Gemeldet wird der Tod des Verlegers Herbert Fleißner. 88jährig ist
der Gründer der Verlage Langen Müller und Herbig am vergangenen Freitag
in München gestorben. Fleißner war ein liberaler Verleger (im Sinne der
Liberalität), soll heißen: Er verlegte auch ein paar anstößige und
rechte Autoren, vor allem zu der Zeit, als er außerdem noch das Haus
Ullstein/Propyläen leitete, was die üblichen Gouvernanten mit einer der üblichen Kampagnen ahndeten, bis ihm die letztgenannten Verlage wieder
aus der Hand genommen wurden.
Wen das näher interessieren sollte, der
mag hier nachlesen; ich erzähle das lediglich, um post mortem
aus der Schule zu plaudern, denn ich habe Fleißner auch einmal ein
Manuskript angeboten. Es handelte sich um meinen verspäteten
Studentenscherz „Welcher Wein zu welcher Frau? Ein Ratgeber“ (ein
„politisch unkorrekter Ratgeber“ wurde erst später als eine Art Knicks
und prophylaktischem Abwehrzauber daraus). Mein Co-Autor Uli Martin und
ich hatten seinerzeit – wir befinden uns im Frühjahr 2001 – dieses
vielleicht allzu betont witzige Buch, dessen Nichtmehrlieferbarkeit mir
gar nicht so unangenehm ist, in wenigen Tagen heruntergeschrieben und
sodann vergeblich versucht, es in einem deutschen Verlag zu platzieren.
Überall wurde das Manuskript als angeblich frauenfeindlich abgelehnt.
Ich sprach also schließlich Fleißner an, auf dessen Querköpfigkeit
vertrauend, und er sicherte mir zu, das Buch zu drucken. Ein paar Tage
später rief er mich zerknirscht an und teilte mir mit, er müsse leider
von seiner Zusage zurücktreten, er könne den Titel bei den Damen in
seinem Verlag einfach nicht durchsetzen. Die feministische bzw.
feministisch inspirierte weibliche Abwehrfront stand bolzenfest. Nur ein
Schweizer Verlag und in diesem ausgerechnet eine Frau hielten sich am
Ende nicht an die Gebote der Mitschwesterlichkeit, sie druckten das
Buch, es verkaufte sich vieltausendfach, aber irgendwie schien der
Verlag zuletzt ganz froh zu sein, als er es auslaufen lassen und aus dem
Programm nehmen konnte. So weit, so trivial.
Warum ich die
Geschichte dann erzähle? Nun, lediglich um an die gute alte BRD zu
erinnern, als ein halbwegs launiges Traktätlein, in dem Frauen
augenzwinkernd der „Kategorie der Genussmittel“ zugeschlagen wurden,
kollektive Abwehrmechanismen zum vermeintlichen Schutz des holden
Geschlechts vor Sexismus und Diskriminierung auszulösen vermochte.
Heute, wo das generöse Hinwegsehen über öffentliche sexuelle Gewalt
gegen Frauen, über Zwangsheiraten, Minderjährigen-Ehen und die
Vollverpackung von Frauen als Zeichen der Hörigkeit gegenüber ihrem
männlichen Besitzer ein integraler Bestanteil der bundesrepublikanischen
Willkommensfolklore ist, klingt das wie ein Märchen aus ferner Zeit.
Und noch einmal zehn, zwanzig Jahre weiter, dann, wer weiß?, wirkt an
dem Titel „Welcher Wein zu welcher Frau?“ nicht mehr die Erhebung der
Frau zum Genussobjekt, sondern die Erwähnung des Weines anstößig, denn
der ist bekanntlich haram. MK am 1. 12. 2016
O tempora, o mores!
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