Zum fünften Jahrestag der Unabhängigkeit Südsudans
kommt es am 9. Juli 2016 in der Hauptstadt Juba zu Schießereien mit
hunderten von Opfern. Krieger des Vizepräsidenten vom Stamm der Nuer
geraten mit Dinka-Kämpfern des Präsidenten aneinander.
Von daher ist
verständlich, wenn fast alle Fachleute ethnische Rivalitäten als Ursache
für das unfeierliche Gebaren ausmachen. Gelegentlich wird als
Alternative für diese biologistische Deutung eine aktuelle Dürre oder
gar der Klimawandel als solcher für die Erklärung der Unruhen
herangezogen.
Bei 34 Kernethnien mit 44 Nebenstämmen mag unmittelbar einleuchten,
dass Gruppenegoismen zu Neid und irgendwann auch zu Blutvergießen
führen. Da diese multikulturelle Vielfalt die Region zwischen Äthiopien
und Zentralafrikanischer Republik aber schon seit Menschengedenken
prägt, kann sie allein die Not und das Schießen nicht erklären. Sind
weitere Treibsätze hinter der Gewalt denkbar?
Kaum Beachtung findet in den Glückwünschen und Ermahnungen die
Bevölkerungsentwicklung der Nation mit dem goldenen Fünfzackstern in der
schwarz-rot-grünen Trikolore.
Von rund 2 Millionen Einwohnern im Jahre
1945 springt sie auf knapp 13 Millionen im Jahre 2015. Im Jahre 2050
sollen 27 Millionen erreicht sein.
Hätte Deutschland dieselbe Dynamik
entfaltet, stände es – nach 70 Millionen 1945 – heute nicht bei 81,
sondern bei rund 450 und 2050 sogar bei 945 Millionen Menschen. Statt
eines schon recht gebrechlichen Durchschnittsalters von knapp 47 Jahren
genösse man vitale, womöglich aber auch zornige 17 Jahre.
Nun kann man die noch ganz besitzgeprägten Afrikaner nicht mit
Ländern vergleichen, die Ökonomie treiben können und müssen, weil sie
lange schon auf Eigentumsstrukturen für das Besichern von Kredit und
Geld fußen. Weil der Südsudan beim Rechtssystem für das Wirtschaften
erst ganz am Anfang steht, kann nicht überraschen, dass er 2015 bei der
Leichtigkeit für das Gründen von Firmen auf dem 187. Platz endet.
Doch auch hochentwickelte Ökonomien würden sich schwer tun mit Südsudans Kriegsindex
von 5. (Er misst die Relation zwischen 15-19-jährigen Jünglingen, die
in den Lebenskampf eintreten, und 55-59-jährigen Männern, die der Rente
nahe sind). Auf 1000 ältere Männer im Alter von 55-59 Jahren, die sich
dem Ruhestand nähern, folgen 5000 junge Männer im Alter von 15-19
Jahren, die in den Lebenskampf eintreten. Im besten Fall rangeln fünf
Ehrgeizige um einen Posten.
In Deutschland liegt dieser Index bei 0.66.
Auf 1000 Alte folgen nur 660 Junge. Haben die etwas gelernt, sind ihnen
Karrieren sicher. Und selbst den Pechvögeln winken Transferzahlungen von
den Erfolgreichen.
Im Südsudan dagegen haben selbst viele der Besten keinerlei Aussicht
auf solche Optionen. Beim Herstellen eines Gleichgewichts zwischen
Ambitionen und Positionen wird deshalb immer wieder auch das Beseitigen
von Konkurrenten eingesetzt und mit dem Hinweis auf Treulosigkeit,
Raffgier oder ähnliche Sünden auch gehörig gerechtfertigt. Bis
ökonomische Rahmenbedingungen geschaffen und die Geburtentraten von 5-6
auf 2-3 Kinder pro Frauenleben herunter sind, bieten Auswanderung oder
Asyl die größte Hoffnung für den Nachwuchs der 78 Stämme. Wer immer
ihnen Willkommenskultur offeriert, kann Millionen zu sich locken. Gunnar Heinsohn
Frauenschicksal
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