Das Sinken von Brasiliens Bruttoinlandsprodukt um knapp 4 Prozent im
Jahre 2015 und weitere knapp 6 Prozent bis Mitte 2016 wird mit dem
Rückgang der Rohstoffpreise, der endemischen Korruption, der Aufblähung
konsumtiver Staatsausgaben sowie mangelnder Sparsamkeit währen der
Hochkonjunktur erklärt.
Dilma Rousseff identifiziert die „politische
Krise“ (Time, 8.8. 2016), durch ihren unfreiwilligen Rücktritt
vom 2. Dezember 2015 als zusätzlichen Treiber der Arbeitslosigkeit von
6,2 Prozent Dezember 2013 auf 11,3 Prozent im Juni 2016. Siehe hier und hier. Auch das Senken der Monatslöhne um 4 Prozent seit Anfang 2015 auf durchschnittlich 1,962 Reais (US-$ 547) kann die Entlassungen kaum stoppen.
Wenn Firmen um ihr Überleben kämpfen, sind korrupte Beamte, instabile
Verhältnisse und staatliche Verschwender zwar unerfreulich, aber fürs
Geschäft zählen vor allem Innovationen gegenüber der globalen
Konkurrenz. Die findet sich vor allem in China. Sein Prokopfeinkommen
macht 1980 nur ein Viertel des brasilianischen aus. 2015 hat es den 1:4-Rückstand aufgeholt,
obwohl die Lateinamerikaner zwischen 1980 und 2013 ihre Leistung
immerhin versechsfachen, 2015 allerdings nur noch um den Faktor 4 über
1980 liegen.
Was macht Peking anders?
Da es doch nicht durch weniger Korruption
nach vorne kommt, muss es wichtigere Faktoren geben. Auskunft darüber
gibt etwa das US-Patentamt, das potentielle Neuerungen erbarmungsloser
prüft als die Institute anderer Länder. 2002 akzeptiert es 390
chinesische, aber lediglich 112 brasilianische Patente. 2015 steht es
9004:381 für China. 210 Millionen Brasilianer (davon 110 Millionen
Erwerbstätige) liegen ungefähr gleichauf mit 4,5 Millionen Neuseeländern
(2,5 Millionen Erwerbstätige mit 352 Patenten). Selbst Europas
Sorgenkinder – gut 10 Millionen Portugiesen und knapp 11 Millionen
Griechen – wachsen mit 12 auf 67 bzw. 22 auf 77 Patente deutlich schneller als die Latinos. Von der Menge her bleibt auch das natürlich vollkommen hoffnungslos.
Als Brasilianer ihre Industrie 1980 optimistisch weiter ausbauen und
dafür 2001 mit dem BRIC-Siegel belohnt werden, beginnt China gerade
seine ersten Schritte in die Eigentumsökonomie, die permanentes Wachstum
benötigt, um die Zinsen aufs Geld zu erwirtschaften.
Doch warum bleibt
man in Südamerika in einem mittleren technischen Niveau stecken und
ächzt unter einer verrottenden oder von vornherein fehlenden
Infrastruktur, während China bei der Hightech angelangt ist?
Weil Brasilien ein solcher Durchbruch in den vergangenen 15 Jahren
nicht gelingt und gleichzeitig seine mediokre Industrie
niederkonkurriert wird, muss es solange abrutschen, bis es seine Talente
um ein Vielfaches vermehrt hat. Doch dafür spricht so gut wie nichts.
Unter Schanghais Schülern gibt es bei PISA 2012 unter 1000 Schülern
lediglich 38, die in Mathematik ungenügend abschneiden, während 554 mit
gut oder sehr gut brillieren. Brasilien hingegen hat unter 1000 Schülern
nur 8 (acht!) Mathekönner, aber 671 Abgeschlagene.
Immerhin geben 85 Prozent der Jugendlichen zu
Protokoll, in der Schule glücklich zu sein. Da aber auch die
Arbeitsplätze für fröhliche Schulabbrecher immer rarer werden, müssen
sie sich am Ende den Heerscharen globaler Migranten anschließen. Das
gilt auch für die knapp 60 Millionen Einwohner, die Brasilien bis 2050 hinzugewinnen will.
Macht es Sinn, solche allgemein zugänglichen Kompetenzbefunde aus den
Analysen herauszuhalten oder können sie dazu beitragen, sogar die
Schwierigkeiten viel stärkerer Spieler besser einzuschätzen? Immerhin
sollen auch die von den USA zwischen 1990 und 2007 verlorenen
Industriearbeitsplätze zu 44 Prozent auf das Konto chinesischer Importe
gehen. Unter 1000 PISA-Matheschülern erreichen bei der Weltmacht 88 gut
oder sehr gut, aber 258 landen mit Ungenügend im Abseits. Man steht
durchaus besser als Brasilien da, aber Schanghai liegt in der Spitze gut
sechsmal höher.
Nun mag die Metropole an der Jangtse-Mündung nicht repräsentativ sein. Macao oder Taiwan jedoch erlauben zuverlässige Vergleiche.
Dort scheitern 108 (Taiwan: 128) von 1000 Schülern, während 243
(Taiwan: 372) in Mathe glänzen. Auch dagegen bleibt Amerika – unter
welcher Regierung auch immer – prekär. Deutschland rangiert mit 177
Gescheiterten bei 175 Erfolgreichen zwischen beiden Lagern in einer
kurzzeitig noch passablen mittleren Liga. Hätte man Schweizer Werte –
124 unten, aber 214 oben – könnte man gelassener bleiben. Immerhin liegt
man vor Österreich (187 negativ, 143 positiv).
Wie sollte es für Brasilien jemals aufwärtsgehen, wenn selbst die USA
wanken? Noch verteidigen dort aschkenasische Überflieger wie Larry
Ellison (Oracle), Sergey Brin (Google) oder Mark Zuckerberg (Facebook)
den westlichen Technologievorsprung. Doch ohne ihre ostasiatischen
Mitarbeiter und, ja, Ehepartner steckten womöglich auch diese Giganten
schon in ihrer Spätphase.
Solche Verbindungen bewähren sich auch anderweitig: Als Team USA 2015 die Internationale Mathematik-Olympiade gegen den Dauersieger China gewinnt, stehen – zum Entsetzen weißer Rassisten – drei asiatische und zwei aschkenasische Rechenkünstler im US-Sechserteam. Dessen ungeachtet muss etwa Facebook eine raffinierte Single Platform-Kombination
aus Messaging, Videokonferenzen, Kaufabschlüssen, Bezahldiensten etc.
bei WeChat abkupfern, um den Anschluss nicht zu verlieren. Von Israels
Hightech-Firmen wie Playtika oder Toga Networks holen sich ebenfalls
chinesische Unternehmen, was ihnen – noch – als überlegen erscheint.
Gleichwohl bebildern Zhang Xiaolong – der Entwickler von WeChat
(2010) – oder seine 20-Millionen-Stadt Guangzhou nur selten hiesige
Gazetten. Und wer kennt schon die Namen von Xialolongs einheimischen
Wettbewerbern? Doch die jagen den erst 2011 gestarteten Marktführer –
Facebook blüht seit 2003 – so rastlos nach vorne, dass der Economist im August darüber spottet, wie „westliche Apps für chinesische Nutzer nur noch hoffnungslos veraltet wirken“. Gunnar Heinsohn
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