Als am 10. Mai im bayrischen Gräfing ein Mann unter „Allahu
Akbar“-Rufen drei Menschen mit einem Messer schwer verletzt und einen
weiteren tötet, wird sich in der Presse recht schnell darauf geeinigt,
dass der 27-jährige „psychsich krank“ gewesen sei. Mit dem Islam, so die
implizite Folgerung, hat das nichts zu tun.
Auch als vor wenigen Wochen in Orlando ein Schwerbewaffneter einen
Schwulenclub stürmt und 49 Menschen ermordet und die gleiche Anzahl
nochmals schwer verletzt, wird bei der Ursachenforschung in den
Vordergrund gerückt, dass der Täter selbst einer gewissen Neigung zu
eben diesem Schwulenclub frönte und andere ermordete, weil er mit seinem
eigenen Schwulsein nicht klarkam. Auch hier vermischen sich privates
Leid und Liebe zum IS zu einer eher uneindeutigen Motivlage.
Vor wenigen Tagen nun plant ein ebenfalls mutmaßlich psychisch
labiler Mann einen Massenmord mit einem Schwerlaster und ermordet
daraufhin 84 Menschen und verletzt mehr als 300. Dass er Alkohol
getrunken, seine Frau misshandelt und überhaupt zur Gewalttätigkeit
geneigt habe, gilt nun als Ausweis seiner Labilität. Mit dem Islam hat
auch dieser Massenmord, wenn überhaupt, nur am Rande zu tun.
Als gestern nun ein mutmaßlich 17jähriger Afghane in einem
Regionalzug nach Würzburg unter „Allahu-Akbar“-Rufen eine Axt schwingt
und vier Menschen schwer verletzt, bleibt auch hier die Motivlage erst
einmal unklar. Bitte keine voreiligen Schlüsse. Bitte keine Mutmaßungen.
Gehen Sie einfach weiter!
Der Schutz vor voreiligen Schlüssen scheint eine der Hauptaufgaben
des Journalismus geworden zu sein.
Überall Sprach- und Denkbarrieren, um
ja das große Projekt der Kanzlerin nicht zu gefährden. So wurde in den
Redaktionsstuben beschlossen, dass dem Islamischen Staat ein
„sogenannter“ vorgestellt wird. Der Grund: zum einen ist der IS gar kein
richtiger Staat mit Präsident, Kanzler und offenen Grenzen. Und zum
anderen nennt er sich ja nur islamisch, ohne es wirklich zu sein. Denn
was islamisch richtig ist, entscheiden neuerdings unsere
Medienvertreter.
So wie es für einen echten islamischen Staat ein paar
Qualitätskriterien zu beachten gilt, so gelten auch bei einem
islamischen Anschlag ein paar Standards, die nicht aufgeweicht werden
dürfen.
Ein waschechter Islamist trinkt selbstverständlich keinen
Alkohol und schlägt seine Frau nur im Ausnahmefall. Auch Schwulsein gilt
unter Islamisten als nicht halal und mit einem psychischen Defekt ist
man aus der Schar islamischer Gotteskrieger automatisch ausgeschlossen.
So steht es im Koran.
Das subkutan wirkende Narrativ lautet also folgendermaßen:
ein
Islamist muss bei bester geistiger Gesundheit und überhaupt ein
ehrenwerter Mensch sein. Denn nur ein gesunder und ehrlicher
Massenmörder kann die Argumente, die für ihn sprechen, auch ins rechte
Licht rücken: schwere Kindheit, böse Umwelt, Diskriminierung, Rassismus,
Dritte-Welt-Armut. Ein psychischer Defekt könnte diesen zweifelsohne
gerechtfertigten Anklagen „gegen uns“ die Spitze nehmen, denn die
Argumente, die ein Islamist etwas ungestüm vorzutragen sich bemüßigt
fühlt, sind doch durchaus bedenkenswert.
Weiterhin muss ein Islamist ein gottgefälliges Leben führen: kein
Schweinefleisch, kein Alkohol, kein Schwulsein. Spricht einer dem
Alkohol zu und besitzt eine Neigung zu Darkrooms, kämpft er mit seinen
eigenen Dämonen und nicht für den IS. Da gelten andere Maßstäbe und
Massenmord wird dann unter individuelle Verfehlungen einsortiert.
Wichtig bei einem Islamisten ist auch das Gruppenverhalten. Es muss
einen Führer geben, einen Führerbefehl und ein Hauptquartier, sonst kann
der deutsche Medienschaffende damit nichts anfangen. Einzelgängertum
gilt als Ausweis von Individualität und könnte dem Bild des Islamisten
als Opfer der Umstände schweren Schaden zufügen. Wo der Mitgliedsausweis
des IS fehlt, muss die Motivlage leider unklar bleiben.
Aber jetzt mal im Ernst, liebe Medienschaffende: zwischen einem
Islamisten, der auf persönlichen Befehl von Baghdadi handelt, und einer
psycho-pathologischen Persönlichkeit, die ihrem jämmerlichen Dasein
versucht einen Sinn zu verleihen, indem sie sich auf den IS beruft,
besteht gar kein Widerspruch. Ein Massenmörder ist ein Wahnsinniger.
Punkt. Er ist vom Bösen besessen und die einzige Frage, die von
Interesse ist, lautet: hat sich die Besessenheit seiner im Affekt
bemächtigt oder war sie ein schleichender Prozess?
Und auch wenn ihr aus der Tradition der Ulrike-Meinhof-Rechtfertiger
kommt und hinter jedem Mörder einen aufrechten Rebellen oder ein
gedemütigtes Kind sehen wollt: es gibt keine Rechtfertigung für Mord.
Präziser: es gibt noch nicht einmal eine Erklärung für Mord, weil die
Besessenheit vom Bösen sich unserer Vernunft und unseres ökonomischen
Denkens von Ursache und Wirkung entzieht.
Und jetzt müsst Ihr ganz stark sein: mit all diesen Morden die
letzten Tage und Wochen hat selbstverständlich der Islam zu tun. Er ist
der Grund für die schleichende Überwältigung durch das Böse. So wie
Auschwitz auch mit der menschenverachtenden Rassenideologie der Nazis zu
tun hatte. Nicht weil Mengele & Co die überzeugtesten
Rasseideologen waren, sondern weil sie die Ideologie nutzen konnten, um
ihrer Menschenverachtung, ihrem Gottspielen und ihrer Mordlust nachgehen
zu können. Nennt Mengele keinen Nazi und ihr könnt aufhören, die
Massenmörder im Namen der friedlichen Religion Islamisten zu nennen.
Aber das traut selbst Ihr euch noch nicht.
Was der Islam geschafft hat: dass sich über bestimmte Bevölkerungsgruppen eine Ideenglocke - parawissenschaftlich: ein morphisches Feld
- gestülpt hat, die den Zugang zum Hass und zur Verachtung, die von
weiten Teilen des Islams gepredigt werden, ungemein erleichtert. Das
beginnt mit dem Wunsch, aus seiner eigenen unsäglich unwichtigen und
langweiligen Verliererexistenz ausbrechen zu wollen, wird befeuert von
der Aussicht auf das Ausleben seines sexuellen Sadismus‘, der Geilheit
auf Machtausübung und körperliche Raserei und endet noch lange nicht bei
der masochistischen Lust an der Unterwerfung. Diese Gemengelage, die
eine zivilisierte Gesellschaft einfach nicht zu bieten hat, wird vom
Islam befeuert. Denn so lebte es sich in vorzivilisierten Zeiten, wie es
der Koran beschreibt. Und der gilt bekanntlich als heilig und ewig.
Jetzt so zu tun, als wären die Morde der letzten Tage und Wochen
tragische Zufälle und individuelle Verfehlungen, ist leider billig und
für jeden denkenden Menschen eine intellektuelle Beleidigung. So wie
eine Kreissäge nur funktioniert, wenn man den Tank mit Benzin füllt, so
funktioniert ein islamistischer Terrorist nur, wenn er genug Islam
getankt hat. Das mag der falsche Islam sein, aber das muss den Medien,
die darüber berichten, schnurzpiepe sein. Denn die Frage, was der
richtige und der falsche Islam ist, gehört auf die Religionsseiten des
Feuilleton, nicht in den Politikteil.
So wie im Islam das einfach gesprochene Glaubensbekenntnis als
Zugehörigkeit gilt, so gilt beim IS das einfach ausgerufene Bekenntnis,
in eben dessen Namen zu morden. Zum Soldaten des IS wird man nicht, wenn
man sich dem IS anschließt, nach Raqqa reist und sich mit
Mitgliedsausweis registrieren lässt, sondern wenn man im Namen des IS
mordet und totschlägt. Dabei ist es völlig egal, ob man anerkannt
psychisch krank ist, einfach nur so einen Hau hat oder unauffälliger
Student der Elektrowissenschaften ist. Man ist IS, wenn man in seinem
Namen mordet. Und dieses Versprechen gilt weltweit und jederzeit: töte
möglichst viele, möglichst barbarisch und dir gebühren „15 minutes of
islamic fame“. So wird aus einem kläglichen Leben und einem zerfetzten
Tod posthum noch ein Märtyrerdasein.
Das morphische Feld des Islam wächst nicht zuletzt, weil die
Gutmeinenden die Nennung des Islam als Brandbeschleuniger dieser Morde
tabuisieren. Angst vor dem Islam erhöht seine Attraktivität ungemein.
Die Wucht, die von der Barbarei ausgeht, und der ungeheure Reiz am
archaisch-brutalen Leben sind DAS Gegenmodell zur freien und das
Individuum fordernden Zivilisation. Und wenn jetzt über den Massenmörder
von Nizza und den Attentäter von Würzburg etwas ungläubig berichtet
wird, dass sich beide „selbst radikalisiert“ hätten, dann ist das ein
entscheidender Hinweis für eine neue Phase des Krieges und mitnichten
ein Grund zur Entwarnung. Der IS benötigt keine Strukturen mehr, weil
sein morphisches Feld, sein zersetzender Einfluss auf die vielen kranken
Hirne groß genug geworden ist.
Und bitte, hört auf zu behaupten, wir müssten uns an den
islamistischen Terror gewöhnen. Nach den NSU-Morden hat auch niemand
behauptet, dass wir uns an rechte Morde zu gewöhnen haben. Wieso bloß
geht euch diese Behauptung inzwischen so leicht über die Lippen? Markus Vahlefeld
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