor ihm erfolglos versucht. Aber der stete Tropfen höhlt
bekanntlich den Stein, auch wenn Strobl wie seine Vorgänger jetzt noch
einmal bei der Behörde abgeblitzt ist. Die antisemitischen Einlassungen
des AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon (unsägliche Äußerungen, auf die
die AfD viel zu spät und ausweichend reagierte) gaben einfach nicht
genug her.
Würden sie zum Anlaß einer Überwachung genommen, müsste sich der
Verfassungsschutz am Ende mit allen Parteien befassen, deren Mitglieder
in der Vergangenheit durch ihre Kumpanei mit den Palästinensern im Kampf
gegen die Juden aufgefallen sind. Als Generalsekretärin der SPD
empfing Andrea Nahles 2012 eine Delegation der Fatah im Berliner
Willy-Brandt-Haus. Verabschiedet wurde dabei eine Erklärung zum
„Strategischen Dialog zwischen SPD und Fatah“, in dem unter anderem von
„gemeinsamen Werten“ und „gemeinsamen Zielen“ die Rede war.
In der CDU
hielt Martin Hohmann, als er der Partei noch angehörte, obskure Reden,
in denen er die Juden in die Nähe eines „Tätervolkes“ rückte. Bei der
FDP tat das einst Jürgen Möllemann, bei den Grünen unter anderem
Hans-Christian Ströbele. In einem Gespräch mit Henryk M. Broder sagte
Dietmar Bartsch, wenn die Linke sich von allen Antisemiten in ihren
Reihen trennen würde, verlöre die Partei die Hälfte ihrer Mitglieder.
Eine Aussage, die der Vorsitzende der Links-Fraktion im Bundestag nie
dementierte.
Dass Thomas Strobl von alledem nichts mitbekommen haben soll, kann
nicht sein. Immerhin ist er seit Jahrzehnten aktives CDU-Mitglied,
politisch in führenden Ämtern tätig. Wenn er dennoch versucht, die AfD
mit Verweis auf den rhetorischen Unflat eines Wolfgang Gedeon - übrigens
ein altes Mitglied der Kommunistischen Partei
Deutschlands/Marxismus-Leninismus (KPD/ML) - verfassungsrechtlich zu
kriminalisieren, dann spürt man auch hier die Absicht und ahnt, worauf
das hinauslaufen soll: Auf ein förmliches Verbot der Partei noch
rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2017.
Wozu, mag sich der Merkel-Mann gesagt haben, wozu haben wir
schließlich einen parlamentarisch kontrollierten Verfassungsschutz, wenn
wir ihn nicht gegen jene einsetzen, die einem die Wähler abspenstig
machen könnten. Dass Thomas Strobl nicht der einzige ist, dem solche
Strategien durch den Kopf gehen, scheint eher wahrscheinlich als
ausgeschlossen. Die Parteien (CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke) ,
deren Mitgliederzahl von 1990 bis heute um die Hälfte schrumpfte, von
2,4 auf 1,2 Millionen, haben im Kampf um ihre Existenz längst
blankgezogen.
Mittlerweile ist ihnen nahezu alles zuzutrauen. Am Ende sogar die
Erklärung eines Notstandes, der es nicht zulässt, die nächsten
Bundestagswahlen überhaupt noch wie geplant durchzuführen.
Ein Probelauf
dafür war, allerdings technisch begründet, ja schon für die Wahlen zum
Berliner Abgeordnetenhaus in diesem Herbst erwogen worden. Im nächsten
könnte uns dann die Bundeskanzlerin womöglich erklären, die
rechtspopulistischen Kräfte seinen derart erstarkt, dass freie Wahlen
den Fortbestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bedrohen
würden, dass man vorerst darauf verzichten müsse, um nicht zu gefährden,
was sich die etablierten Parteien über Jahrzehnte aufgebaut haben: eine
höfische Demokratie, in der sich der Bürger als umsorgter Untertan
wohlfühlen darf.
Wer jetzt den Kopf schütteln möchte und dagegen hält, dass kein
demokratisch gewählter Politiker, schon gar nicht in Deutschland, einen
derartigen Verfassungsbruch wagen würde, dem ist nicht nur ein Großteil
unserer Geschichte entfallen, er hat vor allem vergessen, was sich die
amtierende Bundeskanzlerin in den letzten Jahren schon alles leistete.
Auch ihre selbstherrlich verfügte Grenzöffnung aus „humanitären“ Gründen
hätte noch vor zwei Jahren niemand für möglich gehalten, nicht zu reden
vom Bruch der europäischen Verträge im Zuge der Euro-Krise oder von der
diplomatischen Kumpanei mit einem diktatorisch herrschenden Sultan und
anderen Autokraten mehr. Thomas Rietzschel
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