Ein letzter Mohikaner, Ulrich Sauer aus Karlsruhe, CDU-Mitglied seit
1960, hat auf der Regionalkonferenz in Heidelberg der Kanzlerin das
Nötige ins Gesicht gesagt: „Frau Bundeskanzlerin, treten Sie zurück!“.
Mit ihrer Flüchtlingspolitik habe Merkel dem Land eine Hypothek
aufgeladen, die es so schnell nicht wieder los werde – „und wenn, dann
sicher nicht mit Ihnen.“
Solche Sätze gehörten der Machtbrünstigen täglich um die Ohren
gehauen: von den Parteigranden, der Bundestagsfraktion, der Opposition,
der Presse. Doch die Parteiregie hatte vorgesorgt. Als nächster wurde
ein Flüchtlingshelfer auf die Bühne gerufen, der einen kleinen
afghanischen Jungen an der Hand hielt, der sich bei Merkel auf deutsch
bedankte und vor Aufregung in Tränen ausbrach. Da hatten die Fotografen
was Hübsches zu knipsen und die Journalisten was Schönes zu berichten.
Die Politik wurde in Sentimentalität aufgelöst und mit moralischem
Lustgewinn entsorgt.
Sie hört deswegen aber nicht auf. Der türkische Präsident Erdoğan
kommentierte die – aktuell unkluge, strategisch richtige – Entschließung
des Europaparlaments, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
auszusetzen, daß er die „Tore aufmachen“ und Europa „mit Flüchtlingen
fluten“ könnte. Das könnte er in der Tat. Die Türken müßten dazu das
Flüchtlingsabkommen gar nicht kündigen. Eine geheime Anweisung an die
Küstenwachen, wegzuschauen oder die Öffnung der Landgrenze nach
Bulgarien würde genügen. Ganz unabhängig davon, ob Ankara noch ernsthaft
an einer EU-Mitgliedschaft interessiert ist, hält es an der Forderung
nach Visafreiheit für Türken unnachgiebig fest.
Merkel hat mit der Grenzöffnung, der faktischen Aufhebung des
Dublin-Abkommens, mit der Erklärung, es gebe weder Obergrenzen noch
einen effektiven Grenzschutz und mit ihren törichten Flüchtlingsselfies,
die bis tief nach Afrika als Einladung verstanden wurden, die Vorlage
für die Erpreßbarkeit Deutschlands und Europas gegeben.
Der Politikwissenschaftler Lothar Fritze schreibt im aktuellen Buch
„Der böse gute Wille“, man könne ein Problem nicht lösen, „indem man
Signale aussendet und Anreize schafft, die dieses Problem zum eigenen
Nachteil massiv vergrößern und die Bereitschaft derer, die sich (…) an
einer Lösung beteiligen sollen, senkt“. Das habe zu einer
„asymmetrischen Abhängigkeit“ im deutsch-türkischen Verhältnis geführt.
Hier müßte eine substantielle Debatte über Merkel einsetzen. Aber wer
soll sie führen? Statt selbständig denkender Außenpolitiker verfügt die
Bundesrepublik über gläubige Transatlantiker, denen mit der Trump-Wahl
auch noch ihr Kompaß abhanden gekommen ist. So bleibt Merkel
unwidersprochen Kanzlerin und der Mohikaner in der CDU bloß ein Fossil. Thorsten Hinz
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.