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Dienstag, 26. Juli 2016

Pew schaut hin

Die langanhaltende Asylkrise hat Meinungsforscher aus den USA auf den Plan gerufen. Das Pew Research Center ging der Frage nach, wie die betroffenen Europäer die Auswirkungen der Immigrationswelle einschätzen.
Hierzu befragte das nach dem US-amerikanischen Ölindustriellen Joseph Newton Pew (1848–1912) benannte Meinungsforschungsinstitut mit Sitz in Wa­shington in den vergangenen Monaten Einwohner aus den zehn EU-Staaten Italien, Griechenland, Ungarn, Frankreich, Spanien, Polen, Schweden, Niederlande, Großbritannien und Deutschland.
Eine der Kernaussagen der Studie ist, dass sich die oftmals unterstellte „Ausländerfeindlichkeit“ der Deutschen anhand von Zahlen nicht belegen lässt. Obwohl die Bundesrepublik im vergangenen Jahr die meisten Asylsucher in Europa aufgenommen hat, sind hier die Sorgen um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Zustroms vergleichsweise gering.

Auf die Frage „Flüchtlinge stellen eine Belastung für unser Land dar, weil sie uns Arbeitsplätze und Sozialleistungen wegnehmen“, antworteten nur 31 Prozent der befragten Deutschen mit Ja. Im europäischen Durchschnitt war es dagegen rund die Hälfte, welche die entsprechende Sorge teilte. 
Besonders kritisch ob der wirtschaftlichen und sozialen Folgen äußerten sich die Bürger in Ungarn (82 Prozent), Polen (75 Prozent), Griechenland (72 Prozent) und Italien (65 Prozent). Erstaunlicherweise bejahten nur 48 Prozent der befragten Briten die Frage, obwohl es im Vorlauf des Brexit-Referendums zu erbitterten Kontroversen über den richtigen Kurs in der Asylkrise gekommen war. Einen ähnlich geringen Zustimmungswert wie Deutschland weist bei dieser Frage nur Schweden auf, das in absoluten Zahlen nach der Bundesrepublik die zweitmeisten Flüchtlinge aufgenommen hat.

Noch größer als die Sorge vor den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Masseneinwanderung scheint die vor den Auswirkungen auf die Sicherheitslage zu sein. In insgesamt acht der Länder äußerte der Umfrage zufolge mehr als die Hälfte der Befragten die Befürchtung, dass die innenpolitische Lage „instabiler“ geworden sei. In Ungarn gaben 76 Prozent der Befragten an, dass die Wahrscheinlichkeit einer „terroristischen Gefahr“ gestiegen sei, in Polen waren es 71 Prozent. In Deutschland haben immerhin 61 Prozent eine ausgeprägte „Terrorangst“. Auch in Großbritannien äußerte sich mehr als die Hälfte besorgt. In Frankreich, wo es in den vergangenen Monaten zwei verheerende Anschläge gegeben hatte, waren dagegen nur 42 Prozent dieser Meinung. Die Forscher interpretieren das in der Weise, dass die gesellschaftliche Debatte in Frankreich dazu geführt habe, dass die Menschen einen differenzierteren Blick auf die Ursachen der Anschläge hätten. Sie würden eher zwischen dem islamischen Terrorismus und „Bürgerkriegsflüchtlingen“ trennen. Dieses mag den Franzosen umso leichter fallen, als sie – zumindest im Vergleich zum deutschen Nachbarn mit seiner Willkommenskultur – kaum welche aufgenommen haben. Insgesamt, so heißt es in der Studie, gebe es in den Köpfen der Europäer „aber eine sehr klare Verbindung zwischen der Flüchtlingskrise und der Terrorgefahr“.

Untersucht wurde auch die Frage, ob der Zuzug von Asylsuchern in den Augen der einheimischen Bevölkerung deren Lebensqualität beeinträchtige. In Deutschland gaben immerhin 31 Prozent der Befragten ein Ja zu Protokoll, lediglich 21 Prozent gaben an, dass die Flüchtlinge einen positiven Effekt bringen würden. Allerdings sagte rund die Hälfte, es sei noch zu früh, um sich ein Urteil zu bilden. Deutschland landet mit diesem Prozentsatz etwa im Mittelfeld der Rangliste, die bei dieser Frage von Griechenland angeführt wird. Dort sagten immerhin 63 Prozent, ihr Land sei durch die Asylsucher weniger lebenswert und nur rund zehn Prozent glaubten an einen positiven Effekt. Selbst im gemeinhin als liberal geltenden Schweden glaubt lediglich etwas mehr als ein Drittel der Befragten (36 Prozent) daran, dass der Zustrom die Lebensqualität erhöhe. Insgesamt herrscht die Meinung vor, die endgültigen Auswirkungen der Völkerwanderung seien bisher nur schwer einzuschätzen. 

Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob sich die Kriminalität durch den Asylsucherzustrom in den EU-Ländern erhöhen werde, denn auch hierzu wurde häufig die Auffassung geäußert, es sei für eine Einschätzung noch zu früh. 30 Prozent der Deutschen bejahten die entsprechende Frage. An der Spitze stehen die Italiener mit 47 Prozent. In Polen, das bisher kaum Asylsucher aufgenommen hat, fürchten lediglich 13 Prozent der Befragten eine Zunahme von Verbrechen. 

Auch die Einstellung gegenüber religiösen Minderheiten wurde untersucht. Moslems stoßen vor allem bei den Süd- und Osteuropäern auf Ablehnung. Eine negative Einstellung gegenüber dieser Religionsgruppe haben in Italien 82 Prozent, in Griechenland 67 Prozent, in Ungarn 64 Prozent und in Frankreich 61 Prozent. In Deutschland sind es immerhin noch 40 Prozent. 

Vorbehalte gegenüber Juden hätten in der Bundesrepublik lediglich 5 Prozent. In Griechenland seien es dagegen mehr als die Hälfte, was die Forscher mit der starken Verankerung der orthodoxen Kirche erklären, die für 78 Prozent der Griechen „eine ganz starke Rolle“ spiele. In Deutschland hingegen erachtete nicht mal mehr ein Drittel „das Christentum als wichtig“. Generell lasse sich der Trend feststellen, dass in eher „unreligiösen Ländern“ die negativen Einstellungen gegenüber Andersgläubigen weniger stark ausgeprägt seien.    Peter Entinger

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