Stationen

Samstag, 27. August 2016

Der letzte Dreck

Manchmal sind es vermeintliche Kleinigkeiten, die Rückschlüsse auf das große Ganze zulassen. Nachdem es reichlich Kritik an einem in der Tagesschau und den Tagesthemen ausgestrahlten Beitrag zum Wassermangel im Westjordanland gegeben hatte, in dem der jüdische Staat in ein ganz schlechtes Licht gerückt worden war, ließ Markus Rosch, Autor des Films und Israel-Korrespondent der ARD, gemeinsam mit seiner Kollegin Susanne Glass eine Stellungnahme auf dem Blog des ARD-Studios Tel Aviv folgen.

Darin verteidigten sich Rosch und Glass und thematisierten zum Schluss auch eine von Gerd Buurmann auf seinem Blog verbreitete Äußerung der SPD-Bundestagsabgeordneten Michaela Engelmeier, die den Film auf Facebook mit ungewöhnlich scharfen Worten gerügt hatte. Das Zitat der Parlamentarierin sei für sie, so schrieben die beiden ARD-Leute, „derzeit nicht zu verifizieren“, denn es sei „nicht auf der Facebook-Seite der Politikerin wiederzufinden, die sich – wie dort zu lesen ist – offenbar gerade in Rio befindet“. Die naheliegende Idee, auch mal auf der Facebook-Seite der Tagesschau nachzusehen – wie Buurmann es getan hatte –, kam Rosch und Glass anscheinend nicht. Genau dort fand sich Engelmeiers Statement aber.
Man könnte das als Petitesse abtun, wäre es nicht so symptomatisch für den Unwillen zur Recherche, den man sowohl Roschs Beitrag als auch der Entgegnung des Studios in Tel Aviv auf die Kritik anmerkt. Was der gebührenfinanzierte Sender wider alle journalistischen Grundsätze versäumte, erledigten schließlich andere, allen voran der Nahostkorrespondent Ulrich Sahm (in zwei ausführlichen Texten), die Bild-Journalistin Antje Schippmann sowie Gerd Buurmann und Michaela Engelmeier. Sie prüften die Behauptungen der Familie Osman, die im Film gewissermaßen als Hauptbelastungszeugin herangezogen wurde, und des Hydrogeologen Clemens Messerschmid, der Markus Rosch als Experte diente. Sie recherchierten Zahlen und Fakten zur Wasserversorgung im Westjordanland, gingen den Ursachen für die Wasserknappheit nach, holten israelische Stimmen ein und forschten nach den Hintergründen von Messerschmid, der im ARD-Beitrag eher wie ein politischer Aktivist klang denn wie ein Fachmann.


Was sie herausfanden, gereicht der Tagesschau und den Tagesthemen zur Blamage. Schon die Aussage von Rosch und Glass, man habe wegen eines „hohen jüdischen Feiertags“ leider keine O-Töne israelischer Experten einholen können und schließlich „der Schnelligkeit den Vorrang gegeben“, mutet befremdlich an. Zum einen gab es in den drei Wochen vor der Ausstrahlung lediglich einen Fastentag, an dem Juden zwar keine Lederschuhe tragen und keinen Geschlechtsverkehr haben sollen, aber durchaus mit Journalisten sprechen dürfen. Zum anderen bestand bezüglich des Filmbeitrags ganz gewiss kein Anlass zur Hast – es handelte sich ja nicht um ein tagesaktuelles Thema, bei dem man notfalls auch ohne Äußerungen derjenigen Seite auskommt, die an den Pranger gestellt wird. „Wie kann seriöser, glaubhafter und unabhängiger Journalismus funktionieren, wenn man gründliche Recherche aus fragwürdigen Zeitgründen vernachlässigt?", fragt Michaela Engelmeier deshalb völlig zu Recht.

Auch hinsichtlich der im Tagesschau-Beitrag kolportierten Gründe für die Wasserknappheit in Salfit – jenem palästinensischen Dorf, in dem die Familie Osman lebt und Rosch mit seinem Team drehte – sind Zweifel angebracht. In dieser Ortschaft hatte es einige Wochen zuvor einen Bruch an einer Hauptversorgungsleitung gegeben, der – so berichtet es die koordinierende Regierungsbehörde Israels in den palästinensischen Gebieten (Cogat) – dadurch entstanden war, dass palästinensische Bewohner die Rohre zwecks Wasserentnahme angezapft und folgenreich beschädigt hatten. Die Versorgungsengpässe in Salfit – wie auch in den umliegenden israelischen Siedlungen – könnten also damit zusammenhängen. Markus Rosch und Susanne Glass schreiben dazu in ihrer Replik an die Kritiker, dass der Rohrbruch zum Zeitpunkt der Dreharbeiten als repariert „galt“. Zu recherchieren, ob das tatsächlich stimmt, hielten sie offenbar wiederum nicht für nötig.
Schließlich hatten sie dafür ja den deutschen Experten Clemens Messerschmid.

Der behauptet, den Palästinensern im Westjordanland mangele es an Wasser, weil die Israelis sie keine Brunnen bauen ließen, da sie das gesamte Grundwasser in der Westbank für sich selbst beanspruchten. Eine überaus heftige Anschuldigung, weshalb es spätestens an dieser Stelle geboten gewesen wäre, einen israelischen Fachmann vor die Kamera zu holen. Haim Gvirtzman beispielsweise, einen Professor für Hydrologie an der Hebrew University in Jerusalem, der zudem Mitglied im Council der israelischen Wasserbehörde und lange Jahre ein Berater des gemeinsamen israelisch-palästinensischen Wasserkomitees (JWC) war. Oder Uri Schor, den Sprecher der israelischen Wasserbehörde. Mit beiden hat dafür Antje Schippmann gesprochen, und was sie zu sagen hatten, widerspricht den Thesen Messerschmids fundamental. Hier geht es weiter.   Alex Feuerherdt

Pfui Deibel! Pfui Deibel!!

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