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Donnerstag, 18. August 2016

Il principe dei revisionisti



BERLINO - E’ morto all’età di 93 anni Ernst Nolte, il più controverso filosofo e storico tedesco, considerato tra i padri del revisionismo. Professore di storia contemporanea a Marburgo e alla Freie Universitaet di Berlino, nel 1986 scatenò il cosiddetto "Historikerstreit", una feroce discussione tra storici e filosofi tedeschi - uno dei suoi più agguerriti oppositori fu Juergen Habermas - con un articolo che sosteneva ci fosse una causalità tra i gulag sovietici e i campi di concentramento nazisti, in sostanza che i primi avessero provocato i secondi.

Lo sterminio dei nazisti ai danni soprattutto degli ebrei sarebbe stata una reazione, argomentò lo storico nato nel 1923 a Witten, dell'"assassinio di classe" da parte dei bolscevichi. Persino l'Olocausto andava letto come un’iperreazione alla Rivoluzione di ottobre, scrisse in un libro apparso l’anno successivo, intitolato "La guerra civile europea 1917-1945. Nazionalsocialismo e bolscevismo".

Le tesi di Nolte erano controverse sia per il loro accostamento tra regime comunista e nazista che sembravano relativizzare le atrocità di Hitler (fu contestato anche dal punto di vista metodologico e per un discutibile utilizzo delle fonti), sia perché fu il primo storico a giustificare, in sostanza, l’internamento degli ebrei come prigionieri di guerra, dopo il boicottaggio internazionale proclamato dagli ebrei britannici e americani nel 1933.

Negli anni successivi all'"Historikerstreit" Nolte fu contestato - anche fisicamente - in molte università e subì un isolamento crescente tra gli storici ma la ribellione contro le sue tesi non fece che radicalizzarle ulteriormente. Si oppose ad esempio all’inasprimento delle pene contro i negazionisti dell’Olocausto, sostenne che anche le attività dei partigiani bolscevichi fossero tra le cause dello sterminio nazista, cercò giustificazioni all’antisemitismo viscerale di Hitler. Quando la fondazione dei cristianodemocratici tedeschi, la Konrad-Adenauer-Stiftung, gli assegnò un premio, nel 2000, Angela Merkel, che era allora a capo del partito, si rifiutò di tenere la laudatio.   La Repubblica



Vor sechs Tagen ist Ernst Nolte gestorben, „il principe dei revisionisti“ (der Fürst der Revisionisten), wie „La Repubblica“ ihm nachruft, wobei eine solche Titulatur nur sinnvoll ist, wenn die Betonung auf „principe“ liegt – ein revisionistischer Historiker ist ja ein weißer Schimmel, Revision ist die erste Pflicht des Geschichtsbetrachters, und wer anderes behauptet, hat Interessen.
Nolte stach aus der Schar deutscher Nachkriegshistoriker vor allem deshalb hervor, weil er ein Geschichtsdenker und Gelehrter alten Schlags, vor allem aber ein freier Kopf war, der sich keiner Schule, keinem Klüngel, keiner Ideologie verpflichtet fühlte, sondern die historischen Phänomene nach bestem Wissen und Gewissen betrachtete und Verbindungen zwischen ihnen mehr herauszufinden denn herzustellen suchte. Außerdem war er angstfrei; der intellektuelle Terror, der seit dem sogenannten Historikerstreit 1986/87 über ihn hereinbrach, dieser peinlichen Lakaiendebatte mit a priori feststehendem Resultat, und mit seiner Ausstoßung aus der Zunft endete, hat ihn nicht beirren können, weiter seine Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen. Er war ein skurriler Spätling der abendländischen Metaphysik, der sich in den Gesinnungsbetrieb der westdeutschen Nachkriegs-Historiographie verirrt hatte, deren Zeloten im Besiegtsein und Gerlernthaben wetteiferten und sich von der geistigen Unabhängigkeit des „einsamen Wolfes“ (Walter Laqueur) in ihrem Selbstverständnis als Konsensvollstrecker der Vergangenheitsbewältigung herausgefordert fühlten. Nur wenige waren stolz genug, nicht ihr Stück Holz zum Scheiterhaufen beizusteuern, was den Erforscher der Nazipsyche immerhin amüsiert haben mag. Die Hetze ging so weit, dass man einen Mann, der sein halbes Leben der Frage widmete, warum Auschwitz möglich war, in die Nähe der Holocaust-Leugner rückte, und in Erinnerung bewahrt zu werden verdient, dass sich der Berliner Geschichtsprofessor Paul Nolte in offenbar habitueller Tendenzbefolgungsbeflissenheit öffentlich für die Namensverwandtschaft mit dem verfemten Kollegen zu schämen vorgab. Wofür sich zu schämen ihm noch ein paar Sündenjährchen Zeit bleiben.
Der philosophische Schriftsteller Frank Lisson hat übrigens eine treffende Charakterisierung des Unterschieds zwischen den beiden Noltes geliefert: „Der eine steht geistig über den Dingen, der andere mittendrin. Der eine denkt wesentlich, der andere praktisch. Der eine will abstrakt der ‚Wahrheit’ dienen, der andere konkret dem gesellschaftlichen Betrieb, der ihn trägt. Der eine ist tiefgründig, der andere schlau. Der eine ist alt und kantig, der andere jung und glatt. Der eine ist ‚umstritten’, der andere ‚gefragt’.“
Wie die Nolens-volens-Nachrufe in einigen über lange Jahre Scheiterhaufen-affinen Medien zeigen, scheint bis heute in einschlägigen ideologischen Zirkeln niemand zu bemerken, was für eine geistige (und übrigens auch moralische) Bankrotterklärung die Formel von der Singularität des Holocaust – und daran anschließend der Narrenvorwurf seiner „Relativierung“ – eigentlich bedeuten. Singulär ist jede Schneeflocke, und was wäre wohl das Gegenteil von „Relativieren“? Hat je ein Auschwitz-Überlebender geäußert, Workuta sei weniger schlimm gewesen? Allein mit diesem Begriff erklärt die Aufklärung ihren Bankrott und übergibt der Inquisition das Terrain.
Das beste Argument, das man gegen Nolte ins Feld führen kann, lässt sich in die Sentenz kleiden, dass bei einem Streit unter Historikern derjenige am meisten recht hat (wirklich recht hat ja nie einer), der für ein historisches Ereignis die meisten Ursachen anzubieten weiß. Nolte mag sich in eine tendenziell allzu monokausale Deutung der NS-Bewegung als Anti-Marxismus verrannt haben. Geistig befruchtend wirken seine Bücher allemal. Noltes Interpretation des Nationalsozialismus als – unter anderem – Widerstandsbewegung gegen das, was er als „Transzendenz“ bezeichnet, die Veränderung der Conditio humana durch den technischen und gesellschaftlichen Progress bis hin zum globalen Einheitsmenschen und zum womöglichen Verlassen des Planeten, ist geistreich und bedenkenswert. Seine zentrale These, dass die mörderische Energie der Nationalsozialisten ohne die bolschewistischen Vorgänger nicht zu verstehen sei, der berühmt-berüchtigte „kausale Nexus“ zwischen Gulag und Auschwitz, ist wiederum so originell nicht; es galt zumindest in der marxistisch-leninistischen Klippschule als Gemeinplatz, dass der „Faschismus“ als äußerste Reaktion der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft auf den Siegeszug des Kommunismus entstanden sei, Nolte hat diese These nur zugespitzt. Noch aus Himmlers Posener Rede spricht der Respekt des NS-Obervernichters angesichts des bolschewistischen Vernichtungswillens, und in Jonathan Littells Jahrhundertroman „Die Wohlgesinnten“ findet sich ein Dialog zwischen einem SS-Vernehmer und einem gefangenen sowjetischen Kommissar (Seite 548 bis 562), der sich wie angewandter Nolte oder eben wie stattgehabte Realität liest und in dem Satz des Kommunisten gipfelt: „Für mich ist der Nationalsozialismus eine Häresie des Marxismus.“ Nolte führt dem Leser als Wissenschaftler wie Littell als Romanautor die unglaubliche Energie vor Augen, die „Der europäische Bürgerkrieg“ (so der Titel von Noltes bestem und bleibendem Opus) freigesetzt und verschlungen hat, man ist wie erschlagen nach diesen Werken und beginnt zu begreifen, was dieser Kontinent an Kräften entfaltet und zugleich verloren hat und warum er heute sturmreif ist. Nolte wusste es. Noch im hohen Alter hat er sich der Erforschung der „dritten radikalen Widerstandsbewegung“ gegen das westliche liberale (oder liberalistische) System zugewandt, dem Islamismus.
Im irrlichternden Finale seines Buchs „Streitpunkte“ (1993) schrieb Nolte Sätze, die einem heute die untergründige Verwandtschaft zwischen den Nazis und den Dschihadisten verdeutlichen: „Was Hitler letzten Endes aufzuhalten und zu beseitigen versuchte, war der Prozess der ‚Intellektualisierung der Welt‘, das immer stärkere Hervortreten der ratio von Individuen und der damit verbundenen Komplizierungen, Undurchsichtigkeiten, ‚Unnatürlichkeiten‘, die nichts Geringeres als die Herrschaft der ‚grausamen Königin aller Weisheit‘, der Natur, und damit die Entfaltung des wahren Lebens kriegerischer Tapferkeit und weiblicher Fruchtbarkeit zerstören. Was Hitler im Interesse des ‚Lebens‘ zum Stehen und Abbrechen bringen wollte, indem er die angeblichen Urheber vernichtete, war nichts anderes als das Nicht-bloß-Lebensmäßige im Menschen, die Transzendenz, die im ‚Intellekt‘ ihre greifbarste Erscheinungsform hat und die den Menschen ins völlig Unbekannte und Undurchschaubare zu treiben vermag, vielleicht bis zum Verlassen der Erde und bis zur Alterslosigkeit. Hier erst darf möglicherweise vom ‚absoluten Bösen‘ gesprochen werden, welches das Wesen des Menschen verneint, indem es dessen herausragendsten Repräsentanten tötet. Kein ‚Intellektueller‘ kann daran zweifeln, wie er urteilen soll, da er in den Juden sein eigenstes Wesen verworfen sieht.“
Nolte wollte immer ergründen, warum Geschichte so und nicht anders geschehen ist, und dass er dabei nüchtern und neutral blieb und die üblichen Verurteilungsrituale für überflüssig hielt, lieferte seinen moralisierenden Kritikern die wohlfeile Gelegenheit, ihm „Verständnis“ vorzuwerfen, wo er nur zu verstehen suchte. Er blieb unbestechlich und irrtumsbereit, er lebte ausgestoßen, aber geistig unabhängig. Nie hat er jemanden denunziert. Und, nicht nur am Rande: Er konnte schreiben. Ruhe in Frieden, alter Wolf!

PS: Ich habe Nolte zweimal, 1995 und 1998, zum Interview getroffen; wer mag, kann es hier und hier nachlesen.  


Lieber Michael Klonovsky,
gestern schrieben Sie:
„Wie die Nolens-volens-Nachrufe in einigen über lange Jahre Scheiterhaufen-affinen Medien zeigen, scheint bis heute in einschlägigen ideologischen Zirkeln niemand zu bemerken, was für eine geistige (und übrigens auch moralische) Bankrotterklärung die Formel von der Singularität des Holocaust – und daran anschließend der Narrenvorwurf seiner "Relativierung" – eigentlich bedeuten. Singulär ist jede Schneeflocke, und was wäre wohl das Gegenteil von "Relativieren"? Hat je ein Auschwitz-Überlebender geäußert, Workuta sei weniger schlimm gewesen? Allein mit diesem Begriff erklärt die Aufklärung ihren Bankrott und übergibt der Inquisition das Terrain.“
Das ist einerseits eine gewagte Behauptung, obwohl sie kein Wagnis darstellt, insofern die allerletzten Auschwitz-Überlebenden gerade auf der Zielgeraden anlangen um wegzusterben und mit ihnen auch die Hartnäckigkeit und Heftigkeit, mit der ihre Söhne und Enkel daran festhalten, der gesamten Menschheit die Sonderstellung der Shoah in Herz und Hirn zu hämmern, verschwinden wird. Sie können sich ja mal mit Ruth Klüger und Marga Minco über dieses Thema unterhalten. Warum gerade mit den beiden? Meines Erachtens gehören die Bücher „Weiter leben“ und „Das bittere Kraut“ zu den wenigen herausragenden Büchern, die über Auschwitz geschrieben wurden. Und es wurde ja eine Unmenge über Auschwitz geschrieben. Interessant ist übrigens, dass ausgerechnet die beiden Damen, die diese beiden herrlichen Bücher geschrieben haben, noch zu einem Interview zur Verfügung stehen und noch nicht gestorben sind, weil sie die Shoah erlebten, als sie noch kleine Mädchen waren. Man ist versucht, hieraus zu schließen, dass man nur dann genügend Lebensenergie besitzen kann, um ein wertvolles Buch über die Shoah schreiben zu können, wenn man sie als Kind überlebte und sich das erlebte Grauen erst nachträglich erarbeiten musste und konnte (als Ausnahmen fallen mir nur Primo Levi und Paul Celan ein). Diejenigen, die die Shoah als Erwachsene erlebten, waren eigentlich reif für die Klapsmühle, schafften es aber dennoch, den Staat Israel aufzubauen und sogar Pianisten auszubilden. Wenn die meisten Zeugen, denen man einen Vergleich zwischen Workuta und Auschwitz abverlangen könnte, noch am Leben wären, wäre daher wohl zu erwarten, dass man sie damit überforderte. Im Hause des Henkers und des Gehängten spricht man nicht vom Strang. Aber nur im Hause des Henkers schielt man auf die Qualität der Stränge in anderen Häusern.

Andererseits haben Sie natürlich recht, was die geistige und moralische Verwüstung anbelangt, die sich von der Singularitätsformel ausgehend durch deutsche und europäische Seelen frisst. Das einzige Antidot besteht jedoch darin, die beiden Lagererfahrungen mit rechtschaffenem Ansinnen unter die Lupe zu nehmen. Wenn Sie Solschenitzins „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ lesen, werden Sie feststellen, dass zu dieser Lagererfahrung noch die Möglichkeit religiösen Trosts und der damit verbundenen Heiterkeit gehört. Die Beschreibung eines alten würdevollen Mannes, der manierlich seine Malzeit einnimmt, schafft ein ruhendes Bild, das in diesem Buch eine zentrale Bedeutung bekommt und Assoziationen weckt, die in uns das Festhalten an spartanischen (oder christlich asketischen) Tugenden wachrufen können. Nichts dergleichen ist in den Zeugenschaften über Auschwitz zu finden. Die besten Zeugenschaften über Auschwitz scheinen uns mitteilen zu wollen, dass gerade dieses ruhende, tröstliche Bild dort eben nicht möglich ist. Etty Hillesum ist geradezu das Gegenbeispiel: eine dem Grauen abgepresste Spiritualität, die nur denjenigen dient, die aus Auschwitz eine Art Lourdes machen wollen, weil dort das Antiwunder geschah. Es ist sentimentaler Götzendienst. Unjüdischer geht es eigentlich gar nicht.
Die Proportionen und der angemessene Vergleich der Proportionen sind sehr wichtig. Wir müssen Vergleiche anstellen - mit Pol Poth, mit dem Atombombenabwurf, mit Vietnam, mit dem Gulag, mit der Pest im 14. Jahrhundert - weil unsere Seele die Hände nach diesen anderen Erfahrungen des Entsetzlichen ausstreckt und eine morphologische Einordnung benötigt. Dass die Esel dann eine zerstörerische Singularitätsformel in Verbreitung bringen und Leute wie Claudia Roth und Heiko Maas oder Manuela Schwesig diese Formel gern wie einen Haftbefehl zücken, liegt offenbar in der Natur der Sache und ist kaum zu ändern.
Da, wo nie genug getan werden kann, um das Geschehene wieder gut zu machen, wird paradoxer Weise am Ende zuviel getan werden. Es ist ein echtes Dilemma. Wie sagte Heidegger so schön? Man kann Auschwitz nicht bewältigen, man kann es nur verwinden. Ich habe einmal versucht, dies dem Sohn eines Auschwitz-Überlebenden zu erklären, der in Italien einen jüdischen Verlag betreibt und sein Leben der Veröffentlichung von Büchern gewidmet hat (guten und schlechten, hauptsächlich schlechten fatalerweise), durch die die Singularitätsformel von den unterschiedlichsten Blickwinkeln ausgehend zur Anwendung kommt. Vergebliche Müh. Überhaupt werden Sie in Italien wohl kaum einen Juden finden, der es nicht als Selbstverständlichkeit ansieht, dass Workuta kalter Kaffee im Vergleich zu Auschwitz ist. Dass es in ihrem Entourage offenbar nicht so ist, wundert mich.

Was die literarischen Zeugnisse angeht, die in der Lage wären, Brücken zwischen den einzelnen Singularitäten zu schlagen, die nicht von der grauen Muse inspiriert sind, die mehr noch als in der Literatur in den bildenden Künsten und vor allem in der Musik unermesslichen Schaden angerichtet hat, fällt mir eigentlich nur Boccaccios Einleitung zu seinem „Dekameron“ ein, wo er die Pest beschreibt.
Deutsche und Juden sind siamesische Zwillinge, weil Dr. Mengele sie zusammengenäht hat. Ein derart spirituelles Haute-Couture-Ereignis fand in Workuta nicht statt.



Ihr ergebenster ***

PPS: Ein Leser moniert, ich lehnte mich mit der Suggestion, Auschwitz und Workuta seien gleich grässlich gewesen, recht weit aus dem Fenster; genau so meinte ich es aber nicht; ich bin nicht willens, mich an der Aufstellung von Ligatabellen des Grauens zu beteiligen, ich will allenfalls suggerieren, dass die eigentlichen Opfer – im Gegensatz zu interessegeleiteten Nachgeborenen – sich an dergleichen Rankings nicht zu beteiligen pflegten. Alle Opfer sind gleich, eben in ihrer Eigenschaft als Opfer. Punkt.  MK am 18. 8. 2016

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