Herrliche Zeiten sind das:
England sagt Goodbye zur EU, Trump sagt Hello zum Weißen Haus.
Hundertausende Asylsucher haben an Europas Stränden ein frohes Salam
Aleikum auf den Lippen, und die Zinsen auf diverse Finanzanlagen haben
sich grußlos davongemacht. Jetzt ist guter Rat teuer.
Die Berater von
McKinsey, Roland Berger, A. T. Kearney und Co. streichen großartige
Gewinne ein, wenn sie antreten, die besorgte Kundschaft durchs
Welten-Chaos zu lotsen. Für 2016 wird mit einem zweistelligen Umsatzplus
gerechnet. Alles deutet darauf hin, dass es im nächsten Jahr so
weitergeht. „Gewinnmargen von 40 oder gar 50 Prozent sind drin“, staunt
Szene-Kennerin Bianka Knobloch von der Wissenschaftlichen Gesellschaft
für Management und Beratung im „Manager-Magazin“.
Zu den
spendabelsten Auftraggebern gehört der Staat. 2,5 Milliarden Euro ließ
er sich den Profirat aus der Privatwirtschaft im letzten Jahr kosten,
mehr als doppelt so viel wie noch zehn Jahre zuvor.
Fast alle
Beratungsunternehmen halten mittlerweile eigene Teams für öffentliche
oder halböffentliche Auftraggeber bereit. Sie sitzen in
Bundesministerien, Länderregierungen, Stadtverwaltungen, Krankenhäusern
und Kirchen. Gleich vier verschiedene Consulting-Unternehmen sollen den
9000 Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf)
zeigen, wie die Asylflut zu bewältigen ist. Seit Oktober 2015 sind die
Leute von McKinsey am Werk, seit November 2015 die Kollegen von Roland
Berger und seit Dezember 2015 die Ernst-&-Young-Mitarbeiter. Der
IT-Dienstleister Atos hilft zudem, eine Asyl-Software zu programmieren.
Am
ratlosesten scheinen derzeit allerdings Ursula von der Leyen und ihre
Mitstreiter im Bundesverteidigungsministerium zu sein. In den nächsten
vier Jahren haben sie 300 Millionen Euro für Beratertätigkeiten
eingeplant. Der ineffiziente Rüstungsbereich soll auf Vordermann
gebracht werden. Die Branche jubelt. Einen Auftrag dieser Größe gab es
selbst aus der Privatwirtschaft noch nie, heißt es. Besonders gute
Chancen auf der Bonner Hardthöhe dürfte sich wohl McKinsey ausrechnen.
Ursula von der Leyens Staatsekretärin Katrin Suder gehörte bis vor zwei
Jahren als Direktorin selbst zur Truppe des weltweit tätigen
US-Unternehmens.
Insgesamt sind es etwa sechs Beraterfirmen, die
sich zwei Drittel aller Aufträge aus der Bundesverwaltung teilen. Eine
Konzentration, die jüngst auch der Bundesrechnungshof rügte. Das Risiko
der Fremdsteuerung sei besonders hoch, „wenn einzelne
Beratungsunternehmen ressortübergreifend von Dienststellen des Bundes
beauftragt werden“. Es bestehe grundsätzlich die Gefahr, dass sich die
Gestaltungskompetenz des verwaltungseigenen Personals zu sehr auf
externe Berater verlagere. Mit anderen Worte: Haben sich diese Leute
erst einmal festgesetzt, beeinflussen sie den Staat nicht nur wie es
Lobbyisten tun, sondern gestalten ihn in ihrem Sinn um.
Vom
„Berater-Staat“ spricht bereits der Wirtschaftsexperte und Publizist
Werner Rügemer („Die Berater. Ihr Wirken in Staat und Gesellschaft“). Er
gilt als einer der schärfsten Kritiker der Branche. Für ihn bilden ihre
Mitglieder eine Privatarmee von weltweit etwa einer Million
hochbezahlten Profis, die Globalisierung und Privatisierung
vorantreiben. Die marktbeherrschenden Firmen haben ihren Sitz meist in
den USA. Fast alle vertreten einen besonders aggressiven betrieblichen
Kapitalismus. In der Privatwirtschaft sollen die Produktionskosten eines
Unternehmens soweit wie möglich auf die Angestellten, die Umwelt, die
jeweiligen Standorte, die Kommunen und den Staat abgewälzt werden. Im
öffentlichen Sektor geht diese Sparstrategie meist zulasten des Bürgers.
Rügemer macht dies am Beispiel des US-Beratungsunternehmens Accenture
und seiner Tätigkeit im Bereich elektronische Verwaltung deutlich. Bei
der Post, in der Zollverwaltung, im Finanzministerium und in diversen
Stadtverwaltungen war das Unternehmen bereits tätig. Sein Ideal ist der
Bürger, der niemals persönlich im Amt vorspricht. „Zeichenhaft und
lautlos verkehrt er via Internetanschluss mit der digitalisierten
Öffentlichkeit. Brav und geduldig wartet er auf eine Antwort“, so
Rügemer.
Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der deutschen
Polizeigewerkschaft, beschreibt in seinem Bestseller „Deutschland in
Gefahr“, was passiert, wenn „moderne“ Unternehmenskonzepte bei den
Gesetzeshütern Einzug halten. Plötzlich geht es um „Steuerung durch
Kennzahlen, Führung mit Zielvereinbarungen, Qualitätsmanagement und
Leitsätze. Die Polizeiarbeit wird zum Produkt. Menschen, die Schutz und
Hilfe suchen, sind plötzlich nicht mehr Träger von Grundrechten, sondern
schlicht Kunden“. Sein Fazit: Die Polizei wird so an den Rand der
Handlungsunfähigkeit geführt.
Auch anderswo unterliefen den hochbezahlten Problemlösern
–
McKinsey-Mitarbeiter-Tagessatz beim Bamf: 2700 Euro – schwerwiegende
Fehler. In einem Gutachten sagten die Berater von „Roland Berger
Strategy Consultants“ dem damaligen niedersächsischen
Ministerpräsidenten Gerhard Schröder 40 Millionen Besucher für die
Weltausstellung Expo 2000 in Hannover voraus. Es kamen nur 18 Millionen.
Das Land Niedersachsen und der Bund mussten bis ins Jahr 2012 die
dadurch entstandenen Milliardenschulden abzahlen. Frank Horns
Die deutschen Beamten sind ein obrigkeitsstaatliches Überbleibsel, insofern sie einerseits nicht streiken können und andererseits nicht entlassen werden können und diese doppelte Unfreiheit als wertvoll erkannt und bewahrt wurde.
Dieser „Anachronismus“ konnte sich bewähren, solange der Beamtenstand, den Kirchen nicht unähnlich, der Schutzraum eines dem Allgemeinwohl verpflichteten Ethos bleiben durfte und seine Verfahrensweisen dieses Ethos widerspiegeln konnten. Aber wenn dieses Ethos erst einmal erodiert ist und die unbegrenzte Austauschbarkeit zur Maxime wird, steht seine entgültige Entsorgung bevor.
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