Nicht nur die Europäer empfinden ihren Kontinent als zunehmend
unsicheres Pflaster. Sich häufende Terroranschläge, Krisen und die
zunehmende Überfremdung der Innenstädte bewirken einen verheerenden
Bruch in der Wahrnehmung Europas in der übrigen Welt. Die Zeiten, als
Schloss Windsor, der Louvre und Neuschwanstein das Image des Kontinents
prägten – Sinnbilder einer zivilisatorisch hochstehenden, glänzend
organisierten und wohlhabenden Weltregion –, sind ein für alle Mal
vorbei.
In dieser Woche hat die Lufthansa eine offizielle Gewinnwarnung
herausgegeben. Das sogenannte bereinigte Ebit – der um Sondereffekte
bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern – wird den Vorjahreswert von
1,8 Milliarden Euro heuer nicht erreichen. Vorstandschef Carsten Spohr
macht dafür vor allem die rückläufigen Vorausbuchungen auf den
Langstreckenverbindungen nach Europa verantwortlich. Auf Deutsch: Die
reichen Besucher aus Asien und den beiden Amerikas, die den Löwenanteil
des interkontinentalen Tourismus stellen, kommen nicht mehr in gewohnter
Zahl. Wobei man davon ausgehen darf, daß Air France und die anderen
europäischen Fluggesellschaften in ähnlicher Lage sind.
Daß sich Veränderungen in einem vergleichsweise kleinen Kundensegment
in einem solchen Maß auf das Lufthansa-Ergebnis durchschlagen, zeigt
auch, wie ausgelutscht die Margen im Massengeschäft – Tourismus und
Business – sind. Im innereuropäischen Flugverkehr ist schon lange kein
Blumentopf mehr zu holen. Jedenfalls seit die profitable Businessklasse
sogar von Geschäftsreisenden zunehmend gemieden wird. Da auch die
Transatlantikflüge nicht eben profitträchtig sind, hängt der
Lufthansagewinn inzwischen überdurchschnittlich an den
Individualreisenden und Besuchergruppen aus Asien.
Daß jetzt ausgerechnet eine chinesische Familie Opfer eins IS-Anhängers wurde, der in einem Regionalzug bei Würzburg mit Axt und Messer auf seine Mitreisenden losging,
hat im Reich der Mitte für Aufsehen gesorgt. Es wird richtig sein, dass
der Angriff jeden Beliebigen hätte treffen können, doch das ändert
wenig an der Wahrnehmung in China selbst. Dort interpretiert man den
Anschlag als Beleg für die Gefahr, der Chinesen bei uns heute ausgesetzt
sind. 578.000 chinesische Touristen wurden ursprünglich 2016 in
Deutschland erwartet, fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Bei rund 660
Euro, die durchschnittlich jeder von ihnen – zusätzlich zu Transport
und Logis – pro Reise in Europa lässt, läppert sich da einiges zusammen.
Nach den jüngsten Ereignissen dürften es am Ende einige Tausend oder
gar Zehntausend Touristen weniger werden.
Die vielgelobten Mittelschichten mögen unerläßlich sein für die
gesellschaftliche und politische Stabilität. Die teuren Hotels,
Restaurants und Luxusmarken von Neapel bis Stockholm, die das
europäische Image in der Welt ganz entscheidend mitprägen, ernähren sie
jedoch nur zum Teil. Ohne Besucher aus fernen Ländern und Kontinenten
wären ganze europäische Industrien, die Millionen beschäftigen, nicht
überlebensfähig.
Wenn heute schon russische Reisende, die Europa vor 1990 gar nicht
gekannt haben, beklagen, dass „Paris nicht mehr Paris“ und „Brüssel
nicht mehr Brüssel“ seien, sollte uns das eine Warnung sein. Nicht nur
viele Europäer fühlen sich immer fremder im eigenen Land. Auch Besucher
aus anderen Kontinenten sagen inzwischen offen, daß dieses Europa nicht
mehr das ihre ist. JF
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