Stationen

Sonntag, 17. Juli 2016

Die Kunst kehrt nach Deutschland zurück

Und zwar - wie alles gute Zurückkehrende - aus dem Ostreservoir, diesmal aus Erfurt und Leipzig. Michael Triegel macht genau das Richtige. Ich habe vor 30 Jahren in einer Schule gearbeitet, wo traditionelle Ölmalerei unterrichtet wurde. Dort wurde eine Technik am Leben gehalten, ohne den Sujets Leben einzuhauchen und die Studentierenden waren ratlos, was sie malen sollten.
Ich dachte damals, wenn ich mehr Talent hätte, würde ich mythologische Themen aufgreifen und zum Beispiel das Skelett eines Centauren malen. Dabei wusste ich damals noch gar nicht, wer Cheiron war! Bzw. ist! Erst später, als ich von Cheiron erfuhr, ging mir auf, wie richtig ich mit dem Centauren lag: es scheint eine Grammatik der Mythen zu geben, die sehr verborgene Wege geht, mehr mit Gestaltwahrnehmung und der Biologie der Kognitivität als mit kollektivem Unbewussten zu tun hat und umso zuverlässiger ihre Wirkung entfaltet, je entschlossener man in Zeiten der spirituellen Armut den Blick auf eine Weise nach innen richtet, der mehr mit Embryologie, De Chirico, Künstlicher Intelligenz, Semiologie, Phänomenologie, Phylogenese, dem Buch Hiob, Geologie, Mykologie und vor allem Banalität zu tun hat als mit Zen-Buddhismus, Meister Eckhart oder Psychoanalyse.

Und nun malt Triegel 30 Jahre nach meinen damaligen Tagträumen Bilder wie diese:











(Ich höre schon das Geblöke der Kritiker ....surrealistisch... ....postmodern...   ....zielgerichtete Aleatorik... ...experimentelle Beharrlichkeit.... ...progressiver Kitsch... Sie werden alle übersehen, dass es sich nur um die tapfere Ergriffenheit eines Begabten und um awareness handelt.)





Man hört auch die tapfere Ambivalenz zwischen Hybris und Demut von Müllers "Lazarettpoesie" (so Goethe über Wilhelm Müller) etwas anders, wenn man Tiegels Bilder dazu betrachtet: das Kränkliche von 19., 20. und 21. Jahrhundert ist wie ein Nachhall dieses kränklichen Liedes:






Fliegt der Schnee mir ins Gesicht,
Schüttl'ich ihn herunter.
Wenn mein Herz im Busen spricht,
Sing' ich hell und munter.
Höre nicht, was es mir sagt,
Habe keine Ohren;
Fühle nicht, was es mir klagt,
Klagen ist für Toren.
Lustig in die Welt hinein
Gegen Wind und Wetter!
Will kein Gott auf Erden sein,
Sind wir selber Götter!

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