Stationen

Samstag, 30. Juli 2016

Oberflächlich und dumm

 29. Juli 2016

Der sich mit einer Axt durch einen Zug metzgernde Afghane von Würzburg war ein "verwirrter Einzeltäter"? Wahrscheinlicher handelte es sich um einen in jahrtausendealten Fußstapfen wandelnden, den Gesetzen seines Stammes folgenden, hochgradig normalen Paschtunen, der seine Vorstellungen von Männlichkeit und Ehre auslebte. "Paschtunische Wertvorstellungen (lassen sich) nicht durch Psychologen und Sozialarbeiter ohne Kenntnis über das Paschtunwali beiseitewischen. Auch nicht mit Praktika und Versprechen von Lehrstellen", sagt der Afghanistan-Kenner Albert A. Stahel. "Natürlich könnte man wissen, womit man es zu tun hat. Zum einen hat sich unsere westliche Kultur über die letzten Jahrhunderte seit dem Mittelalter vom Verhalten entfremdet, das jenem der Paschtunen von heute gleicht. Zum anderen geht es beim notwendigen Wissen nicht ums Können, sondern ums Wollen. Man will sich nicht ernsthaft mit fremden Kulturen auseinandersetzen, um zu wissen, was da auf uns zukommt. Gerade auch auf politisch verantwortlicher Ebene herrscht das Gefühl vor, unsere Kultur, unsere Werte und unsere Errungenschaften seien derart fortschrittlich und überlegen, dass sie automatisch auch maßgebend sind für alle anderen. Das ist aber oberflächlich und dumm. (...) Erhebt man den Anspruch, solche Leute bei uns zu integrieren, braucht es sicherlich das entsprechende Hintergrundwissen. Einen unwissenden Sozialarbeiter loszuschicken, kann tödlich enden, denn die Grenze zwischen Wohlwollen und Totschlag des zu Integrierenden ist schmal." Mehr hier.

Man beginnt täglich deutlicher zu ahnen, was die große humanistische "Wir schaffen das"-Sprechpuppe im Kanzleramt diesem Land sehenden Auges aufgehalst hat und mit grinsender Selbstgefälligkeit immer weiter aufzuhalsen gewillt scheint. 

Im Zusammenhang der mählichen Bananenrepublikanisierung: Hongkong gibt Reisewarnung für Deutschland aus.

Desgleichen irgendwie im Kontext: Der Reutlinger "Macheten"-(bzw. Dönermesser)-Mörder – diese Buben sind ja so flexibel und findig bei der Wahl der Waffen – beging eventuell gar keine Beziehungstat an der alleinerziehenden Vierfach-Mutter aus Polen; polnische Medien berichten, er sei nur ihr Stalker bzw. Belästiger gewesen (hier) –  "Für manchen hat ein Mädchen Reiz/Nur bleibt die Liebe seinerseits" (Wilhelm Busch) –, und irgendwann rutscht einem in seinem Stolz gekränkten Orientalen eben zuweilen das Messer aus. Vielleicht handelt es aber auch bloß um eine gemeine, diskriminierende und muslimfeindliche Unterstellung der Polackenpresse, und die Frau befand sich längst im rechtmäßigen Besitz dieses rechtgläubigen Mannes.


 30. Juli 2016
Vor einer Woche erinnerte ich an dieser Stelle an den Jahrestag des napoleonischen Sieges in der "Schlacht bei den Pyramiden" anno 1798. Da der französische Griff nach Ägypten gemäß Napoleons Intentionen nur ein Zwischenschritt auf dem Weg nach Indien sein würde, machten die Engländer den Franzosen die Beute zügig und erfolgreich streitig. Für die Araber war die deprimierende militärische und technische Überlegenheit der Europäer, die sich um ihr Territorium stritten, ein Schock. In Ägypten entstand damals eine islamische Bewegung, der 150 Jahre lang kein westlicher Stratege eine besondere Beachtung schenkte: der Salafismus.

1804 ließ sich Napoleon vom Papst zum Kaiser krönen. 1805 besiegte er bei Austerlitz die Russen und die Österreicher, 1806 bei Jena und Auerstedt die Preußen. Kein Europäer hielt damals für bedeutend, was zur gleichen Zeit auf der arabischen Halbinsel geschah. Zwischen 1804 und 1806 eroberten die Wahhabiten die beiden heiligen Städte des Islams, Mekka und Medina.
Wie wird man in Europa in hundert Jahren diese parallelen Ereignisse gewichten?   (MK am 29. und 30. Juli 2016)

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