Von
der politischen Talkshow erwartet niemand mehr eine ernsthafte
Diskussion aktueller Probleme. Gänzlich ignorieren kann man sie dennoch
nicht. Sie ist nach wie vor ein wichtiger öffentlicher Marktplatz. Mögen
die Meinungen, die dort ausgerufen werden, auch sinnfrei sein und die
Maulhelden, die sich der Kamera feilbieten, von deren Banalität zeugen –
entscheidend ist nun mal die mediale Präsenz.
Wer einmal in der abendlichen Fernsehrunde gesessen hat, ist fortan
eine öffentliche Figur, und der Meinungsbogen, der dort geschlagen wird,
bezeichnet für zahlreiche Zuschauer die Grenze des Erlaubten. Kein
Wunder also, daß auch politische Außenseiter, also Konservative und
Rechte, in der Teilnahme eine Chance erblicken.
Dann muß ihnen allerdings klar sein, daß sie keinen grandiosen Sieg
erringen werden und ihr Auftritt die Verhältnisse nicht umstürzt. Ihre
Einladung entspringt keinesfalls der Absicht, das Debattenspektrum zu
erweitern und der Problemlage anzupassen. Der erste Grund ist ein
relativ harmloser: Ein Marktplatz muß, um dauerhaft Besucher anzulocken,
nun mal von Zeit zu Zeit etwas Neues, eine Attraktion anbieten, einen
Alien mit AfD-Parteibuch beispielsweise.
Der zweite Grund ist von bösartiger Natur: Selbstverständlich soll
der Alien nicht als Gleichberechtigter behandelt werden, sondern er ist
als Demonstrationsobjekt gedacht, durch das diejenigen, die falscher
Meinung sind, stellvertretend abgestraft und in die Schranken gewiesen
werden.
In solchen Momenten bekommt die Show eine unmittelbare politische
Qualität. Zwar nicht durch die Schärfe des Arguments, aber durch die
Vernichtungswut, in der sich die übrigen Marktschreier
parteiübergreifend gegen ihn zusammenfinden. Politische Talkshows mit
Andersdenkenden sind vor allem Arenen der öffentlichen Hinrichtung.
Bereits die Auswahl der Teilnehmer sorgt dafür, daß Konservative oder
Rechte sich hoffnungslos, im Verhältnis eins zu drei oder eins zu vier,
in der Minderheit befinden. Hinzu kommen die Moderatoren, die mit ihrer
privilegierten Position doppelt oder dreifach ins Gewicht fallen. Wurde
auch noch das Publikum entsprechend ausgewählt und eingestimmt, erhöht
die quantitative Überlegenheit der Gegenseite sich auf das Achtfache.
Die mißgünstige Nachbereitung durch die Medien am nächsten Tag schlägt
ebenfalls zu Buche.
Und das ist nicht alles! Ein unhintergehbarer qualitativer Aspekt
verdoppelt die numerische Unterlegenheit: Der Konservative und Rechte
muß neben der Runde auch gegen die Sprache ankämpfen, in der die anderen
sich bewegen und die als gesellschaftlich verbindlich gilt. Sie lagert
den politischen Konflikt, um den es eigentlich geht, in den Bereich der
Psychologie aus.
Politische, gesellschaftliche, kulturelle und soziale Probleme werden
damit zu „Phobien“ erklärt und als krankhafte Reaktionen oder Störungen
der indigenen Bevölkerung pathologisiert. Der ernsthafte politische
Diskutant erscheint in einer derartigen Logik als Angstmacher und Störer
des gesellschaftlichen Friedens.
Diese Sprache ist tief in die kollektive Psyche eingedrungen und
kontaminiert damit sowohl die empirische Wahrnehmung wie das politische
Denken. Diese grundlegende Fehlkonditionierung der öffentlichen und
teilweise auch privaten Kommunikation vergrößert die gegnerische
Überlegenheit auf das fünfzehn- bis zwanzigfache. Auch ein angeblich
unabhängiger Experte aus der Politikwissenschaft, selbst wenn er guten
Willens ist, ändert nichts an der schiefen Konstellation, denn die
falsche Begrifflichkeit ist nun mal sein Arbeitsinstrument.
Es ist völlig klar, daß man aus einer derart unterlegenen Position
keinen strategischen Debattensieg erringen kann. Das muß man wissen und
akzeptieren, bevor man die Arena betritt, um darin kühlen Blutes die
unausweichlichen Gemeinheiten zu ertragen. Allenfalls punktuelle
Vorstöße sind möglich, wobei man hinnehmen muß, daß die Gegenseite sie
umgehend zu sabotieren versucht.
Eloquente Islam-Vertreter beispielsweise haben die Angewohnheit, die
exklusiven Schwierigkeiten, für die ihre Religionsgruppe in den
europäischen Ländern sorgt, in eine Diskriminierung durch die
Aufnahmegesellschaften umzudeuten. Dem konservativen Einzelkämpfer kann
es in einer Talkshow maximal gelingen, diese Methode namhaft zu machen.
Spätestens wenn er ansetzt, sie zu widerlegen, greift die alarmierte
Moderation ein und ermahnt den Redner oder die Rednerin, nicht vom Thema
abzuweichen und zur Ausgangsfrage zurückzukehren.
Zu diesem Zweck zückt sie einen Zettel, auf dem beflissene
Mitarbeiter das unvermeidliche berüchtigte Zitat notiert haben, das den
debattierenden Außenseiter erledigen soll. Die Äußerung muß gar nicht
von ihm, sondern kann auch von einem Partei- oder angeblichen
Gesinnungsfreund stammen. Meistens ist es nicht einmal skandalös,
höchstens ein bißchen frech und als pointierte Reaktion auf die
offizielle Schönrednerei zu verstehen.
Auf jeden Fall ist es weniger absurd als alles, was Politik und
Medien den Bürgern tagtäglich zumuten. Seines Kontextes beraubt und
durch das Moderatoren-Tremolo zur Ungeheuerlichkeit stilisiert, steht es
jetzt als Vorwurf der Volksverhetzung im Raum, für den der
Gedankenverbrecher sich gefälligst zu rechtfertigen hat!
Er kann dann nichts weiter tun, als diese Methode wieder beim Namen
zu nennen und als billig zu bezeichnen. Der Rest wird sowieso im
kollektiven Geschrei von Katja Kipping (Die Linke), Claudia Roth
(Grüne), Ralf Stegner (SPD) und Armin Laschet (CDU) untergehen. Das
Wenige muß ihm genügen, und gegen allen Anschein ist das bereits ein
kleiner Sieg.
Seine Parteigänger unter den Zuschauern wird die Behandlung ihres
Wortführers zwar schmerzen, doch sie müssen einsehen, daß es um sie hier
nicht geht, schließlich müssen sie nicht mehr überzeugt werden. Ein
einmaliges kurzes Fähnchenschwenken in ihre Richtung als Zeichen der
Ermutigung genügt vollauf. Auch die ideologisch festgelegten Gegner
zählen nicht, denn kein noch so kluges Argument wird sie mehr erreichen.
Sollen sie sich doch schadenfroh die Hände reiben, solange sie noch
können. In Wahrheit sitzt ihnen längst die Angst im Nacken.
Es geht um den schwankenden Teil des Publikums, der spürt, daß etwas
falsch läuft in Politik und Medien und dem nach einer Sendung aufgeht,
daß die gehässige Talkshow-Dramaturgie ein Spiegelbild der großen Misere
ist.
Wenn er zu dem Schluß kommt, daß der Diskutant sich im Angesicht
der Übermacht sehr achtbar geschlagen, seine Würde gewahrt und sich als
kluger Kopf erwiesen hat; wenn er vom Sender verlangt, die nächste
Talkshow-Runde ausgewogener zu bestücken; wenn er überdies eine Änderung
seines Wahlverhaltens zumindest in Erwägung zieht, dann erscheint der
Sieg zwar noch immer nicht groß, aber ein bißchen weniger klein. Thorsten Hinz
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