Komisch: Bei dem Banken-Streßtest vor wenigen Wochen, konnte gar
keine Bank durchfallen. Befürchteten die Verantwortlichen statt einer
Beruhigung einen Bankenrun, vor allem bei Banco Monte dei Paschi, die am
schlechtesten abschnitt? Wenig hoffnungsfroh stimmte auch die Aussage
des EZB-Chef Mario Draghi, wonach es bei außergewöhnlichen Umständen
wichtig sei, „öffentlichen Rückhalt“ zu haben. Das und der
Bankenstresstest lassen erahnen, daß gewisse Banken einen
Konjunktureinbruch oder eine platzende Immobilienblase kaum ohne Hilfen
überstehen würden.
Wie kam es dazu? Am Anfang war der Euro, der die verschiedenen
europäischen Mentalitäten, Wirtschaftsordnungen und Strukturen politisch
und wirtschaftlich vereinigen sollte. Dabei ignorierten die Initiatoren
die Ökonomen, die warnend ihre Finger hoben.
Wie sich zeigte, zogen die Architekten der Einheitswährung offenbar
nicht die Bedeutung schwankender Wechselkurse ins Kalkül. Früher führten
wirtschaftliche Leistungsunterschiede unter den Staaten zu Handels- und
Zahlungsbilanzdefiziten. Im freien Spiel der Kräfte fiel dann die
Währung des wirtschaftlich schwächeren Landes. Deren Produkte wurden
dadurch im Ausland billiger, wodurch das Handelsbilanzdefizit abgebaut
werden konnte.
Mit dem Euro entfiel diese Möglichkeit des Handelsbilanzausgleichs.
Unter einer Einheitswährung gelingt ein Zahlungsbilanzausgleich nur
durch (höhere Anstrengungen oder durch) mehr Kredite. Die Kredite aber
schwächen die Schwachen durch zusätzliche Zinszahlungen und stärken die
Starken durch Zinseinnahmen.
Staatsfinanzierte Beschäftigungsprogramme und unsolide
Haushaltsführung der Staaten erhöhten nun die Staatsverschuldung. Der
wirtschaftliche Aufschwung wurde einer auf Pump, der am Ende mit
Zinseszins bezahlt werden mußte und sich auf die Staatsverschuldung
niederschlug.
Verstärkend kam hinzu, daß durch das Fehlmanagement sehr vieler
Banken die amerikanische Subprime-Krise nach Europa importiert wurde.
Staaten fühlten sich veranlaßt, die am Markt gescheiterten Banken mit
staatlichen Mitteln zu stützen. Zwei ordnungspolitische Fehler wurden
sichtbar: Zum einen darf ein Staat niemals Marktversager stützen, da das
zu Marktverzerrungen führt. Zum anderen darf keine Firma derart stark
werden, daß sie systemrelevant wird und dann den Staat erpressen kann.
Im Ergebnis wurde der Verschuldungsgrad vieler Staaten derart hoch,
daß sich die EZB veranlaßt sah, durch immer tiefere Leitzinsen die
Zahlungsfähigkeit von Staaten aufrechtzuerhalten. Der Zins verlor seine
Kapital-lenkende Wirkung: Im Normalfall bildet sich die Zinshöhe an
einem freien Markt nach Angebot und Nachfrage und dem
Chancen/Risiko-Verhältnis. Demnach müssen höhere Risiken mit höheren
Zinsen bezahlt werden. Dies aber verhinderte die EZB Zinspolitik. Das
Ergebnis: Anleger waren nicht mehr bereit Risikopapiere (zum Beispiel
griechische Staatsanleihen) zu kaufen.
Dadurch war die Refinanzierung von Staatsschulden am Markt zum Teil
nicht mehr gegeben. Um Staatskonkurse abzuwenden, wurden sogenannte
Rettungsschirme installiert. Das war in zweierlei Hinsicht bedenklich.
Zum einen, weil damit die No-Bailout-Klausel der Verträge von Maastricht
unterlaufen wurde und zum anderen, weil die EU vertragswidrig zu einer
Haftungsunion wurde, die eigenverantwortliches Handeln untergrub.
Die Niedrigzinsen hatten ferner zur Folge, daß seine
Ausgaben-disziplinierende Wirkung durch hohe Zinsen entfiel. Drohen bei
einer Überschuldung keine hohen Zinsen und kann sich der Schuldner sogar
auf Unterstützung der Partner verlassen (Haftungsunion) sieht offenbar
manche Regierung keine Notwendigkeit, sorgsam zu wirtschaften.
Zwar drohten auf dem Papier Sanktionen, doch in der Praxis wurde der
nachhaltige Bruch der Stabilitätskriterien nicht geahndet. Die Folge:
die Staatsverschuldungen der EU-Staaten stiegen weiter. Alleine in
Italien beispielsweise selbst nach der Subprime-Krise um 500 Milliarden
Euro. Wird bedacht, daß seitdem die Zinsen stark gesunken waren und dass
dadurch erhebliche Zinseinsparungen auf Altschulden erzielt wurden,
läßt sich erahnen, wie leichtfertig manche Staaten gewirtschaftet haben.
Auch Banken, vor Insolvenzen staatlich geschützt, überschuldeten
sich. So stehen beispielsweise ca. 360 Milliarden Euro fauler Kredite in
den Büchern italienischer Banken. Das sind etwa zwanzig Prozent all
ihrer Kredite. Faule Kredite und Tiefzinspolitik lähmten die
Ertragsfähigkeit der Banken. Ihnen mangelt es an Kernkapital. Das aber
ist erforderlich, um neue Kredite herausgeben zu können.
Sinkende Neukredite und dämpfende Einflüsse auf die Konjunktur sind
die Folgen. Das ist schlecht für den allgemeinen Wohlstand. Werden zudem
die negativen Effekte der Niedrigzinsen für die Sparer und deren
Altersvorsorge und die Gefahr von Blasenbildungen und diverse ungelöste
Probleme ins Kalkül gezogen, so ist eine unheilvolle Gemengelage zu
diagnostizieren. Die Fortentwicklung lässt nichts Gutes erahnen. Bruno Hollnagel
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.