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Donnerstag, 4. August 2016

Eine Art Brasilien

Durch die längste Zeit der Geschichte formen überzählige Jünglinge schlagkräftige Armeen, erobern fremde Territorien, besiegen ihre Soldaten, schwängern ihre Frauen und leben von den Unterworfenen. Das Musterbeispiel liefern europäische Länder, die sich zwischen 1493 und 1918 rund 90 Prozent der Erde holen und währenddessen pro Frau sechs Kinder aufziehen, so dass sie Millionen Siedler abgeben, Kriegs- und Seuchenverluste absorbieren und gleichzeitig daheim von 50 auf 500 Millionen Einwohner zulegen können.

Wer von den Eingeborenen der Neuen Welt die Eindringlinge unterstützt, wird von ihresgleichen als Verräter verachtet. Die von Europas überlegenen Waffen getöteten Widerstandskämpfer werden als Helden verehrt. Das Christentum erscheint als morbider Kult: „Der Gott Kastiliens hat Tote lieber als Andersgläubige“, formulieren aztekische Priester. Deshalb frevelt, wer sich zu ihm bekehrt. Und doch wird im 16. Jahrhundert der Katholizismus zur religio triumphans nicht anders als heute der Islam.

Dass seine Anhänger nicht als Christen, sondern als Christianisten zum Ausrotten schreiten, bleibt historisch so irrelevant wie heute die Botschaft freundlicher Muslime über eine liebenswürdige Seite ihrer Religion. 
 
Im September 2015 beginnt Europa die Abschaffung der überkommenen Praktiken gegen junge Männer, die nicht nur im besten Kampfalter stehen, sondern in daheim laufenden Kriegen ihre Ziele verfehlen und deshalb anderenorts nach Siedlungsmöglichkeiten suchen. In ihren Herkunftsgebieten liegen die Geburtenraten – wenn auch in einem kürzeren Zeitraum – noch höher als damals bei den europäischen Welteroberern.

Allein Afrika springt zwischen 1950 und 2015 von 230 Millionen auf knapp 1,2 Milliarden und will 2050 sogar mit doppelt so viel Menschen prunken. Nur kleine Verbände davon, die dennoch gleich siebenstellig zu Buche schlagen, überwinden 2015 Europas Grenzen, obwohl sie nicht einmal Waffen einsetzen. Sie erleben ihren Durchbruch als so unerhört, dass sie sich immer wieder mit Einladungen von ganz oben rechtfertigen. Sie sind mit allem Recht fassungslos, stammen sie doch aus Ökonomien, die global chancenlos sind und deren Schüler bei internationalen Wettbewerben immer wieder auf den untersten Rängen landen. Dennoch schaffen sie es mitten in die Hauptstädte der einstigen Großmächte.
Den Polizei- und Militärverbänden in Westeuropa werden die waffentechnisch simple Grenzsicherung zu Wasser, zu Lande und in der Luft verboten. Die Stillhaltebefehle kommen nicht von Herrschern der Hereindrängenden, sondern von höchsten demokratischen Amtsinhabern der Zielländer. Gleichwohl denkt niemand daran, diese Politiker wegen Landesverrat zu belangen. Im Gegenteil! Ihre Sprecher fordern Verehrung für die Durchsetzung der Menschenrechte. In deren Namen werden die Bürger in nie für möglich gehaltener bürokratischer Schnelligkeit um dreistellige Milliardenbeträge für die Versorgung der jungen Männer aus Afrika und dem Islambogen erleichtert.

Weil die doch schon am Aufbau funktionierender Wirtschaften daheim scheitern, müssen ihre Gastgeber diesen Schritt des Lebens aus der angestammten Bevölkerung organisieren. Als der Zugriff auf die einheimischen Frauen beginnt, wird das in staatlich gelenkten Medien verschwiegen. Falls doch einmal die Polizeiprotokolle bekannt werden, werben Experten um Verständnis für die Probleme der Täter. Längst in Vergessenheit geratene Feministinnen werden ermutigt, vergewaltigte Frauen als Rechtsradikale hinzustellen, die nur darauf aus seien, den Respekt vor den fremden Heerscharen zu unterminieren.
Wer der lauthals gepriesenen Gottheit der Fremden nicht umgehend Hochachtung entgegenbringt, wird auf immer als Rassist an den Internet-Schandpfahl gestellt. Wer für die Verteidigung der Heimat gar zur Waffe greift, gilt nicht etwa als Partisan, sondern wird von der eigenen Seite als Gewaltverbrecher festgenommen. Immer geht es darum, liebedienerisch wie Unterjochte zu handeln, ohne bereits besiegt zu sein. Das wirkt so fremd, aber auch grandios, dass Faszination und Schrecken nahe beieinanderliegen.

Komplikationslos verläuft diese Umwertung allen bisherigen Staatsverständnisses allerdings nicht. Ein Teil der Elite in Berlin ahnt, dass jedwede Umvolkung – ob dazumal mörderisch von Deutschland gegen Nachbarn oder jetzt mit noch wenigen Bluttaten gegen Deutschland gerichtet – ihr Harmonieversprechen nicht erfüllen wird. Um aus dieser Einsicht erwachsenden Widerstand zu lähmen, beginnen Intellektuelle aus der zweiten oder dritten Reihe ihre Jagd auf immer schon beneidete Köpfe, die einstweilen noch beherzt mahnen. Von der Regierungsspitze inspirierte Kampagnen dürfen sie als Propagandisten à la Goebbels niedermachen, ja, man zeichnet sie wie Judenverfolger, als wolle man vergessen machen, dass so viele der Hereingeholten ein Leben lang zum Judenmord erzogen wurden.

Folgen andere Staaten der – im Juni 2016 neuerlich bekräftigten – Berliner Linie, ändert Europa sein Antlitz tiefgreifend. Erträumt hier oder als ökonomisch unhaltbar eingeschätzt dort könnte – allerdings mit anderer Konfession und schlechterem Wetter – eine Art Brasilien entstehen. Angela Merkel wüchse in diesem wie auch immer konvulsiven Prozess zu wahrhaft welthistorischer Größe heran.

Noch muss sie kämpfen, weil – so PEW Research – bis Mai 2016 nur 26 Prozent in Deutschland glauben, dass die Kanzlerin ihr Land zu einem besseren Ort gemacht habe, während 31 Prozent das Gegenteil konstatieren. Selbst unter Engländern, die immerhin für den Wiedergewinn ihrer Grenzhoheit den Brexit wählen, betrachten 33 Prozent die Migranten als Vorteil für ihr Land, während sie bei der Ablehnung mit den Deutschen gleichauf liegen.
In den Niederlanden dagegen erkennen sogar 36 Prozent nur Negatives und lediglich 17 Prozent Positives. Wenn nicht einmal dieser – bisher als folgsamer Partner gehandelte – Staat mitzieht, werden sich auch die übrigen Europäer vor Deutschland immer stärker schützen. Dafür brauchen sie keineswegs den Marsch in die nationale Kleinstaaterei anzutreten. Sie könnten kleinere, aber immer noch multinationale Verbände bilden, um optimale Räume zu gestalten, die sich gegen Kompetenzverlust und Terror schützen lassen. Berlin würde erst dann dazu gebeten, wenn es die Identität der Nachbarn nicht mehr bedroht. Merkels Experiment wäre zwar gescheitert, aber ein Platz im Kabinett historischer Fehltritte wäre ihr immer noch sicher.

Alte Mitkämpfer könnten ihre Entscheidungen so nostalgisch erinnern, wie die „guten Seiten“ früherer staatlicher Monster verklärt werden.
Weil mehr für das Scheitern als den Erfolg des Experiments spricht, läuft sich ein Ersatz für die Kanzlerin bereits warm. Die Verteidigungsministerin von der Leyen kündigt an, Bundeswehrsoldaten im Inneren auf Gegner schießen zu lassen, die sie zuvor an der Grenze nicht aufhalten durften. Ist das die Rückkehr zum bewährten Umgang mit „Barbaren vor den Toren“? Nähert man sich womöglich sogar Frankreich, dass nicht nur daheim im Kriegszustand lebt, sondern auch fern in Syrien Leute bombardieren lässt, damit sie nicht nach Paris übersiedeln?   Gunnar Heinsohn

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