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Freitag, 2. Dezember 2016

Wie das Kaninchen vor der Schlange

MAGEDEBURG. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hat seine Teilnahme an einer Diskussion über einen möglichen Rechtsruck in seinem Bundesland abgesagt. Vorausgegangen waren heftige Proteste an dem geplanten Auftritt Stahlknechts im Theater Magdeburg, weil auch der rechte Publizist und Verleger Götz Kubitschek zu der Diskussion eingeladen war.

Politiker von Linkspartei, SPD und Grünen hatten die gemeinsame Veranstaltung scharf kritisiert. Neben Stahlknecht richteten sich die Attacken dabei auch gegen das Theater Magdeburg. SPD-Landeschef Burkhard Lischka sagte: „Wer glaubt, man könne solche Leute wie Kubitschek in einer öffentlichen Diskussion stellen, ist ihnen bereits auf den Leim gegangen.“
Man dürfe „diesen Rechtsextremen“ keine Bühne bieten und müsse sie „mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen“, warnte Lischka laut Mitteldeutscher Zeitung. Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke protestierte gegen die Podiumsdiskussion.



Götz Kubitschek soll im auftreten?! Das ist nicht euer ernst oder?



Am Mittwoch noch verteidigte Stalknecht seinen geplanten Auftritt. „Ich ducke mich nicht weg. Wir müssen uns in der politischen Debatte unmittelbar auseinandersetzen“, sagte er der Magdeburger Volksstimme. „Es wird versucht, meine Freiheit einzuschränken. Damit nimmt das politische System Schaden. Ich mache mich doch nicht mit Herrn Kubitschek gemein. Ich will die Chance nutzen, argumentativ gegenzuhalten.“
Die Menschen seien 1989 auch auf die Straße gegangen, damit Theater frei entscheiden könnten, was bei ihnen gespielt und diskutiert werde. „Die CDU stellt sich argumentativ allen Debatten, das gehört zur Meinungsvielfalt.“ CDU-Generalsekretär Sven Schulze betonte: „Wir lassen uns von niemandem vorschreiben, und schon gar nicht von der SPD, mit wem wir uns in eine Podiumsdiskussion bewegen. Das ist fast schon eine linke Meinungsdiktatur.“




Doch offenbar sah Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) das anders und pfiff Stahlknecht zurück. Dieser begründete seinen Rückzieher dann damit, daß nach der sehr aufgeheizten öffentlichen Diskussion die geplante Podiumsdiskussion in einem Theater nicht mehr „das geeignete Format“ sei.
Das Theater Magdeburg sagte daraufhin die gesamte Veranstaltung ab. „Das Ziel, eine fundierte Kritik an den ‘neurechten’ Ideologien Götz Kubitscheks mittels der Podiumsgäste üben zu können, ist durch das Ungleichgewicht, das durch die Absage von Herrn Stahlknecht entsteht, nicht mehr möglich“, schrieb das Theater auf Facebook.
Kritik an dem Vorgang kam vom Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt. „Wann immer man Leute sich selbst überläßt, weil man Trennstriche ihnen gegenüber zieht, muß man sich nicht wundern, wenn unter ihnen Eigendynamik entsteht. Das war in Deutschland bei den jüngsten Wahlerfolgen der AfD so, in den USA bei der Wahl Trumps. Angesichts solcher Folgen ist es bedauerlich, daß auch die CDU solche Trennstriche immer wieder zieht – sei es aus Bequemlichkeit, sei es aus Feigheit“, sagte Patzelt der JUNGEN FREIHEIT.
Es sei fatal, daß die CDU nicht mehr dazu bereit sei, sich mit Argumenten aus dem rechten Spektrum gründlich auseinanderzusetzen, Themen von Rechten selbst zu besetzen und bei alledem das Vernünftige vom Unvernünftigen zu trennen. „Im Grunde verhält sich die CDU wie das Kaninchen vor der Schlange“, kritisierte Patzelt.
„Außerdem stelle man sich vor, CDU-Politiker hätten Druck auf ein Theater gemacht, einen linken Intellektuellen auszuladen; dann wäre die Empörung groß gewesen. Doch in Deutschland gilt nun einmal: Linkes ist gut, Rechtes ist böse; und gegen das Böse müssen alle Guten zusammenstehen. Diese Moral- und Diskurshegemonie ist ein Erbe der Achtundsechziger.“
Er halte es für falsch, bei der Auseinandersetzung mit Rechten und deren Thesen einfach über sie zu reden, nicht aber im kommunikativen Nahkampf mit ihnen. „Es heißt doch immer, man muß diese Personen ‘entzaubern`. Das geht doch nur in der direkten Konfrontation und vor Publikum! Einen Krieg gewinnt man schließlich auch nicht, wenn man bloß die eigenen Truppen inspiziert.“  JF

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