29. Juli 2016
Der sich mit einer Axt durch einen Zug metzgernde Afghane von Würzburg
war ein "verwirrter Einzeltäter"? Wahrscheinlicher handelte es sich um
einen in jahrtausendealten Fußstapfen wandelnden, den Gesetzen seines
Stammes folgenden, hochgradig normalen Paschtunen, der seine
Vorstellungen von Männlichkeit und Ehre auslebte. "Paschtunische
Wertvorstellungen (lassen sich) nicht durch Psychologen und
Sozialarbeiter ohne Kenntnis über das Paschtunwali beiseitewischen. Auch
nicht mit Praktika und Versprechen von Lehrstellen", sagt
der Afghanistan-Kenner Albert A. Stahel. "Natürlich könnte man wissen,
womit man es zu tun hat. Zum einen hat sich unsere westliche Kultur über
die letzten Jahrhunderte seit dem Mittelalter vom Verhalten entfremdet,
das jenem der Paschtunen von heute gleicht. Zum anderen geht es beim
notwendigen Wissen nicht ums Können, sondern ums Wollen. Man will sich
nicht ernsthaft mit fremden Kulturen auseinandersetzen, um zu wissen,
was da auf uns zukommt. Gerade auch auf politisch verantwortlicher Ebene
herrscht das Gefühl vor, unsere Kultur, unsere Werte und unsere
Errungenschaften seien derart fortschrittlich und überlegen, dass sie
automatisch auch maßgebend sind für alle anderen. Das ist aber
oberflächlich und dumm. (...) Erhebt man den Anspruch, solche Leute bei
uns zu integrieren, braucht es sicherlich das entsprechende
Hintergrundwissen. Einen unwissenden Sozialarbeiter loszuschicken, kann
tödlich enden, denn die Grenze zwischen Wohlwollen und Totschlag des zu
Integrierenden ist schmal." Mehr hier.
Man
beginnt täglich deutlicher zu ahnen, was die große humanistische "Wir
schaffen das"-Sprechpuppe im Kanzleramt diesem Land sehenden Auges
aufgehalst hat und mit grinsender Selbstgefälligkeit immer weiter
aufzuhalsen gewillt scheint.
Im Zusammenhang der mählichen Bananenrepublikanisierung: Hongkong gibt Reisewarnung für Deutschland aus.
Desgleichen
irgendwie im Kontext: Der Reutlinger "Macheten"-(bzw.
Dönermesser)-Mörder – diese Buben sind ja so flexibel und findig bei der
Wahl der Waffen – beging eventuell gar keine Beziehungstat an der
alleinerziehenden Vierfach-Mutter aus Polen; polnische Medien berichten, er sei nur ihr Stalker bzw. Belästiger gewesen (hier)
– "Für manchen hat ein Mädchen Reiz/Nur bleibt die Liebe seinerseits"
(Wilhelm Busch) –, und irgendwann rutscht einem in seinem Stolz
gekränkten Orientalen eben zuweilen das Messer aus. Vielleicht handelt
es aber auch bloß um eine gemeine, diskriminierende und muslimfeindliche
Unterstellung der Polackenpresse, und die Frau befand sich längst im
rechtmäßigen Besitz dieses rechtgläubigen Mannes.
30. Juli 2016
Vor einer Woche erinnerte ich an
dieser Stelle an den Jahrestag des napoleonischen Sieges in der
"Schlacht bei den Pyramiden" anno 1798. Da der französische Griff nach
Ägypten gemäß Napoleons Intentionen nur ein Zwischenschritt auf dem Weg
nach Indien sein würde, machten die Engländer den Franzosen die Beute
zügig und erfolgreich streitig. Für die Araber war die deprimierende
militärische und technische Überlegenheit der Europäer, die sich um ihr
Territorium stritten, ein Schock. In Ägypten entstand damals eine
islamische Bewegung, der 150 Jahre lang kein westlicher Stratege eine
besondere Beachtung schenkte: der Salafismus.
1804 ließ sich
Napoleon vom Papst zum Kaiser krönen. 1805 besiegte er bei Austerlitz
die Russen und die Österreicher, 1806 bei Jena und Auerstedt die
Preußen. Kein Europäer hielt damals für bedeutend, was zur gleichen Zeit
auf der arabischen Halbinsel geschah. Zwischen 1804 und 1806 eroberten
die Wahhabiten die beiden heiligen Städte des Islams, Mekka und Medina.
Wie wird man in Europa in hundert Jahren diese parallelen Ereignisse gewichten? (MK am 29. und 30. Juli 2016)
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