Wir freuen uns über einen wunderbaren Spätsommer mit vollen
Freibädern, auch Bauern und Winzer sehen alles in allem einer guten
Ernte entgegen. Der Weizenpreis befindet sich wegen einer globalen
Rekordernte auf einem Zehnjahrestief, auch Mais und Sojabauern sehen
Höchsterträgen entgegen. Freuen wir uns also über ein Jahr, das den
Katastrophen-Kassandras keinen Vorwand bietet, mal wieder das Lied von
der unmittelbar bevorstehenden Klimakatastrophe anzustimmen.
Gar nicht auszudenken, was diese Herrschaften genau vor 200 Jahren
angestellt hätten, denn das Jahr 1816 darf mit Fug und Recht ein echtes
Klima-Katastrophenjahr genannt werden. Das "Jahr ohne Sommer"
folgte auf den größten Vulkanausbruch der Menschheitsgeschichte, den
des Tambora in Indonesien. Hierzulande wussten aber nur wenige davon.
Die Auswirkungen der Vulkanstaubwolken, die sich rund um den Globus
verteilten, waren verheerend. Der Winter 1815/1816 war brechend kalt,
das Frühjahr 1816 war wie ein normaler Winter, einen Sommer 1816 gab es
nicht und im späten Herbst war es laut historischer Aufzeichnungen
beispielsweise in Bozen schon wieder minus 19 Grad kalt.
Die Lebensmittelpreise stiegen ins schwindelnde Höhen und viele
Menschen verhungerten. Klima-Kassandras gab es übrigens damals schon.
Sie sagten den baldigen Weltuntergang voraus, sprachen von einer
„gottgewollten Verunreinigung der Sonne“, einer hatte auch schon den Tag
terminiert, an dem „Die Sonne ausbrenne“: 18.Juli 1816. Nachzulesen ist
das alles in dem Buch "Tambora und das Jahr ohne Sommer: Wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte“ des Klima-Historikers Wolfgang Behringer.
Egal ob gegenwärtige Klima-Veränderungen nun vom Menschen verursacht
werden oder nicht, so lehrt uns das Jahr 1816 dennoch, dass man die
Natur immer auf der Rechnung haben muss.
Das spricht dafür, sich
Klimaveränderungen anzupassen und sich auf solche Ereignisse
vorzubereiten, so gut es eben geht. Es ist garantiert nicht so, dass das
Klima auf der Welt in einen sanften Schlummerschlaf versetzt wird, nur
weil der Mensch beschließt, mit Billionensummen den Kohlendioxid-Ausstoß
zu reduzieren. Es gibt kein Thermostat, an dem Politiker einfach drehen
können – und alles wird gut. Das ist eine ahistorische Sichtweise, die
im übrigen einer sinnvollen Verwendung von Geldmitteln im Wege steht.
Da Geld nur einmal ausgegeben werden kann, stellt sich die Frage, ob
die Anpassung an das möglicherweise Unvermeidliche nicht Vorrang haben
sollte. So werden Unsummen für die unsichere Hoffnung ausgegeben, den
Meeresspiegel in 100 Jahren um ein paar Zentimeter weniger ansteigen zu
lassen. Wer dieses Geld dafür verwendet, den Menschen heute Deiche und
Schutzvorrichtungen zu bauen, hilft ihnen wahrscheinlich sehr viel
wirkungsvoller.
Das zeigt nicht zuletzt unsere eigene Vergangenheit. Nicht nur
Vulkanausbrüche richteten ungeheure Schäden an, auch die Geschichte der
Sturmfluten an der Nordseeküste ist von schweren Katastrophen geprägt.
Doch die tödliche Gefahr durch Sturmfluten wurde durch entsprechende
Schutzmaßnahmen sehr viel geringer. Das Klima wird sich auch weiterhin
wandeln, weil es das immer getan hat. Anpassungsmaßnahmen sind also in
jedem Fall sinnvoll, egal ob nun menschliche oder natürliche Uraschen
überwiegen. Stabilere Häuser, höhere Deiche und eine sichere
Energieversorgung (Wieviel Strom produzieren Photovoltaik-Anklagen wohl
in einem „Jahr ohne Sommer“?) können Menschen in besonders gefährdeten
Regionen heute schon mehr Sicherheit bringen und nicht erst in ferner
Zukunft.
Wer etwas über Vulkane lernen will, ist übrigens In Island genau
richtig. „Elefanten können es hören, Menschen nicht“, beschreibt
Haraldur Sigurdsson jene gespenstischen Momente, bevor ein Vulkan
ausbricht. Der Hörbereich des Menschen beginnt bei 20 Hertz, das
Infraschall-Geräusch entzieht sich mit nur 15 Hertz dem menschlichen
Gehör, nicht aber unserer Wahrnehmung. „Du spürst etwas tief in Deiner
Brust“, erzählt Sigurdsson. Der isländische Vulkanologe, hat das nicht
in seiner Heimat sondern auf der indonesischen Insel Java bei einem
Ausbruch erlebt. Nach der Infraschallphase, so erinnert er sich, wird
die Geräuschkulisse dann sehr militärisch: „Pfeifen und Heulen, also die
Windgeräusche fliegender Gesteinsbrocken.“ Die Lava, die den Berg
hinunterfließt gibt ebenfalls Töne von sich: „Das macht ‚Kling, kling,
kling‘, wie zerbrechendes Glas“.
Sigurdsson hat das Standardwerk "Melting The Earth – the hisory of ideas on Volcanic Eruptions"
geschrieben, ist Mitherausgeber der „Encyclopedia of Volcanoes“ und
gehört einem recht exklusiven Club von einigen hundert Forschern an, die
sich darüber Gedanken machen, wie es im Inneren der Erde aussieht und
warum es mal hier, mal dort zu vulkanischen Eruptionen kommt. 1939 in
Stykkisholmur, einem Fischerdorf im mittleren Westen Islands geboren,
hat er ein ein wunderbares Vulkanmuseum eröffnet.
Wenn er morgens aufwacht, geht er als erstes vor sein Haus und schaut
sich um: in den Westen, zum Snaefellsjökull, wo Jules Verne seine
„Reise zum Mittelpunkt der Erde“ anfangen ließ, in den Südosten zum
Ljosufjöll, einem Bergmassiv, das zu dieser Zeit unter einer schweren
Wolkendecke liegt. Beide Vulkane sind schon lange inaktiv, aber Haraldur
Sigurdsson weiß, dass es so etwas wie „tote Vulkane“ nicht gibt. „Die
Wahrscheinlichkeit, dass einer plötzlich zum Leben erwacht, ist minimal,
aber ganz ausschließen kann man es nicht.“ Und das gilt noch nicht
einmal für die deutschen Vulkane, etwa in der Eifel, die gerade erst
11.000 Jahre alt sind.
„Geologisch gesehen ist das eine kurze Zeit“ sagt er, „auf den
Westermänner-Inseln schwiegen die Vulkane 12.000 Jahre und 1963 gab es
plötzlich einen gewaltigen Knall“. Der Hauptort Heimæy wurde zur Hälfte
von Lava und Asche verschüttet, ein Pompeji des 20. Jahrhunderts (einige
Gebäude werden derzeit zu Anschauungszwecken wieder ausgegraben). Es
gab dennoch keine Toten, weil die zufällig anwesende Fischereiflotte
innerhalb weniger Stunden über 5.000 Bewohner evakuierte.
Nicht so viel Glück hatten 1816 die Bewohner des Landstriches um den
Tambora herum. Sein oben bereits erwähnter Ausbruch 1815 kostete 107.000
Menschen das Leben, die meisten davon wurden von einer glühend heißen
Gaswolke getötet, die den Berg hinab brauste. Die Überreste der Stadt,
die damals komplett zerstört wurde, fand der isländische Vulkanologe im
Jahr 2004 in etwa 25 Kilometer Entfernung vom Vulkan. Die
Folgen des Ausbruchs waren global und die Erdabkühlung verursachte
Hungernöte bis hinein nach Europa. „Das war die letzte Krise dieser
Art“ sagt Haraldur, „aber statistisch gesehen passiert so etwas alle 300
Jahre“. Er nennt so eine Katastrophe einen „schwarzen Schwan“. Die
moderne Industriegesellschaft würde nach einem solchen Ereignis kollabieren, da ist er sich ziemlich sicher. „So etwas bedeutet komplettes Chaos und man kann nur versuchen irgendwie zu überleben.“
Haraldur hebt einen Gesteinbrocken auf, der aussieht wie eine
Kanonenkugel. „Das glühende Material ist irgendwann ausgeworfen und so
von der Luftströmung geformt worden“. Die Geologen und Vulkanologen
können solche Klumpen zum sprechen bringen wie die Forensiker von CSI.
„Material, Beschaffung, Form, Gewicht, Entfernung vom Krater, all das
hilft uns, die Gewalt einer Eruption nachzuvollziehen.“ Im Falle des
Tambora heißen die Ergebnisse: Die Geschosse flogen bis zu 42 Kilometer
hoch und eine Billion Kilogramm Gesteinsmasse wurden pro Sekunde in die
Luft geschleudert. 100 Kubikkilometer Masse drangen aus dem Erdinneren
nach außen. Die Erde hat zahllose solche Ereignisse über sich ergehen
lassen, was Haraldur mit der Bemerkung zusammenfasst: " Alles ist
Recyling, jeder Teil der Erde ist schon einmal durchgelaufen.“ Dirk Maxeiner
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.