«Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?» – Die
herausfordernde und nicht ganz leicht zu beantwortende Frage geistert,
in mancher Variante, schon so lange durch die Geistesgeschichte, dass
die Geister sich an sie gewöhnt zu haben und sich von ihr kaum noch
beunruhigen zu lassen scheinen. Doch immer wieder hält einer inne, lässt
sie nachklingen im Ohr und fragt sich: «Ja, warum eigentlich?»
Einer dieser Innehaltenden ist Ludger Lütkehaus. Er hat zwar vermutlich auch keine Antwort auf die Frage, aber er hat ein gewichtiges Buch geschrieben, das «Nichts» betitelt ist und sich dem Abgrund, über dem jene Frage schwebt, weit öffnet. So weit, dass die Beunruhigung, die aus ihr kommt, vom Leser Besitz ergreifen könnte – wäre da nicht ein Humor, der seine Verwandtschaft mit dem Sarkasmus nicht verleugnet und für gelegentliche Spannungsentladung sorgt, und wäre da nicht überdies das gewissermassen therapeutische Bestreben des Autors, sich selbst und den Leser von der Angst vor dem Nichts zu befreien. Vor einem Nichts, das auf der letzten der 758 Seiten des Werkes nicht mehr groß-, sondern kleingeschrieben ist: so, als wäre es mit dem Nichts nichts mehr.
Die Angst vor dem Nichts, dies eine der durchaus dialektischen Thesen des Buches, habe in der Geschichte des sogenannten Abendlandes zu einer fatalen «Seins- und Schaffensobsession» geführt, zu einem Selbsterhaltungs- und Selbststeigerungswahn, der ebendieses Abendland nur umso sicherer und ironischerweise an den Rand der totalen Katastrophe, der Selbstauslöschung, gebracht habe.
Als das Werk in erster Auflage erschien, im Jahr 1999, war Ludger Lütkehaus bereits – durch Editionen und Interpretationen – einschlägig bekannt: als einer, der mit Schopenhauer wie mit Nietzsche, mit Freud wie mit Heidegger und Günther Anders auf vertrautem, wenngleich nicht in allen Fällen freundschaftlichem Fusse steht. Und sein Name war, natürlich, längst schon der Leserschaft der NZZ geläufig: «LL» war und ist, als Rezensent wie auch als Essayist, einer jener hochgeschätzten freien Mitarbeiter, ohne die es ein Feuilleton gar nicht geben könnte. Neben philosophischer und psychologischer ist es auch «schöne» – insbesondere chinesische – Literatur, die der unermüdliche Kritiker sich zu Gemüte führt. Seiner akademischen Herkunft nach Literaturwissenschafter (mit zwei Qualifikationsschriften über Friedrich Hebbel), lehrt Lütkehaus nebenbei als Honorarprofessor für neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität in Freiburg im Breisgau. Nicht nur als Literaturwissenschafter, auch als Literat, als Erzähler und Aphoristiker ist er in Erscheinung getreten.
Den familiären Hintergrund des 1943 im niedersächsischen Cloppenburg Geborenen, das lässt eine Kindheitserzählung erahnen, die unter dem Titel «Kindheitsvergiftung» publiziert worden ist, darf man sich nicht als glückliche Herkunftswelt vorstellen. Einer rigiden – katholischen – Religiosität des Umfeldes ist wohl auch die Aversion gegen falsche Tröstungen und eingeredete Ängste geschuldet, die ihre positive – und heitere – Entsprechung in Sympathien für buddhistische und andere Weisheitslehren gefunden haben mag.
Am heutigen 17. Dezember jährt sich der Tag, an dem Ludger Lütkehaus – nun muss es doch so gesagt werden – das Licht der Welt erblickt hat. Dass er ist und nicht vielmehr nicht, das ist – jedenfalls für die, die das Geburtstagskind kennen – entschieden erfreulicher, als wenn es sich anders verhielte. NZZ
Einer dieser Innehaltenden ist Ludger Lütkehaus. Er hat zwar vermutlich auch keine Antwort auf die Frage, aber er hat ein gewichtiges Buch geschrieben, das «Nichts» betitelt ist und sich dem Abgrund, über dem jene Frage schwebt, weit öffnet. So weit, dass die Beunruhigung, die aus ihr kommt, vom Leser Besitz ergreifen könnte – wäre da nicht ein Humor, der seine Verwandtschaft mit dem Sarkasmus nicht verleugnet und für gelegentliche Spannungsentladung sorgt, und wäre da nicht überdies das gewissermassen therapeutische Bestreben des Autors, sich selbst und den Leser von der Angst vor dem Nichts zu befreien. Vor einem Nichts, das auf der letzten der 758 Seiten des Werkes nicht mehr groß-, sondern kleingeschrieben ist: so, als wäre es mit dem Nichts nichts mehr.
Die Angst vor dem Nichts, dies eine der durchaus dialektischen Thesen des Buches, habe in der Geschichte des sogenannten Abendlandes zu einer fatalen «Seins- und Schaffensobsession» geführt, zu einem Selbsterhaltungs- und Selbststeigerungswahn, der ebendieses Abendland nur umso sicherer und ironischerweise an den Rand der totalen Katastrophe, der Selbstauslöschung, gebracht habe.
Als das Werk in erster Auflage erschien, im Jahr 1999, war Ludger Lütkehaus bereits – durch Editionen und Interpretationen – einschlägig bekannt: als einer, der mit Schopenhauer wie mit Nietzsche, mit Freud wie mit Heidegger und Günther Anders auf vertrautem, wenngleich nicht in allen Fällen freundschaftlichem Fusse steht. Und sein Name war, natürlich, längst schon der Leserschaft der NZZ geläufig: «LL» war und ist, als Rezensent wie auch als Essayist, einer jener hochgeschätzten freien Mitarbeiter, ohne die es ein Feuilleton gar nicht geben könnte. Neben philosophischer und psychologischer ist es auch «schöne» – insbesondere chinesische – Literatur, die der unermüdliche Kritiker sich zu Gemüte führt. Seiner akademischen Herkunft nach Literaturwissenschafter (mit zwei Qualifikationsschriften über Friedrich Hebbel), lehrt Lütkehaus nebenbei als Honorarprofessor für neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität in Freiburg im Breisgau. Nicht nur als Literaturwissenschafter, auch als Literat, als Erzähler und Aphoristiker ist er in Erscheinung getreten.
Den familiären Hintergrund des 1943 im niedersächsischen Cloppenburg Geborenen, das lässt eine Kindheitserzählung erahnen, die unter dem Titel «Kindheitsvergiftung» publiziert worden ist, darf man sich nicht als glückliche Herkunftswelt vorstellen. Einer rigiden – katholischen – Religiosität des Umfeldes ist wohl auch die Aversion gegen falsche Tröstungen und eingeredete Ängste geschuldet, die ihre positive – und heitere – Entsprechung in Sympathien für buddhistische und andere Weisheitslehren gefunden haben mag.
Am heutigen 17. Dezember jährt sich der Tag, an dem Ludger Lütkehaus – nun muss es doch so gesagt werden – das Licht der Welt erblickt hat. Dass er ist und nicht vielmehr nicht, das ist – jedenfalls für die, die das Geburtstagskind kennen – entschieden erfreulicher, als wenn es sich anders verhielte. NZZ
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