Mithilfe von Leuchten untersuchen Wissenschaftler die Auswirkungen der
Lichtverschmutzung auf den Stechlinsee.
Wir
machen die Nacht zum Tag: Die künstliche Beleuchtung von Straßen,
Gebäuden und Industrieanlagen überlagert vielerorts den natürlichen
Wechsel von Tageslicht und Nachtdunkel. Mehr als 80 Prozent der
Weltbevölkerung kennt schon keine echte Dunkelheit mehr, weil sie unter
einem anomal hellen Nachthimmel lebt. Das aber hat Konsequenzen – vor
allem für die Tierwelt, deren innere Uhr durch das Kunstlicht
durcheinandergerät.
Um
herauszufinden, wie sich die Lichtverschmutzung auf Lebewesen in Seen
auswirkt, haben sich Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für
Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) auf die Suche nach einem
möglichst noch dunklen See in Deutschland gemacht. Denn sie wollten dort
in einem Freilandexperiment erforschen, wie nächtliches Störlicht die
Lebenswelt verändert und wie schnell dies geschieht.
Prinzipiell
schien den Forschern dabei der Stechlinsee im Norden Brandenburgs dafür
geeignet. Darauf deuteten Modellrechnungen hin, die auf nächtlichen
Satellitenaufnahmen aus den 1990er Jahren beruhten. Doch seit der Wende
hat sich in puncto Beleuchtung viel getan. Aus diesem Grund untersuchten
Andreas Jechow und Kollegen die Himmelshelligkeit über dem Stechlinsee
erneut. Statt sich auf Satellitenbilder zu stützen, arbeiteten sie
diesmal mit einem direkt auf dem See installierten Sensor.
Das
überraschende Ergebnis: Der Nachthimmel über dem Stechlinsee ist heute
noch nahezu so dunkel wie vor Einführung der elektrischen Beleuchtung.
Eine klare, mondlose Nacht ist dort tatsächlich noch stockdunkel. Der
See und das umliegende Gebiet gehören damit zu den dunkelsten Regionen
Deutschlands.
"Besonders überrascht hat
uns, dass trotz der Nähe zu Berlin die Himmelshelligkeit über dem
Stechlinsee durch Wolken sogar noch weiter herabgesetzt wird", sagt
Jechow. "Eigentlich ist das normal, trifft aber heute nur noch auf ganz
wenige Regionen der Welt zu." Denn in dunklen Gebieten verdecken die
Wolken die Sterne und den Mond und sorgen so für noch intensivere
Dunkelheit. Dort jedoch, wo nächtliche Beleuchtung Streulicht aussendet,
werfen die Wolken dieses Licht zurück und verstärken die Helligkeit
noch.
Damit
ist klar: Der Stechlinsee bietet beste Referenzbedingungen für das nun
beginnende Freilandexperiment. Der Versuch, an dem 60 Wissenschaftler
aus über zehn Ländern beteiligt sind, dauert bis Mitte Oktober und
findet am Seelabor, einer im Stechlinsee schwimmenden
Forschungsplattform, statt. Die Versuchsanlage besteht aus 24 Zylindern,
die Seebecken von jeweils neun Meter Durchmesser und zwanzig Meter
Tiefe einschließen. Über ein spezielles System mit LED-Leuchten wird das
diffuse Licht des Himmelsleuchtens im Seelabor simuliert.
Um
die Reaktionen im Ökosystem See zu verfolgen, werden die Forscher in
den nächsten Wochen am Tag und in der Nacht Proben nehmen und das
Verhalten von Schlüsselarten wie Wasserflöhen und Fischen mittels Video
und Sonar beobachten. "Die Effekte dieser Art von Lichtverschmutzung auf
das Ökosystem und die Biodiversität sind weitgehend unbekannt, könnten
aber erheblich sein", erklärt Projektleiter Mark Gessner vom IGB. Die
Ergebnisse des Versuchs versprechen daher sowohl neue Erkenntnisse zur
Wirkung nächtlicher Beleuchtung auf Seen als auch Hinweise, die für das
Gewässermanagement bedeutsam sind. natur
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