Nicht
nur die Geschichte wiederholt sich als Farce, auch Tatort-Folgen. Nicht
ganz ein Jahr nach der Erstausstrahlung der Sendung „Verbrannt“ am Tag
des Länderspiels Deutschland-Georgien im vergangenen Oktober durfte das
norddeutsche Ermittlerteam um Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und
Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) am Sonntagabend in der ARD zum zweiten Mal
zeigen, wie man mit den düsteren, gesellschaftlich rückständigen Verhältnissen in
einem deutschen Provinzkommissariat aufräumt.
Die Folge beruht auf einem realen Fall: Anfang Januar 2005 kam der in
Deutschland lebende Afrikaner Oury Jalloh (36) aus Sierra Leone beim
Brand einer Gefängniszelle in einem Polizeirevier im
sachsen-anhaltinischen Dessau ums Leben. Die von der Dessauer Polizei
vorgebrachte Selbstverbrennungsthese hatte höchstrichterlich keine
Chance; 2012 wurde der verantwortliche Dienstgruppenleiter wegen
fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Die genauen Vorgänge
sind noch immer umstritten.
Der ehemalige DDR-Drehbuchschreiber und Grenztruppensoldat Stefan Kolditz, der auch für den ZDF-Mehrteiler „Unsere Väter, unsere Mütter“
(2013) verantwortlich zeichnet, hat aus dem Dessauer Stoff eine
Gutmenschenoper ersten Ranges komponiert.
Man muß den Verantwortlichen
dankbar dafür sein, daß sie als Schauplatz das niedersächsische
Salzgitter und nicht ein Ossi-Städtchen gewählt haben. Es wären der
linksliberalen Stereotypen einfach zu viele geworden. So oder so haben
wir es mit einem Höhepunkt des deutschen Schulfunks zu tun: Ausländer
haben Gefühle, Afrikaner sind in der Lage, Liebe zu empfinden, und
deutsche Polizisten können ganz, ganz böse sein. Weh dem, der das noch
nicht wußte.
Im Film sind Falke und Lorenz auf eine internationale Schlepperbande
angesetzt und entscheiden sich im niedersächsischen Salzgitter für den
Zugriff. Die Aktion wird zur Pleite. Der festgenommene und später
verbrannte Afrikaner, ein abgelehnter, doch geduldeter Asylbewerber, ist
Opfer einer Namensverwechslung. Obendrein hat er ein Kind mit der Tochter des lokalen
Gerichtsmediziners. Der hält nun gar nichts von schwarzen Genen in der
Nachkommenschaft und hat seine Tochter gezwungen, ihr Kind einer
Pflegefamilie zu überlassen. Das Polizeirevier erweist sich als Hort
verbissen schweigenden Zusammenhalts. Das Ganze erinnert fast an die
Hunsrück-Trilogie des Regisseurs Edgar Reitz.
Als Aperçu präsentiert die Regie den türkischstämmigen Polizisten
Mehmet Mutlu, dessen Großvater vor Stolz geweint haben soll, als der
Enkel den Beruf ergriff. Auch Mutlu steht in der Phalanx des lokalen
Widerstands gegen immer mehr Buntheit, Vielfalt und Weltoffenheit, die
sich in der Provinz eben nicht in Form hipper Galerien und Dönerbuden
niederschlagen wie in München-Schwabing und Berlin-Mitte, sondern als
unmittelbarer Verlust von Sicherheit, Heimat und Identität.
Propagandistisch paßt dieser Tatort perfekt zur Willkommenseuphorie
im Herbst 2015. Die Hamburger Lichtdeutschen Falke und Lorenz gegen die
Dunkeldeutschen in der Provinz. 90 Minuten lang darf Hauptkommissar
Falke zu elegischer Musik bereuen, daß er das schwarze
Verwechslungsopfer bei der Festnahme bis zum Nasenbeinbruch mißhandelt
hatte. Dabei hatte der Mann Falkes Kollegin Lorenz zuvor durch einen
ganz miesen Trick physisch außer Gefecht gesetzt.
Die Wiederholung von „Verbrannt“ im Umfeld nicht-autochthoner
Terroranschläge in ganz Europa unterstreicht das Selbstverständnis der
deutschen öffentlich-rechtlichen Macht: Agitprop für eine
liberal-individualistische Elitenklientel. Die deutsche Polizei: ein
Haufen chauvinistischer, rassistischer Zurückgebliebener.
Schon nach der Erstausstrahlung hatte deren Gewerkschaft sich zu Wort
gemeldet: „Unsere Beamten fühlen sich vorgeführt, obwohl sie in diesen
Tagen Überstunden schieben und in der Flüchtlingskrise in vorderster
Reihe stehen.“ Da kann man mitfühlen. Was der Film 2016 eigentlich ist:
AfD-Werbung. Als Tenor scheint angemessen: Der Fremde, dein Freund und
Helfer. JF
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