Fiele es der russischen Marine ein, im Golf von
Mexico regelmäßig Kriegsschiffe patrouillieren zu lassen, so wäre ein
aufgeregtes Geschrei seitens der USA und der ganzen Nato die geringste
Reaktion. Wenn umgekehrt die Nato und allen voran die USA ständig ganze
Flottillen ins Schwarze Meer senden, so gilt das als Normalität.
Während in der öffentlichen Darstellung des Nato-Gipfels in Warschau die Verlegung von vier Bataillonen in die baltischen Länder und nach Polen im Vordergrund stand, wurde um die strategische Lage im Schwarzen Meer hörbares Stillschweigen gewahrt. Es schien, als habe man sich bemüht, den Eindruck zu erwecken, Russlands maritime Südgrenze existiere gar nicht.
Doch das ist natürlich Unsinn. Denn noch drei Wochen zuvor hatte der Nato-Generalsekretär Stoltenberg in Brüssel erklärt: „Wir beobachten die Situation im Schwarzen Meer ständig und stocken unsere militärischen Möglichkeiten und Kapazitäten für Aufklärung und für die Verlegung von Verstärkungstruppen in diese Region auf.“
Eines der jüngeren Beispiele: Am 6. Juni passierte der US-amerikanische Zerstörer der „Arleigh Burke“-Klasse „Porter“ den Bosporus. Diese Zerstörer sind mit je zwei „Aegis“-Raketen-Komplexen ausgestattet, die zum Modernsten gehören, was die USA aufbieten können. Außerdem haben sie die Möglichkeit, bis zu 56 „Tomahawk“-Marschflugkörper zu laden, die mit Kernsprengköpfen bestückt werden können. Ein „Seahawk“-Hubschrauber vervollständigt das Arsenal, die Besatzung beträgt pro Schiff 337 Mann.
Da es sich bei der „Porter“ um keinen Einzelfall handelt, sondern US-Kriegsschiffe sich regelmäßig im Schwarzen Meer aufhalten, liegt der Verdacht nahe, die Nato werde dort eine ständige Flotte stationieren. In russischen Medien wurde bereits auf eine solche Möglichkeit hingewiesen. Ein russischer Militär-Experte sagte dazu: „Man darf nicht vergessen: Sobald ein Kriegsschiff ins Schwarze Meer kommt, rückt es sofort ins Visier der zuständigen Kontrollmittel. Russland hat Raketen zur Küstenverteidigung sowie weitere Raketensysteme, mit denen Ziele überall im Schwarzen Meer getroffen werden können.“
Hier ist sozusagen in Zeitlupe zu sehen, wie das offensive Verhalten der Nato eine Reaktion Russlands herausfordert und sich somit die Situation aufschaukelt.
Dies ist umso bedenklicher, als die Nato mit ihrer Taktik gegen geltendes Völkerrecht verstößt, nämlich gegen den Vertrag von Montreux von 1936, der die Schifffahrt im und um das Schwarze Meer regelt. In diesem Zusammenhang gelten für Kriegsschiffe eigene Regeln. Herrscht Friede, so muss der Türkei die Durchfahrt eines Kriegsschiffes auf diplomatischem Wege im Vorhinein angekündigt werden. Kriegsschiffe von Staaten, die nicht Anrainer des Schwarzen Meeres sind, dürfen sich dort nicht länger als 21 Tage aufhalten.
Ebenso ist die Tonnage begrenzt, was aber heute nicht mehr den Sinn von ehedem erfüllt, denn heute können leichtere Schiffe mehr Kampfkraft entwickeln als schwere vor 80 Jahren.
Wie auch immer, die USA kümmern sich nicht um die Tonnage-Begrenzung des Vertrags von Montreux, und was die Dauer des Aufenthalts angeht, so verhalten sie sich ganz ähnlich wie bei ihren Landstreitkräften im Baltikum. Nach der Nato-Russland-Akte ist es der Nato untersagt, dort dauerhaft Truppen zu stationieren. Deshalb hat die Nato eine Rotation eingeführt und behauptet, damit würde eine dauerhafte Stationierung vermieden. Nach dieser Logik entstünde jedes Mal eine neue Rechtslage, wenn ein GI eine Woche Urlaub nimmt und heimfährt. Die USA jedenfalls passieren mit ihren Kriegsschiffen den Bosporus nach Belieben und erklären, sie hielten so die 21-Tage-Frist des Vertrags ein.
Das aber, was die Bestimmung bezweckte, dass nämlich nicht pausenlos fremde Kriegsschiffe im Schwarzen Meer sind, wird umgangen.
Nicht allen Nato-Mitgliedern der Region kommt das entgegen. Bulgariens Premier Boiko Borissow nahm einen Besuch seines rumänischen Kollegen Klaus Johannis Anfang Juli zum Anlass, sich gegen die übergroße Präsenz von Nato-Kriegsschiffen im Schwarzen Meer zu wenden. „Ich brauche keinen Krieg mit Russland!“, erklärte er und setzte hinzu: „Ich sage immer, ich will im Schwarzen Meer Segelboote, Jachten, große Boote mit Touristen sehen und nicht, dass es zur Arena für militärische Konfrontationen wird.“
Bereits zwei Wochen zuvor hatte Borissow seine Haltung klargemacht: „Unser Land wird nicht Teil einer Schwarzmeer-Flotte werden, die gegen Russland ausgerichtet ist. Kriegsschiffe als Flotte gegen Russland zu entsenden, überschreitet die Grenze dessen, was ich erlauben kann. Es ist inakzeptabel, Zerstörer oder Flugzeugträger in der Nähe der (bulgarischen) Resort-Städte Burgas und Varna zu stationieren.«
Ganz anders die Ukraine. Deren Verteidigungsminister Stepan Poltorak verhandelt mit der Nato über die Möglichkeit, dass sein Land an der Verstärkung ihrer Flotte im Schwarzen Meer teilnehmen könne. Große Veränderungen träten dadurch nicht ein, denn die Nato gewährt der Ukraine jetzt schon so etwas wie den Status eines assoziierten Bündnispartners. Poltorak stellt denn auch fest: „In der Praxis nehmen wir an den meisten Operationen der Allianz teil, wir beteiligen uns am Funktionsablauf der anderen Operationen unter der Schirmherrschaft der Allianz.“ Wenn, wie es geplant ist, die Nato eine Schwarzmeer-Gruppierung Rumäniens, Bulgariens und der Türkei ins Leben rufen sollte, so sei Kiew bereit, sich dieser anzuschließen. Das wäre für die Ukraine eine komfortable Hintertür für den Beitritt zum Bündnis. Ein großer Marine-Stützpunkt in Rumänien ist jedenfalls schon geplant. Florian Stumfall
Größere Sorgen als die amerikanische Bereitschaft "gegen geltendes Völkerrecht" zu verstoßen, bereitet mir die Tatsache, dass die Türkei Teil der NATO ist.
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