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Montag, 1. August 2016

Deutsche Krimis als Lehrdichtung in Herbert Reineckers Fußstapfen

Nicht nur die Geschichte wiederholt sich als Farce, auch Tatort-Folgen. Nicht ganz ein Jahr nach der Erstausstrahlung der Sendung „Verbrannt“ am Tag des Länderspiels Deutschland-Georgien im vergangenen Oktober durfte das norddeutsche Ermittlerteam um Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) am Sonntagabend in der ARD zum zweiten Mal zeigen, wie man mit den düsteren, gesellschaftlich rückständigen Verhältnissen in einem deutschen Provinzkommissariat aufräumt.

Die Folge beruht auf einem realen Fall: Anfang Januar 2005 kam der in Deutschland lebende Afrikaner Oury Jalloh (36) aus Sierra Leone beim Brand einer Gefängniszelle in einem Polizeirevier im sachsen-anhaltinischen Dessau ums Leben. Die von der Dessauer Polizei vorgebrachte Selbstverbrennungsthese hatte höchstrichterlich keine Chance; 2012 wurde der verantwortliche Dienstgruppenleiter wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Die genauen Vorgänge sind noch immer umstritten.
Der ehemalige DDR-Drehbuchschreiber und Grenztruppensoldat Stefan Kolditz, der auch für den ZDF-Mehrteiler „Unsere Väter, unsere Mütter“ (2013) verantwortlich zeichnet, hat aus dem Dessauer Stoff eine Gutmenschenoper ersten Ranges komponiert.

Man muß den Verantwortlichen dankbar dafür sein, daß sie als Schauplatz das niedersächsische Salzgitter und nicht ein Ossi-Städtchen gewählt haben. Es wären der linksliberalen Stereotypen einfach zu viele geworden. So oder so haben wir es mit einem Höhepunkt des deutschen Schulfunks zu tun: Ausländer haben Gefühle, Afrikaner sind in der Lage, Liebe zu empfinden, und deutsche Polizisten können ganz, ganz böse sein. Weh dem, der das noch nicht wußte.
Im Film sind Falke und Lorenz auf eine internationale Schlepperbande angesetzt und entscheiden sich im niedersächsischen Salzgitter für den Zugriff. Die Aktion wird zur Pleite. Der festgenommene und später verbrannte Afrikaner, ein abgelehnter, doch geduldeter Asylbewerber, ist Opfer einer Namensverwechslung. Obendrein hat er ein Kind mit der Tochter des lokalen Gerichtsmediziners. Der hält nun gar nichts von schwarzen Genen in der Nachkommenschaft und hat seine Tochter gezwungen, ihr Kind einer Pflegefamilie zu überlassen. Das Polizeirevier erweist sich als Hort verbissen schweigenden Zusammenhalts. Das Ganze erinnert fast an die Hunsrück-Trilogie des Regisseurs Edgar Reitz.
Als Aperçu präsentiert die Regie den türkischstämmigen Polizisten Mehmet Mutlu, dessen Großvater vor Stolz geweint haben soll, als der Enkel den Beruf ergriff. Auch Mutlu steht in der Phalanx des lokalen Widerstands gegen immer mehr Buntheit, Vielfalt und Weltoffenheit, die sich in der Provinz eben nicht in Form hipper Galerien und Dönerbuden niederschlagen wie in München-Schwabing und Berlin-Mitte, sondern als unmittelbarer Verlust von Sicherheit, Heimat und Identität.

Propagandistisch paßt dieser Tatort perfekt zur Willkommenseuphorie im Herbst 2015. Die Hamburger Lichtdeutschen Falke und Lorenz gegen die Dunkeldeutschen in der Provinz. 90 Minuten lang darf Hauptkommissar Falke zu elegischer Musik bereuen, daß er das schwarze Verwechslungsopfer bei der Festnahme bis zum Nasenbeinbruch mißhandelt hatte. Dabei hatte der Mann Falkes Kollegin Lorenz zuvor durch einen ganz miesen Trick physisch außer Gefecht gesetzt.
Die Wiederholung von „Verbrannt“ im Umfeld nicht-autochthoner Terroranschläge in ganz Europa unterstreicht das Selbstverständnis der deutschen öffentlich-rechtlichen Macht: Agitprop für eine liberal-individualistische Elitenklientel. Die deutsche Polizei: ein Haufen chauvinistischer, rassistischer Zurückgebliebener.

Schon nach der Erstausstrahlung hatte deren Gewerkschaft sich zu Wort gemeldet: „Unsere Beamten fühlen sich vorgeführt, obwohl sie in diesen Tagen Überstunden schieben und in der Flüchtlingskrise in vorderster Reihe stehen.“ Da kann man mitfühlen. Was der Film 2016 eigentlich ist: AfD-Werbung. Als Tenor scheint angemessen: Der Fremde, dein Freund und Helfer.  JF

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