Freitag, 1. Juli 2016
3 Hähne gegen 1 Henne
Es ist fast genau ein Jahr her, dass sich von der Alternative für Deutschland (AfD) auf deren turbulentem Essener Parteitag die heutige Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) de facto abspaltete. Nach spektakulären Wahlerfolgen steckt die AfD nun erneut in einer schweren Krise.
Um inhaltliche Dinge geht es dabei eher weniger. Vor einigen Tagen trafen sich der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen sowie die Fraktionsvorsitzenden von Brandenburg und Thüringen, Alexander Gauland und Björn Höcke, in Berlin mit ausgewählten Hauptstadtjournalisten. Ziel des Hintergrundgesprächs war es, die Spitzenkandidatur der Parteichefin Frauke Petry zur Bundestagswahl zu verhindern. Das Problem solcher Gespräche ist traditionell, dass immer etwas durchsickert. So auch diesmal.
Frauke Petry konterte umgehend und kühl und schaltete sich in die Belange der Stuttgarter Landtagsfraktion ein, der Meuthen vorsteht. Dort forderte der zum wirtschaftsliberalen Flügel gehörende Hochschullehrer den Ausschluss des umstrittenen Abgeordneten Wolfgang Gedeon, der sich in verschiedenen Schriften antisemitisch geäußert haben soll. Die Sache wurde mit einem Kompromiss geregelt, der auch parteiintern als „faul“ gilt. Drei unabhängige Gutachter sollen die Ausführungen Gedeons prüfen; im September soll dann noch einmal abgestimmt werden.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, legte dem Vorsitzenden daraufhin den Rücktritt nahe. Wenn Meuthen die Gesinnung Gedeons, die innerhalb seiner Fraktion offenbar unterstützt werde, nicht teile, „ist er entweder in der falschen Partei oder als Fraktionschef erbärmlich machtlos“, sagte Knobloch dem „Handelsblatt“. „In beiden Fällen sollte er in sich gehen und über Konsequenzen nachdenken.“ Meuthen, der sein politisches Schicksal zuvor mit der Person Gedeons verknüpft hatte, sieht derzeit für einen solchen Schritt allerdings keinen Grund. Unterstützt wird er darin von Björn Höcke, dem einflussreichen Frontmann der Parteirechten.
Vor diesem Hintergrund sagte der Soziologe Alexander HäuslerAlexander Häusler im Deutschlandfunk, der Antisemitismus-Streit in der AfD sei kein wirklicher Antisemitismus-Streit gewesen. Und weiter: „Es wurde weder ein klares Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt, noch hat man sich inhaltlich damit auseinandergesetzt.“ Vielmehr sei es ein Ausdruck eines internen Machtkampfes in dieser „rechts-populistischen“ Partei. Der Konflikt um den Antisemitismus sei aufgeschoben worden, aber nicht aufgehoben, so Häusler. Parteichefin Petry hatte zuvor spitz erklärt, sie persönlich dulde keinen Antisemitismus, und Meuthen vorgeworfen, er habe die Sache nicht zeitnah klären können.
Innerhalb des Bundesvorstands gilt das Klima seit Wochen als ausgesprochen eisig. Das Tischtuch zwischen Petry und Meuthen scheint zerschnitten, auch Gauland und Beatrix von Storch sollen erhebliche Probleme mit der Sächsin haben. Dabei waren sie vor einem Jahr noch Seit’ an Seit’ marschiert, als es darum ging, den Machtkampf mit Parteigründer Bernd Lucke zu gewinnen. Doch dieses Zweckbündnis ist zerbrochen.
Petry wird vor allem ihre Liebesbeziehung zum nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Marcus Pretzell vorgeworfen. Der, so heißt es, sei quasi Mitglied des Parteivorstands ohne Mandat, Petry sei lediglich sein verlängerter Arm. Die Wandlungsfähigkeit des Bielefelder Juristen verblüfft selbst hartgesottene Berufspolitiker. Im Europaparlament gehört er mittlerweile der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) um den französischen Front National (FN) an, während er in seinem Heimatverband ein Mitglied ausschloss, weil es im Aachener Stadtrat eine Koalition mit einem ehemaligen Mitglied der Bürgerbewegung pro Nordrhein-Westfalen einging, obwohl diese ebenfalls über gute Kontakte nicht nur zur Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) sondern auch zum FN verfügt. „Pretzell schadet der Partei“, kritisierte die dem rechten Flügel der AfD zuzurechnende Patriotische Plattform.
Doch während zahlreiche etablierte Medien von einem dauerhaften Rechtsruck sprechen, ist die Stimmung tatsächlich gespalten. André Poggenburg, Fraktionschef in Sachsen-Anhalt und Wortführer des rechten Flügels, sah sich in der vergangenen Woche plötzlich einem Putsch aus den eigenen Reihen ausgesetzt. Mehr als zwei Drittel seiner Fraktion stellten sich gegen ihn. Zudem forderten fast alle Kreisvorsitzenden eine „Ende der politischen Provokationen“ und eine „Rückkehr zur Sachpolitik“. Dass die Patriotische Plattform eine Zusammenarbeit mit der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung angestrebt hatte, brachte das Fass zum Überlaufen. Poggenburg soll nun von seiner Fraktion als Vizepräsident des Landtags nominiert werden. Als solcher wäre er zur Neutralität verpflichtet. „Die AfD stellt Poggenburg kalt“, stichelte der „Spiegel“. Auch in Sachsen-Anhalt geht es weniger um Inhalte als um materielle Ziele. Poggenburg, dem seine Mitstreiter Faulheit und Führungsschwäche vorwerfen, hatte unlängst im internen Kreis davon gesprochen, im kommenden Jahr für den Bundestag kandidieren zu wollen. Auch Frauke Petry und Björn Höcke sollen solche Ambitionen hegen. Jörg Meuthen sieht dies kritisch: „Wir sind in den Ländern auch wegen der personellen Konstellationen gewählt worden. Wir sollten nicht die Köpfe permanent austauschen.“ Peter Entinger
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