Dienstag, 4. Februar 2020
Das Weltheilsplanoffenlegungshauptamt, Zweigstelle Hamburg, teilt mit
Knalldeutsche Schadenfreude darüber, dass ein einstiges Kolonialreich heute alle Kolonien verloren hat, verbindet sich mit revanchistischer Arroganz, die uns im Sinne des Freudschen Versprechers enthüllt, wie kolonialistisch die forma mentis der merkelistischen Claqueure ist, wenn der journalistische Volkssturm ein europäisches Land als "aufrührerische Kolonie" bezeichnet! Wie beneidenswert fröhlich und lebendig die aufsässigen Brexitians sind, demonstriert wundervoll die letzte Rede von Nigel Farage vor dem Kolonialparlament; man übersehe die Vorsitzende nicht (ich habe keine Ahnung, wer das ist): der neue Typus Funktionärseuropäerin: verkniffen, freudlos, unfeminin, ohne Eleganz, von den Grazien und anderen guten Geistern sich selbst überlassen.
Apropos Kolonien: ist es nicht bewunderswert, dass die Engländer durch die Entkolonialisierung Afrikas kein bisschen deprimiert waren und im Gegenteil eine vitale Jugendbewegung hervorbrachten, die der Welt die Beatles geschenkt hat?
Und ist es nicht erbärmlich, dass Deutschland, das kaum Kolonien hatte - im Gegensatz zu Frankreich und Groß Britannien, denen fast ganz Afrika gehörte - sich zusätzlich zu den Schuldgefühlen, die es zu recht wegen der in Auschwitz begangenen Verbrechen hegt, auch noch wegen des Elends in Afrika kasteit (das vermutlich geringer wäre, wenn es nicht zur Entkolonialisierung gekommen wäre), statt einfach zu sagen: "Nach ihnen (den Franzosen und Briten, deren Beispiel wir gerne folgen werden)".
Nein, die Briten tun gut daran, solche Kniefälle zu vermeiden. Nikita Chruschtschow plusterte sich bei einer Indienreise gegenüber Großbritannien mächtig auf. Aber gerade die Sowjetunion hatte keinen Grund, Moralpredigten zu halten, und Chruschtschow schmückte sich bei seinem peinlichen Ablenkungsmanöver auch noch mit fremden Federn: die gesamte Dokumentation und Argumentation, auf die er seine großspurige Anklage stützte, war ja britischen Autoren nachgeplappert, ohne die es nie zu Debatten gekommen wäre. Auch hier ist der Ehrliche am Ende der Dumme, denn 1. dankt ihm niemand für seine Aufrichtigkeit, 2. wird die Bitte um Vergebung nicht als Stärke angesehen (obwohl sie es ist!), sondern als Schwäche und 3. folgt seinem guten Beispiel niemand. Ist Brandts Beispiel irgendwer gefolgt? Wir können letztlich sogar froh sein, dass sein Beispiel nicht durch eine nie endende Reihe heuchlerischer Gesten anderer Regierungschefs inflationiert wurde, denn sein Kniefall war tatsächlich angemessen. Nur wäre es besser, Kiesinger wäre ihm zuvorgekommen.
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