...Wird Ernst Jünger, dem die Hitlerleute zu links waren, jetzt die
neue Madonna, dachte ich im Taxi vom Park-Café nach Hause, oder wird es
eher Andreas Baader werden, über den es im Schumann’s und im Venezia inzwischen immer öfter hieß, er sei, bevor er anfing, mit Gudrun Ensslin
Bonnie & Clyde zu spielen, verdammt sexy und cool gewesen? Und
werden die kommenden Popstars, dachte ich beim Aufschließen der
Wohnungstür, eher links oder eher rechts sein? Als ich dann schon im
Bett lag und gerade das Licht ausmachen wollte, dachte ich auch noch:
Ist
Anything goes
vielleicht sogar nur ein anderes Wort für Nationalbolschewismus?
Nein, diese Frage an mich selbst habe ich natürlich erst in der
Erinnerung dazugedichtet.
Schnitt, Sommer 2016. Europa torkelt von einer Geldkrise in die nächste,
Hunderttausende Kriegsflüchtlinge wollen in Deutschland leben, damit sie nie wieder Angst vor
dem nächsten Morgen haben müssen. In Österreich wird fast ein Mann zum Präsidenten gewählt,
der wie Hindenburg regieren könnte und würde, und jetzt darf er es gleich noch mal versuchen.
Der türkische und der russische Präsident machen bei sich zu Hause und im Ausland Ärger, in
Ungarn lebt der Horthyismus wieder auf, in Frankreich der Petainismus, in Deutschland etwas,
wovon man noch nicht weiß, was es werden wird. Großbritannien verlässt die EU, aber vielleicht
auch nicht wirklich, und das macht die Sache noch viel komplizierter. Und der Islam hört
leider allmählich auf, Religion, Transzendenz, Lebenshilfe zu sein, und wird stattdessen zur
saladinhaften Kampfansage an den unislamischen, säkularen Westen, aber die vielen Muslime, die
das nicht gut finden, schweigen lieber oder drehen merkwürdige Rechtfertigungs-Pirouetten, um
nicht ihre eigenen Leute zu verraten.
In
anderen Worten: Zum ersten Mal seit 1945 ist das Leben der
Westeuropäer, der Deutschen wirklich gefährdet, jeden Moment – denken
sie, fürchten sie – kann das Goldene Zeitalter, in dem sie geboren
wurden und irgendwie immer noch leben, mit einer schrecklichen
Katastrophe enden. Und plötzlich sind die jähzornigen, idealistischen,
störrischen Ur- und Nach-68er wieder da, trotz der halbwegs
erfolgreichen Pop-Revolution, trotz der 89er-Implosion des
wissenschaftlichen und praktischen Kommunismus, und sie schreien so laut
und denken so wenig nach wie früher.
Vor allem wenn es um die gehetzten, entwurzelten,
tiefunglücklichen Kriegsflüchtlinge geht, die leider, so wie alle
Menschen, trotzdem nicht alle Engel sind, verlieren die neuen alten
Linken, als wären sie immer noch 17, die Nerven und den Sinn für die
Realität. Immer wieder vergleichen sie zu Propagandazwecken Iraker,
Syrer, Afghanen – so wie der Soziologe Harald Welzer
– mit den von den Nazis gejagten und fast vernichteten Juden, was
nichts anderes ist als die berühmte Auschwitzkeule, die zu schwingen sie
normalerweise den Juden vorwerfen. Und weil sie schon mal beim lässigen
Judenvergleich sind, erklären sie – so wie der
taz-Autor und verdiente Antizionist Daniel Bax –
generell jede Kritik am Neo-Islam zum neuen Antisemitismus, womit ganz
unmetaphorisch jede Frage nach den politischen und moralischen Folgen
einer Masseneinwanderung von über einer Million weltlichen wie auch
religiösen Nahost-Muslimen niedergebrüllt wird, die seit Generationen
lernen, dass alles Böse der Welt von den Juden kommt, weshalb sie auch
nicht über Nacht aufhören werden, diesen Gedanken zu denken.
Wie wäre wohl aber
der gute Teil Deutschlands nach dem Krieg geworden, wenn die Alliierten
den Deutschen ihren von den Nazis implantierten Judenhass gelassen und
sie nicht umerzogen hätten? Und warum sollen wir nicht dasselbe
wenigstens mit den Kindern der Neueinwanderer versuchen, damit die nicht
mit ihren Ideen die so leicht ansteckbaren Deutschen anstecken? Und
wieso, vor allem, sagt das keiner von denen, die angeblich nicht wollen,
dass sich das "Unvorstellbare" wiederholt?
Weil sie es sich insgeheim vielleicht doch wünschen?
Weil sie es sich insgeheim vielleicht doch wünschen?
Die größten Helden der neuen alten Linken, die sich übrigens in
der Regel überhaupt nicht für links halten, sondern für wahnsinnig
liberal und freiheitsliebend und sich darum gern hinter dem Etikett
Mitte-Links verstecken, heißen Slavoj Žižek, Yanis Varoufakis, Sahra Wagenknecht, Jakob Augstein und – als Special Guest aus Yankee-Land – Bernie Sanders,
der 1985 mit Daniel Ortega die nicaraguanische Revolutionsparade
abnahm, danach vergeblich versuchte, in Kuba Fidel Castro
kennenzulernen, und, weil das nicht klappte, in die Sowjetunion reiste,
um dort wenigstens ganz linientreu seine Frau zu heiraten.
Was für eine Galerie des kaum verhüllten neobolschewistischen Grauens! Žižek, reden wir jetzt kurz über ihn, ist der slowenische ADHS-Philosoph, von dem alle wissen, dass er einmal mit einem Model verheiratet war, während es sich offenbar noch immer nicht herumgesprochen hat, dass er hinter seinen scheinbar aufklärerischen Ideen und Volten wie ein guter Tschekist seine wahre Absicht verbirgt: die Wiederherstellung des Stalinismus-Leninismus in den ideologischen Grenzen von circa 1929. "Der Westen", schrieb Wladimir Iljitsch Žižek gerade erst in bester jesuitisch-marxistischer Manier im Spiegel, "praktiziert nicht nur Ausbeutung und Gewalt, sondern er ist in der Lage, diese brutale Wirklichkeit auch noch als das komplette Gegenteil zu präsentieren: als Freiheit, Gleichheit und Demokratie." Wirklich, verehrte Spiegel-Redakteure, das haben Sie gedruckt? Und wenn das Erschießungskommando des neuen NKWD kommt, werden Sie sich dann auch noch selbst Ihre Augenbinden umlegen?
Was für eine Galerie des kaum verhüllten neobolschewistischen Grauens! Žižek, reden wir jetzt kurz über ihn, ist der slowenische ADHS-Philosoph, von dem alle wissen, dass er einmal mit einem Model verheiratet war, während es sich offenbar noch immer nicht herumgesprochen hat, dass er hinter seinen scheinbar aufklärerischen Ideen und Volten wie ein guter Tschekist seine wahre Absicht verbirgt: die Wiederherstellung des Stalinismus-Leninismus in den ideologischen Grenzen von circa 1929. "Der Westen", schrieb Wladimir Iljitsch Žižek gerade erst in bester jesuitisch-marxistischer Manier im Spiegel, "praktiziert nicht nur Ausbeutung und Gewalt, sondern er ist in der Lage, diese brutale Wirklichkeit auch noch als das komplette Gegenteil zu präsentieren: als Freiheit, Gleichheit und Demokratie." Wirklich, verehrte Spiegel-Redakteure, das haben Sie gedruckt? Und wenn das Erschießungskommando des neuen NKWD kommt, werden Sie sich dann auch noch selbst Ihre Augenbinden umlegen?
Dass Yanis Varoufakis, der ehemalige griechische Finanzminister, ausgerechnet in der
Bild-Zeitung schreiben darf, hinter der deutschen
Griechenland-Rettung stecke in Wahrheit der "geheime Plan", Madrid, Rom
und Paris zu kontrollieren, ist vielleicht etwas weniger raffiniert und
perfide und zugleich der tausendunderste Versuch trauriger
Springer-Redakteure, der Welt zu beweisen, dass sie auch fortschrittlich
sein können. Trotzdem nervt es natürlich. So wie Sahra Wagenknechts
Talkshow-Dauerabo. Die Linke mit den Leonid-Breschnew-Gedenkaugenbrauen
darf ungefähr einmal in der Woche vor Millionen von Fernsehzuschauern
mehr oder weniger offen erklären, sie erhoffe sich von der Zerstörung
des Kapitalismus insofern eine neue soziale Gerechtigkeit, als dass es
dann – bis auf sie, Oskar Lafontaine und Walter Ulbricht – allen gleich
schlecht gehen würde, und dass das möglich ist, hat möglicherweise auch
damit zu tun, dass Talkshow-Redaktionen am liebsten dressierte Papageien
einladen und keine denkenden Menschen.
Nur über Jakob Augstein,
dessen Beliebtheit, so ähnlich wie bei einem AfD-Politiker, mit jeder
seiner judeophoben Kolumnen weiter steigt, statt zu fallen, müssen wir
hier eigentlich nicht länger reden, weil er, der so herrlich von oben
herab näselnde Wehrmachtoffiziers-Wiedergänger, wahrscheinlich ohnehin
bald ganz offen auf die andere Seite der Querfront wechseln wird. Doch,
natürlich müssen wir über ihn reden, denn keiner repräsentiert den
autoritären, populistischen, antiaufklärerischen Geist des
Mitte-links-Denkens so gut wie er, der Verteidiger von Mindestlohn,
Hamas und Putin.
Besonders interessant ist
es aber, wie gesagt, dass die neuen alten Linken sich überhaupt nicht
dessen bewusst sind, wie autoritär sie auftreten, denken und
formulieren, wenn sie sich, wie sie meinen, für eine bessere Welt
einsetzen, also etwa für die unendliche Aufnahme von Flüchtlingen, für
die Befreiung Griechenlands aus der Todesumarmung der Banken, für Vegetarier-Kantinen,
die Frauenquote und Transgender-Toiletten. Dass ihre herrische,
tagträumerische und somit völlig unpraktische Art, die Welt zu
betrachten, damit zu tun hat, dass sie von solchen linksdrehenden
Fanatikern und Tugendfetischisten wie dem jungen Winfried Kretschmann
und meinem alten Sozialkundelehrer erzogen und politisch sozialisiert
wurden, kommt ihnen schon gar nicht in den Sinn. Das ist sehr schade.
Denn wenn sie es endlich begriffen, würden sie vielleicht aufhören, so
wie einst ihre Lehrer mit dem Rest der Gesellschaft wie mit einem Haufen
ungebildeter, halbfaschistischer, zurückgebliebener, intoleranter
Dummköpfe zu reden – wodurch sie sie oft, zunächst kognitiv, dann
habituell, überhaupt erst dazu machen.
Man kann es auch den Nolte-Effekt nennen. Als 1986 der sehr seriöse und
sehr kluge deutsche Historiker Ernst Nolte, der sein halbes Leben lang die SPD gewählt hatte,
zunächst völlig unparteiisch die Frage stellte, welchen Zusammenhang es zwischen Stalinismus
und Nationalsozialismus gab und wie sich diese beiden Groß- und Todesideologien des 20.
Jahrhunderts gegenseitig bedingt haben, wurde er sofort als Nazi-Apologet und Neofaschist
beschimpft. Dass er genau das, aus Trotz und Enttäuschung, dann im Laufe der Jahre wirklich
wurde, war ziemlich menschlich und schwach von ihm – und zeigte, dass er vielleicht doch nicht
so klug war, wie man nach seinem großen ersten Buch
Der Faschismus in seiner Epoche
denken konnte.
Ja, ich weiß, das,
worauf ich hinauswill, ist nicht sehr originell. Aber offenbar fällt es
Menschen in komplizierten Zeiten besonders leicht, sich das Komplizierte
ganz einfach vorzustellen, damit es sie intellektuell und seelisch
weniger belastet. Wer aber wie die Ur- und Nach-68er, angetrieben vom
altmarxistischen Totalitätsanspruch und von seinem postmodernen Zwilling
Political Correctness, heute die Welt allein in Böse und Gut, Schwarz
und Weiß, Kapitalisten und Unterdrückte, Amerikaner und Opfer, Männer
und Frauen, waffenstarrende Israelis und unschuldige Palästinenser,
Troika und Griechenland, Islamfresser und arme Muslime,
Flüchtlingsfeinde und Flüchtlingsfreunde unterteilt, der macht nicht nur
– das ist dann der Nolte-Effekt – durch seinen herablassenden
volkspädagogischen Zorn die Schwachen und Dummen noch schwächer und
dümmer. Er denkt – Verzeihung, schon wieder so ein
Obi-Wan-Kenobi-Gedanke – lichtjahreweit an der Realität vorbei und
überlässt die Politik, die ja nichts anderes ist als der schlechte
Kompromiss im Namen des Guten, genau denen, die er von ihr fernhalten
will.
Unsentimentaler Utilitarismus ist natürlich etwas ganz anderes.
Unsentimentaler Utilitarismus ist natürlich etwas ganz anderes.
Ein Beispiel: Sollen
wirklich so viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen, bis hier das
ökonomische und moralische System zusammenbricht, bis sich die
passiv-aggressiven AfD-Provinzler
an die Macht wählen lassen können und dadurch genau die freie Welt, von
der sich die neuen Boatpeople und Geschundenen von Idomeni die Rettung
vor den Tyrannen des Nahen Ostens erhoffen, kaputtgeht? Darüber muss man
nachdenken und diskutieren – und dann ein bisschen etwas falsch und ein
bisschen etwas richtig machen, damit das Goldene Zeitalter weitergeht.
Das wäre aber natürlich viel klüger und komplizierter, als immer nur Horst Seehofer zum bayerischen Ku-Klux-Klan-Großmeister zu stilisieren, um sich so den endgültigen Abschied von den pubertären Idealen seiner maoistisch-leninistischen Jugend zu ersparen.
Das wäre aber natürlich viel klüger und komplizierter, als immer nur Horst Seehofer zum bayerischen Ku-Klux-Klan-Großmeister zu stilisieren, um sich so den endgültigen Abschied von den pubertären Idealen seiner maoistisch-leninistischen Jugend zu ersparen.
Und gleichzeitig – anderes Beispiel – reicht es natürlich auch
nicht, die Renaissance der aus dem 19. Jahrhundert stammenden
German Angst
vor dem Fremden und vor der Moderne zu ignorieren (so wie im
Fall des bürgerlichen Theaterlieblings Botho Strauß, des heimlichen
Vorbilds von Gauland, Kubitschek, Höcke) oder die Sehnsucht nach der
Wiederauferstehung des Gemütsdeutschen nur bei denen zu lokalisieren,
die man schon immer als bessergestellter Großstadtbewohner verachtet
hat. Als ob das die Langbehns und Houston Stewart Chamberlains von
heute, die zwischen AfD Thüringen und ZKM Karlsruhe die deutschen
Normalos gegen die nichtdeutschen Normalos aufhetzen, auch nur eine
Sekunde beeindrucken würde!
Als Erstes sollte sich deshalb jeder gute Deutsche fragen, wie sehr er in Wahrheit selbst ein Rassist ist, wie wenig er selbst es erträgt, wenn Türken, Juden oder Jugos seine geliebte, gewohnte kleine deutsche Kultur- und Politikwelt mit ihren Ideen und Eigenheiten beeinflussen und verändern. Dann sollte er genauso ehrlich mit seiner Nation sein und sich daran erinnern, dass sich in Deutschland schon immer die Ethnozentristen und die Kosmopoliten gegenüberstanden, also die Demokratiehasser und die Aufklärer, um zu verstehen, dass er selbst mit seinem zusehends national-bolschewistischen Anschlag auf dem Polit-Piano die Melodie der Rechten spielt, aber das hatten wir ja schon, siehe Augsteins Im Zweifel links-Kolumnen.
Als Erstes sollte sich deshalb jeder gute Deutsche fragen, wie sehr er in Wahrheit selbst ein Rassist ist, wie wenig er selbst es erträgt, wenn Türken, Juden oder Jugos seine geliebte, gewohnte kleine deutsche Kultur- und Politikwelt mit ihren Ideen und Eigenheiten beeinflussen und verändern. Dann sollte er genauso ehrlich mit seiner Nation sein und sich daran erinnern, dass sich in Deutschland schon immer die Ethnozentristen und die Kosmopoliten gegenüberstanden, also die Demokratiehasser und die Aufklärer, um zu verstehen, dass er selbst mit seinem zusehends national-bolschewistischen Anschlag auf dem Polit-Piano die Melodie der Rechten spielt, aber das hatten wir ja schon, siehe Augsteins Im Zweifel links-Kolumnen.
Nein, liebe und nicht
so liebe Mitte-links-Deutsche, man kann nicht mehr, wenn das Leben
gefährlich geworden ist, die Welt so anschauen, beschreiben und auf sie
reagieren wie ein verwöhnter, ahnungsloser Siebziger-Jahre-Jugendlicher,
der seine übermächtigen Eltern schockieren will. Und überhaupt sollte
man die Gegenwart niemals mit der Vergangenheit verwechseln, denn das
ist erstens einfach nur falsch, zweitens reaktionär, und drittens führt
Rückwärtsgewandtheit in der Politik meist zu sehr gegenwärtigen
Katastrophen.
Aber
vielleicht wollen die neuen alten Linken ja ganz bewusst nicht erwachsen
werden, weil mit der Erfindung des ewigen Beatniks und des
amerikanischen Unterhaltungskapitalismus sowieso niemand mehr im
westlichen Teil der Welt erwachsen sein will. Junkie-Jeans von Cheap
Monday, XS-Anzüge von Hedi Slimane, zweitausend Freunde auf Facebook und
ein Instagram-Profil wie Kim Kardashian – wer möchte da noch in
politischen Fragen so kalt und klug sein wie die großen, toten Greise Helmut Schmidt, Konrad Adenauer oder Ben Gurion?
"Sollte die Bundesrepublik nun wirklich noch jahrelang
ausschließlich über die Zukunft der Rente oder die nächste Verordnung
zur Wärmedämmung diskutieren?", fragte im Dezember 2015, als jeden Tag Zigtausende Unbekannte mit einer ihnen unbekannten Zukunft die Grenze nach Deutschland passierten, der
Spiegel-Autor und Redaktions-Gramsci Nils Minkmar.
Seine Wollt-ihr-den-totalen-Aufruhr-Frage war natürlich rhetorisch.
Nein, natürlich will ein Mann um die 50 nicht über Rente und
Thermofenster nachdenken und reden, das erinnert ihn wahrscheinlich zu
sehr daran, dass er inzwischen älter ist als sein Vater, als er ihn noch
bekämpft hat. Dagegen ist so eine kleine oder auch größere
intellektuelle Flüchtlings-Schlägerei – in Feuilleton-Kreisen Debatte
genannt – ein echter Jungbrunnen. Das fühlt sich dann wieder genauso
wild und aufregend an wie früher, als man noch mehr Haare hatte und
gegen den Nato-Doppelbeschluss und das AKW Brokdorf schimpfte und
demonstrierte.
Ist der Mitte-links-Dogmatismus dieser Tage und Jahre also irrationaler
Jugendwahn? Ja, natürlich. Aber gleichzeitig steckt in ihm auch noch die kindische – und sehr
deutsche – Sehnsucht nach einer Welt, in der, wenn es sie wirklich gäbe, sogar die gute alte
Rosa Luxemburg nicht leben wollte, so langweilig und durchkontrolliert wäre sie. Womit ich bei
der Rosa Luxemburg von heute und natürlichen Friedenspreisträgerin 2016 wäre. Die Flüchtlinge,
schreibt Carolin Emcke in ihrer liberal-terroristischen Das-Wort-zum-Wochenende-Kolumne in der
SZ,
ohne mit der Feder zu zucken, "bringen den Mut des Aufbruchs mit und den
Glauben an ein gerechtes, freies Europa, das nun erst wieder lernt, wie und wer es sein kann".
Im Ernst? Wirklich? Menschen, die Assads Fassbomben und Scheich Bagdadis Scharia-Henkern
entkommen sind, sollen jetzt die Transmissionsriemen der deutschen Mitte-links-Revolution
sein?
Und soll, liebe Revolutionäre, diese Revolution dann auch wirklich kommen? Ich meine, wer von euch würde als Erster sein in den Sklavenfabriken von China hergestelltes iPhone an die Revolutionsgarden abgeben und ihnen dann sein Schweizer Wertpapierkonto überschreiben?
Und soll, liebe Revolutionäre, diese Revolution dann auch wirklich kommen? Ich meine, wer von euch würde als Erster sein in den Sklavenfabriken von China hergestelltes iPhone an die Revolutionsgarden abgeben und ihnen dann sein Schweizer Wertpapierkonto überschreiben?
Es gibt in
Berlin-Mitte eine sehr kluge, gebildete Journalistin, die sich in
Pariser Superboutiquen und Sterne-Restaurants besser auskennt als auf
Samos und Lampedusa. Vor ein paar Monaten kaufte sie Windeln, Spielzeug
und Babykleidung, und weil ihr Auto gerade nicht da war, fuhr sie mit
einem Taxi zu einem der Berliner Flüchtlingsheime. Der Taxifahrer wollte
von ihr kein Geld, als sie ihm sagte, wohin die Fahrt ging, und das
fand sie so witzig, dass sie später darüber ein paar Zeilen auf Facebook
postete, und so viele Likes bekam sie noch nie. War das Pop? War das
eine radikale politische Handlung? War es blinder, verlogener
Idealismus? Oder war das genau die richtige, vernünftige, erwachsene,
unideologische Art, auf eine Katastrophe zu reagieren? Ich werde sie
fragen, wenn wir uns das nächste Mal im Grill Royal auf einen Drink
treffen. Maxim Biller (gekürzt)
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