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Donnerstag, 18. August 2016

Dürfen hat er sich nicht getraut

Wenn ich nicht völlig daneben liege und die Berichte in den Nachrichtenprogrammen total missverstanden habe, finden regelmäßig Kabinettsitzungen statt, an denen alle Minister unter dem Vorsitz der Kanzlerin teilnehmen. Dabei sitzen Angela Merkel (CDU) und der Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) an einem großen Tisch, nicht nur nebeneinander, sondern einander herzlich zugetan.
Sie witzeln und lachen, wie zwei Teenager bei einem Date. Einmal im Jahr begibt sich die ganze Regierung zu einer zweitätigen Klausur auf Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung, 70 Kilometer nördlich von Berlin. Dort, in einer ländlich-idyllischen Umgebung, kommt man sich noch näher. Es wird zusammen gegessen und gegrillt, wie auf einem Betriebsfest.
Und das Bundespresseamt sorgt dafür, dass die gute Stimmung nach außen „kommuniziert“ wird. Zuletzt war das Ende Mai dieses Jahres so, also vor drei Monaten.
Bei all diesen formellen und informellen Treffen kommt der Vizekanzler offenbar nicht zu Wort. Will er etwas zu der Politik von Angela Merkel anmerken, muss er in die Öffentlichkeit gehen, damit es alle mitbekommen.
Erst vor ein paar Tagen gab Gabriel ein Interview, in dem er die Kanzlerin für ihren zum geflügelten Wort geronnenen Satz „Wir schaffen das!" kritisierte. „Eigentlich muss der Satz lauten: ‚Wir machen das!' Wir haben unendlich viel Zeit verloren. Einfach mal sagen ‚Wir schaffen das‘ und dann die Sache einfach laufen lassen, ist ein großer Fehler gewesen.“
Elf Monate und zwei Wochen, nachdem die Kanzlerin bei ihrer Sommerpressekonferenz am 31. August 2015 gesagt hatte: „Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden“, stellte ihr Vertreter fest, dies sei ein „großer Fehler“ gewesen. Sie hätte „Wir machen das!" sagen sollen, dann sähe heute alles anders aus.

Ja, der Vizekanzler ist nicht nur ein Schnellmerker, er ist auch ein brillanter Analytiker. Warum nur brauchte er elf Monaten und zwei Wochen, um die Kanzlerin auf ihren semantischen Fehler aufmerksam zu machen? Hätte er nicht früher intervenieren können, um Unheil vom deutschen Volk abzuwenden? Doch. Mögen hätt‘ er schon wollen, aber dürfen hat er sich nicht getraut.   Henryk Marcin Broder

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