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Freitag, 2. Dezember 2016

Die letzten Überbleibsel des Preußischen Beamtentums werden liquidiert

Herrliche Zeiten sind das: England sagt Goodbye zur EU, Trump sagt Hello zum Weißen Haus. Hundertausende Asylsucher haben an Europas Stränden ein frohes Salam Aleikum auf den Lippen, und die Zinsen auf diverse Finanzanlagen haben sich grußlos davongemacht. Jetzt ist guter Rat teuer.

Die Berater von McKinsey, Roland Berger, A. T. Kearney und Co. streichen großartige Gewinne ein, wenn sie antreten, die besorgte Kundschaft durchs Welten-Chaos zu lotsen. Für 2016 wird mit einem zweistelligen Umsatzplus gerechnet. Alles deutet darauf hin, dass es im nächsten Jahr so weitergeht. „Gewinnmargen von 40 oder gar 50 Prozent sind drin“, staunt Szene-Kennerin Bianka Knobloch von der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management und Beratung im „Manager-Magazin“.
Zu den spendabelsten Auftraggebern gehört der Staat. 2,5 Milliarden Euro ließ er sich den Profirat aus der Privatwirtschaft im letzten Jahr kosten, mehr als doppelt so viel wie noch zehn Jahre zuvor.
Fast alle Beratungsunternehmen halten mittlerweile eigene Teams für öffentliche oder halböffentliche Auftraggeber bereit. Sie sitzen in Bundesministerien, Länderregierungen, Stadtverwaltungen, Krankenhäusern und Kirchen. Gleich vier verschiedene Consulting-Unternehmen sollen den 9000 Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zeigen, wie die Asylflut zu bewältigen ist. Seit Oktober 2015 sind die Leute von McKinsey am Werk, seit November 2015 die Kollegen von Roland Berger und seit Dezember 2015 die Ernst-&-Young-Mitarbeiter. Der IT-Dienstleister Atos hilft zudem, eine Asyl-Software zu programmieren.

Am ratlosesten scheinen derzeit allerdings Ursula von der Leyen und ihre Mitstreiter im Bundesverteidigungsministerium zu sein. In den nächsten vier Jahren haben sie 300 Millionen Euro für Beratertätigkeiten eingeplant. Der ineffiziente Rüstungsbereich soll auf Vordermann gebracht werden. Die Branche jubelt. Einen Auftrag dieser Größe gab es selbst aus der Privatwirtschaft noch nie, heißt es. Besonders gute Chancen auf der Bonner Hardthöhe dürfte sich wohl McKinsey ausrechnen. Ursula von der Leyens Staatsekretärin Katrin Suder gehörte bis vor zwei Jahren als Direktorin selbst zur Truppe des weltweit tätigen US-Unternehmens.
Insgesamt sind es etwa sechs Beraterfirmen, die sich zwei Drittel aller Aufträge aus der Bundesverwaltung teilen. Eine Konzentration, die jüngst auch der Bundesrechnungshof rügte. Das Risiko der Fremdsteuerung sei besonders hoch, „wenn einzelne Beratungsunternehmen ressortübergreifend von Dienststellen des Bundes beauftragt werden“. Es bestehe grundsätzlich die Gefahr, dass sich die Gestaltungskompetenz des verwaltungseigenen Personals zu sehr auf externe Berater verlagere. Mit anderen Worte: Haben sich diese Leute erst einmal festgesetzt, beeinflussen sie den Staat nicht nur wie es Lobbyisten tun, sondern gestalten ihn in ihrem Sinn um.

Vom „Berater-Staat“ spricht bereits der Wirtschaftsexperte und Publizist Werner Rügemer („Die Berater. Ihr Wirken in Staat und Gesellschaft“). Er gilt als einer der schärfsten Kritiker der Branche. Für ihn bilden ihre Mitglieder eine Privatarmee von weltweit etwa einer Million hochbezahlten Profis, die Globalisierung und Privatisierung vorantreiben. Die marktbeherrschenden Firmen haben ihren Sitz meist in den USA. Fast alle vertreten einen besonders aggressiven betrieblichen Kapitalismus. In der Privatwirtschaft sollen die Produktionskosten eines Unternehmens soweit wie möglich auf die Angestellten, die Umwelt, die jeweiligen Standorte, die Kommunen und den Staat abgewälzt werden. Im öffentlichen Sektor geht diese Sparstrategie meist zulasten des Bürgers.

Rügemer macht dies am Beispiel des US-Beratungsunternehmens Accenture und seiner Tätigkeit im Bereich elektronische Verwaltung deutlich. Bei der Post, in der Zollverwaltung, im Finanzministerium und in diversen Stadtverwaltungen war das Unternehmen bereits tätig. Sein Ideal ist der Bürger, der niemals persönlich im Amt vorspricht. „Zeichenhaft und lautlos verkehrt er via Internetanschluss mit der digitalisierten Öffentlichkeit. Brav und geduldig wartet er auf eine Antwort“, so Rügemer.

Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der deutschen Polizeigewerkschaft, beschreibt in seinem Bestseller „Deutschland in Gefahr“, was passiert, wenn „moderne“ Unternehmenskonzepte bei den Gesetzeshütern Einzug halten. Plötzlich geht es um „Steuerung durch Kennzahlen, Führung mit Zielvereinbarungen, Qualitätsmanagement und Leitsätze. Die Polizeiarbeit wird zum Produkt. Menschen, die Schutz und Hilfe suchen, sind plötzlich nicht mehr Träger von Grundrechten, sondern schlicht Kunden“. Sein Fazit: Die Polizei wird so an den Rand der Handlungsunfähigkeit geführt.

Auch anderswo unterliefen den hochbezahlten Problemlösern
McKinsey-Mitarbeiter-Tagessatz beim Bamf: 2700 Euro – schwerwiegende Fehler. In einem Gutachten sagten die Berater von „Roland Berger Strategy Consultants“ dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder 40 Millionen Besucher für die Weltausstellung Expo 2000 in Hannover voraus. Es kamen nur 18 Millionen. Das Land Niedersachsen und der Bund mussten bis ins Jahr 2012 die dadurch entstandenen Milliardenschulden abzahlen.     Frank Horns

Die deutschen Beamten sind ein obrigkeitsstaatliches Überbleibsel, insofern sie einerseits nicht streiken können und andererseits nicht entlassen werden können und diese doppelte Unfreiheit als wertvoll erkannt und bewahrt wurde.

Dieser „Anachronismus“ konnte sich bewähren, solange der Beamtenstand, den Kirchen nicht unähnlich, der Schutzraum eines dem Allgemeinwohl verpflichteten Ethos bleiben durfte und seine Verfahrensweisen dieses Ethos widerspiegeln konnten. Aber wenn dieses Ethos erst einmal erodiert ist und die unbegrenzte Austauschbarkeit zur Maxime wird, steht seine entgültige Entsorgung bevor.

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